Herne. Das Herner Traditionsunternehmen Graf’s Reisen kommt langsam in Fahrt. Hinter ihm liegt eine harte Zeit. Die WAZ sprach mit Anja Graf.

Es war vor ziemlich genau einem Jahr, als zahlreiche Reisebusunternehmen mir ihren Fahrzeugen nach Düsseldorf kamen und mit ihnen ein großes SOS auf den Rheinwiesen formten, um auf die prekäre Lage der Branche aufmerksam zu machen. Auch das Herner Traditionsunternehmen Graf’s Reisen war damals dabei. Doch nach dem Sommer 2020, in dem einige Reisen durchgeführt werden konnten, wurde mit dem Lockdown im Winter das Unternehmen wieder ausgebremst. Nun kommt es langsam in Fahrt. Die WAZ hat mit Prokuristin Anja Graf über die Situation gesprochen.

Im vergangenen Jahr formten Unternehmen mit ihren Reisebussen in den Rheinwiesen den Schriftzug „SOS“. Foto: Bernd Thissen / FUNKE Foto Services
Im vergangenen Jahr formten Unternehmen mit ihren Reisebussen in den Rheinwiesen den Schriftzug „SOS“. Foto: Bernd Thissen / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Wenn man auf den Betriebshof von Graf’s Reisen in Röhlinghausen kommt, fallen sofort die vielen geparkten Reisebusse auf. Zu normalen Zeiten wäre der Hof so gut wie leer. Es würde alles rollen, was Räder hat. Doch manche Busse parken nicht nur, an ihnen sind auch die Kfz-Kennzeichen abmontiert. Eine Maßnahme, um Versicherungskosten zu sparen, erzählt Anja Graf. Von den 45 Reisebussen seien fünf angemeldet geblieben, um auf kurzfristige Anfragen reagieren zu können. Wenn sich die anderen Busse in Bewegung gesetzt hätten, dann nur als Werkstattfahrt. „Die Busse müssen bewegt werden, sonst drohen Getriebeschäden“, so Graf.

Welche Schneise der wirtschaftlichen Verwüstung die Pandemie geschlagen hat, lässt sich am Beispiel Graf’s Reisen - die bundesweit zu den größten der Branche zählen - verdeutlichen. Fast alle Geschäftsfelder seien während des Winters zusammengebrochen. Reisen konnten nicht durchgeführt werden, zumal ja auch Hotels und Gastronomie geschlossen waren; auch Flixbus, für die Graf’s fährt, hatte seinen Betrieb eingestellt; der Schulbusverkehr war mit dem kompletten Distanzunterricht weggefallen. Es seien lediglich einige Busse im Auftrag des ÖPNV unterwegs gewesen, ebenso die Spedition.

Kurzarbeit wird weiter ein Thema bleiben

Den Großteil der Belegschaft habe man in Kurzarbeit schicken müssen, so Graf. Für die wenigen Fahrten, die durchgeführt worden seien, seien die Fahrer rotierend eingesetzt worden, damit sie immer mal wieder hinter dem Lenkrad sitzen konnten. Kurzarbeit werde auch in den kommenden Wochen und Monaten ein Thema bleiben, so Graf. „Auch wenn wir wieder langsam in Fahrt kommen.“

Möglich macht dies die neue Verordnung des Landes, die wieder Reisebusfahrten erlaubt. Der erste Flixbus hat das Gelände in Röhlinghausen verlassen, auch die Werkstatt werde nun wieder hochgefahren. Zu dem kleinen Stamm an Buchungen - zumeist Kunden, die bereits seit einiger Zeit geimpft seien -, kämen nun verstärkt neue Buchungen hinzu, dies sei in den vergangenen Tagen zu beobachten gewesen. „Wir merken, dass die Menschen weg wollen.“ Das Unternehmen selbst sei auch startklar.

Graf’s Reise hat die Hotelkapazitäten für dieses Jahr schon vor einiger Zeit eingekauft

Dennoch wird es kein Kickstart. Ein Grund: Die Busse dürfen laut Graf nur zu 60 Prozent ausgelastet werden. Ein Umstand, der für die Prokuristin nicht ganz nachzuvollziehen ist. Die Busse seien mit ihrer Lüftungstechnik und Hygienekonzept sicher. Ein Unterschied zu Flugreisen sei so nicht auszumachen, doch dort gebe es keine Auslastungsbegrenzung. Mit den 60 Prozent sei es schwierig, kostendeckend zu agieren, zumal das Unternehmen gerade in der jetzigen Startphase erstmal investieren müsse.

Immerhin: Graf’s Reisen hat bereits vor einiger Zeit die Hotelkapazitäten für dieses Jahr eingekauft, so dass man diese nun anbieten könne. Doch schon jetzt sei klar, dass sich frühestens im kommenden Jahr Umsätze einstellen werden wie in der Zeit vor Corona. Fest stehe aber auch: Ziele, die wirtschaftlich zu vertreten seien, würden auch angefahren. Anja Graf: „Wir wollen den Menschen das Reiseerlebnis bieten.“

>> ÄRGER ÜBER FLICKENTEPPICH DER BESTIMMUNGEN

■ Zwar zeigt sich Anja Graf erleichtert darüber, dass die Reisebusse nun wieder fahren dürfen, ärgerlich sei allerdings der Flickenteppich an Bestimmungen.

■ Was sie damit meint: Während in NRW und anderen Bundesländern Busreisen nun erlaubt sind, sind sie in anderen (zum Beispiel Rheinland-Pfalz) noch verboten. Hinzu kämen unterschiedliche Regelungen zu Masken- und Nachweispflichten.

■ Das bedeute einen hohen Abstimmungsaufwand. Der Bund Deutscher Omnibusunternehmer fordert deshalb bundeseinheitliche Regelungen.