Herne. Pleiten, Possen und Pannen bei städtischen Bauprojekten? Das weist Herne weit von sich. Auf diese Gründe führt die Stadt Probleme zurück.
Erhebliche Zeitverzögerungen, Kostenexplosionen, bauliche Mängel – ist die Stadt zu dumm zum Bauen? Kämmerer Hans Werner Klee hat auf diese (von ihm selbst aufgeworfene) Frage eine klare Antwort: Nein! Der auch für Immobilien zuständige Dezernent wehrt sich gegen Vorwürfe und verweist vielmehr auf Phänomene, die die öffentliche Hand zunehmend vor riesige Probleme stelle und die aktuell geballt bei der Sanierung der Sport- und Schwimmhalle des Otto-Hahn-Gymnasiums (OHG) aufgetreten seien.
Vor der Wand ist es duster
Für die aus Sicht Klees aktuell größten Herausforderung – der Zustand städtischer Gebäude – formuliert er die alte Kumpelweisheit „Vor der Hacke ist es duster“ in „Vor der Wand ist es duster“ um. Auch nach sorgfältiger Vorplanung werde die tatsächliche Situation häufig erst nach dem Öffnen von Deckenplatten und Wänden und dem Abnehmen von Verschalungen sichtbar, so wie zuletzt bei der Dauerbaustelle OHG (siehe auch unten). Deutliche Mängel seien dadurch in dem 60er-Jahre Bau sichtbar geworden. So sei beim (unüblichen) Guss vor Ort der Beton nicht weit genug in die Bewehrungseisen geflossen. „Durch Kies- und Sandnester hatten sich Hohlräume gebildet, in die man mit dem ganzen Arm hinein fassen konnte“, berichtet Karla Fürtges, Leiterin des städtischen Gebäudemanagements.
Die vor Jahrzehnten schlecht ausgeführte Betonfertigung habe bei der Sanierung im August 2020 zu einem vierwöchigen Baustopp und sogar zur Grundsatzfrage geführt, ob die Statikmängel nicht sogar einen Komplettabriss der OHG-Halle notwendig machten. Dieser konnte zwar letztlich verhindert werden, nicht aber die erheblichen Kostensteigerungen und Zeitverzögerungen. Ein weiterer Risikofaktor bei der Sanierung von Bestandsgebäuden sei die Asbestproblematik, die an der Turnhalle an der Grundschule Flottmannstraße letztlich sogar zum Abriss geführt habe. Darüber hinaus gelte: „Nicht alles, was in den Plänen steht, ist auch so gebaut worden. Je älter der Bestand, desto größer das Risiko“, so Klee.
Handwerker: Nicht immer „Gutleister“
Die angespannte und überhitzte Marktlage wirke sich in mehrfacher Hinsicht aus. So komme es vor, dass die Stadt bei der Ausschreibung einzelner Gewerke von Handwerksfirmen gar keine Angebote oder nur welche zu „exorbitanten Preisen“ erhalte, sagt der Dezernent. Auch der aktuelle Materialmangel führe zu Engpässen und/oder teuren Umplanungen. Und: Die Auftragnehmer auf Handwerker- und Planerseite seien nicht immer „Gutleister“, auch beim OHG seien Arbeiten mangelhaft ausgeführt worden. Zudem habe eine Firma Insolvenz anmelden müssen. Da sich die einzelnen Gewerke aufeinander abstimmten, komme es schnell zu erheblichen Verzögerungen, wenn eine Firma eine Vorleistung nicht erbringe. Nicht zuletzt sei auch Corona aktuell ein großer Faktor und führe zu Ausfällen.
Mitarbeiter verzweifelt gesucht
Von Personalengpässen hatte Klee bereits zuletzt im Finanzausschuss berichtet: (Ingenieurs-)Stellen bei der Stadt müssten mangels Bewerbungen bisweilen bis zu drei- oder viermal ausgeschrieben werden. „Das gilt nicht nur für den Hochbau, sondern auch für den Tiefbau.“ Herne arbeitet aufgrund des Fachkräftemangels verstärkt mit Hochschulen zusammen und gebe Werkstudenten eine Chance, die nach ihrem Abschluss bei entsprechender Eignung fest angestellt würden.
Die Fesseln des Vergaberechts
„Als öffentliche Hand sind wir anders als Private nicht frei in der Vergabe, sondern unterliegen dem Vergaberecht“, sagt der Stadtdirektor. Trotz einiger Lockerungen auch in NRW müsse häufig deutschland- oder europaweit ausgeschrieben werden. Die Möglichkeit von Nachverhandlungen gebe es dabei nicht. Und: Durch notwendige Neuausschreibungen komme es hier ebenfalls zu Verzögerungen.
Der Investitionsstau
Seit Jahrzehnten muss sich Herne finanziell zur Decke strecken. Aufgrund der leeren Kassen sei nicht so in den Bestand investiert worden, wie es eigentlich nötig gewesen wäre, räumt der Kämmerer ein. Auf den Investitionsstau habe man nicht zuletzt durch die Gründung der Herner Schulmodernisierungsgesellschaft reagiert.
Das Fazit
Die Probleme beim Bauen und Sanieren träfen nicht nur Herne, sondern auch andere Kommunen in gleichem Maße, sagt Hans Werner Klee und verweist auf aktuelle Beispiele in Nachbarstädten. Presseberichte über „Possen“ oder „Pannen“ gingen deshalb am Kern vorbei. Auch von Vereinen geäußerte Kritik an Mängeln bei der Kommunikation seien nicht gerechtfertigt, so Karla Fürtges. Es gebe feste Formate für den Austausch mit der Politik und dem Sport. Falls erforderlich, werde auch kurzfristig über den Fachbereich Sport über neue Entwicklungen informiert.
>>> WEITERE INFORMATIONEN: Kostenexplosion und riesiger zeitlicher Verzug am OHG
Von März bis Dezember 2020 sollte die Turn- und Schwimmhalle des Otto-Hahn-Gymnasiums für 4,25 Millionen saniert werden.
Stand jetzt liegen die Kosten bei 7,7 Millionen Euro und die Fertigstellung wird für März (Sport) bzw. September 2022 (Schwimmen) angekündigt, also 27 bzw. 33 Monate später als ursprünglich geplant.