Heiligenhaus. Wenn Esther Klemmt Hammer und Meißel in die Hand nimmt, ist sie nicht mehr zu stoppen. Durch Mut und Erfolg hat sich die Heiligenhauserin bewiesen.
Esther Klemmt (50) steht in ihrer Werkstatt in Heiligenhaus, eine zierliche Frau mit braunem Haar, die auf den ersten Blick nicht dem gängigen Bild eines Steinmetzen entspricht. Doch wenn man genauer hinsieht, erkennt man die Kraft in ihren Händen, wenn sie den Eisenmeißel ergreift und behutsam den Stein bearbeitet. Ihre schlanken Finger meißeln mit Präzision und Geschick, als wären es die Hände einer Pianistin. Esther Klemmt beweist, dass dieser Beruf keineswegs nur Männern vorbehalten ist – auch wenn der Frauenanteil in der Branche nach wie vor gering bleibt.
Der Beruf des Steinmetzes in Heiligenhaus
Stärke und Kreativität sind als Steinmetz nicht an das Geschlecht gebunden, weiß die gelernte Steinbildhauerin aus Heiligenhaus. Sie ist über den Garten- und Landschaftsbau auf den Beruf des Steinmetzen aufmerksam geworden und hat dann ein Praktikum gemacht. „Nach drei Wochen habe ich gemerkt: Das ist es!“, erzählt sie. Daraufhin absolvierte sie eine dreijährige Ausbildung in Solingen, bei der sie einmal pro Woche die Berufsschule besuchte, bevor sie ihre Gesellenprüfung ablegte.

Vielfältiger Beruf mit besonderen Fähigkeiten
Esther veranschaulicht an einem Grabstein mit Engelsflügeln, den sie bereits gemeißelt hat, wie sich das Material unter ihren Fingern formt. Mit jedem Schlag des Drucklufthammers werden die Konturen der zuvor gezeichneten Flügel langsam sichtbar.
Grabsteine machen den Großteil ihres „Hauptbrotes“ aus, wie sie es nennt. Daneben fertigt sie aber auch kleinere, individuelle Projekte, sei es eine Treppe für den Garten oder dekorative Stücke für Haus und Hof. Die Dauer der Aufträge kann dabei sehr unterschiedlich sein. Manch ein einfacher Feldnummernstein ist in einer Stunde gemeißelt. Andere Grabsteinprojekte hingegen können sich über Monate hinziehen, wenn die Kunden eng in die Gestaltung eingebunden sind und gemeinsam mit ihr den perfekten Entwurf finden.

Dafür wird sie von einem fünfköpfigen Team unterstützt. Lachend fügt sie hinzu: „Ich bin auch auf der Suche nach weiteren qualifizierten Mitarbeitern und Azubis!”
Sie weiß, dass der Beruf des Steinmetzen viele Fähigkeiten erfordert: räumliches Denkvermögen ist genauso wichtig wie Freude an der handwerklichen, körperlichen Arbeit. „Man muss auch okay damit sein mal nass zu werden oder auch mal zu frieren. Fühlt sich nicht gut an, aber gehört dazu“, erklärt die Steinmetzin. Teamfähigkeit ist ebenfalls entscheidend, besonders in ihrer Werkstatt. „Das kann man nicht allein durchziehen, da müssen alle zusammenarbeiten.“ Nur im Team lassen sich die aufwendigen Projekte stemmen.
Geringer Frauenanteil in der Steinmetz-Branche
Trotz dieser vielfältigen Anforderungen ist der Frauenanteil in der Steinmetz-Branche noch immer sehr gering. Viele Frauen lassen sich von dem männerdominierten Umfeld abschrecken. Doch Esther Klemmt hat bewiesen, dass auch Frauen in diesem Handwerk erfolgreich sein können.
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Vor einigen Jahren musste sie sich noch gegen Vorurteile behaupten. „Damals wurde oft gefragt, wo denn mein Chef oder mein Vater sei. Man hat mir abgesprochen, dass ich einen Betrieb führen kann“, erinnert sie sich. Doch sie ließ sich davon nicht entmutigen. In ihrer Ausbildung war sie oft besser als ihre männlichen Kollegen. Das trieb sie an, den Beruf unbedingt ergreifen zu wollen. Mittlerweile hat sich einiges verändert, wie sie erzählt. „Ich werde nicht mehr komisch angeguckt, wenn ich mit dem LKW auf den Friedhof fahre.“ Zwar kommt manchmal noch ein kurzer Blick, aber insgesamt ist die Situation deutlich besser als vor 24 Jahren, als sie ihre Meisterprüfung ablegte.
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Jeder Mensch geht anders mit Trauer und Tod um
Esthers Blick wandert über die Werkstatt, zu all den Grabsteinen, die sie gerade anfertigt. Ein Schimmer von Stolz liegt in ihren blaugrauen Augen, doch dann überzieht eine bittersüße Zurückhaltung ihre Miene. „Ich weiß nicht, ob Spaß das richtige Wort ist“, gesteht sie zögernd. „Mir macht die Arbeit Spaß und ich wünsche mir für dieses Jahr mehr Aufträge, aber...“ Ihre Stimme verhärtet sich, als wollte sie die nächsten Worte kaum aussprechen. „Den Tod wünscht man natürlich niemandem.“
Esther weiß, dass ihr Beruf den schmalen Grat zwischen handwerklicher Kreativität und dem größeren Grund eines Auftrags bedeutet – wenn jemand zu ihr kommt, weil ein geliebter Mensch verstorben ist. „Ich sage den Menschen immer, ich hoffe, wir sehen uns nicht nochmal.“

Das Bedeutsame für sie ist aber auch, dass ihre Arbeit ein Stückweit Teil der Trauerbewältigung ist. „Es ist schön, wenn die Hinterbliebenen sagen: genauso habe ich mir den Stein vorgestellt“, erzählt sie. Esther schätzt die enge Zusammenarbeit mit den Kunden, denen sie die Zeit gibt, die sie brauchen, um gemeinsam den perfekten Entwurf für den Grabstein zu finden. „Man sagt oft, es ist alles so traurig, wenn man beim Steinmetz sitzt. Aber wir lachen auch zusammen.“
Esthers Blick fällt auf den selbst entworfenen Schmetterling in ihrer Hand. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. „Es ist nicht alles traurig hier“, sagt sie. Denn wie der Schmetterling, können aus der Dunkelheit der Trauer auch Momente der Leichtigkeit und Hoffnung entstehen.
Was macht ein Steinmetz?
Steinmetze sind für die Verarbeitung von Natur- und Kunststein zuständig. Zu ihren Aufgaben gehören unter anderem das Fertigen von Böden, Skulpturen, Treppen, Grabsteinen sowie die Restaurierung von Denkmälern und Gebäuden. Die dreijährige Ausbildung erfolgt meist dual. Weitere Informationen bietet die Website des Steinmetzverbands: https://www.steinmetzverband.de/ausbildung.html