Hattingen/Bochum. Die Fahrgäste staunen, als der alte Triebwagen 40 das Gleis erreicht. Die Fahrt von Bochum nach Hattingen hält einige Überraschungen bereit.
Plötzlich drehen sich die Köpfe nach links. Die Menschen am Gleis zücken ihre Handys, um Fotos und Videos zu machen. Hier fährt gerade nämlich nicht irgendeine gewöhnliche Straßenbahn in den Bochumer HBF ein, sondern eine historische: Der Triebwagen 40, der vor einigen Jahrzehnten die Menschen bereits durch die Gegend kutschierte – und nun von hier aus nach Hattingen bringen soll.
Im Rahmen des traditionellen Adventsverkehrs hat die Verkehrshistorische Arbeitsgemeinschaft Bogestra am Sonntag eine Teilstrecke der Linie 308 befahren. Die Fahrgäste haben teilweise schon sehnsüchtig auf das Gefährt gewartet. Andere wollten eigentlich nur ganz regulär die 308 nehmen. Doch sie alle sind jetzt begeistert und es wirkt, als würde ein kleines Raunen über das Gleis gehen. Das Wort „schön“ ist nicht nur aus einem Mund zu hören.
Rollstuhlfahrer kann nicht mitfahren
Ganz beige kommt die Bahn daher, mit einem grünen Streifen, der sich einmal rund um den Wagon zieht. „Hattingen Mitte“ prangt in schwarz und beleuchtet über der Fahrerkabine. Die Bahn hält, die Türen gehen automatisch auf und die Gäste müssen anders als bei modernen Bahnen erstmal ein paar Stufen hoch gehen, um einzusteigen.
Draußen steht noch ein Rollstuhlfahrer, der hier bleiben muss. Die Türen sind zu eng. Barrierefrei ist die historische Bahn auf keinen Fall, darauf hatte die Bogestra aber im Vorfeld hingewiesen. Dafür wurde hier vor über 30 Jahren schon in gewisser Weise gegendert. Gleich mehrere Schilder hängen in der Bahn: „Hallo, Taxi!“ steht dort. Gefolgt von dem Hinweis, dass die Gäste dem Fahrer – und eben auch der Fahrerin – Bescheid geben sollen, wenn sie ein Taxi bräuchten. „Das Schild ist original“, bestätigt einer der vier Männer in den hellblauen Hemden vom Bahnpersonal. Schon früh setzte die Bogestra auch auf Frauen am Steuer. Damit die sich nicht sprachlich ausgeschlossen fühlen, wurden sie eben auch schon im vergangenen Jahrhundert auf den Schildern explizit erwähnt, noch ganz ohne Genderdebatte.
Kaum ein Fahrgast hängt am Handy oder hört Musik
Der Wagon ist weihnachtlich geschmückt. Tannenzweige und Christbaumkugeln hängen an den Geländern an der Decke. Auch an den Fenstern sind Aufkleber aufgebracht. Vor allem ältere, aber auch ein paar eher jüngere Menschen sind an diesem Sonntagmorgen unterwegs. Was sofort auffällt: Kaum einer hängt am Handy oder hört Musik. Vielmehr staunen die Menschen über die Bahn.
Drinnen ist der Boden aus einer gerillten schwarzen Gummierung. Die Sitze sind in einem satten Waldgrün. Darauf sitzt es sich hart, schließlich sind diese aus Metall. Und eng ist es.
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Geräuschkulisse ist leiser als in der regulären 308
Kurz ruckelt es, aber die Bahn fährt erstaunlich geschmeidig über die Gleise. Auch sonst ist die Geräuschkulisse leiser als beispielsweise in der 308, die diese Strecke normalerweise fährt. Die Bahn ist gut erhalten, hier und da sind aber Altersspuren zu erkennen.
Zum Beispiel bei dem Knopf, mit dem die Fahrgäste ihren Haltewunsch signalisieren können. Der sollte mal rot sein, wirkt nun aber eher schwarz. Die Bahn hält an. Zwei Personen wollen raus, doch die Bahn fährt wieder los, bevor sie aussteigen können.
Gäste müssen Türen selbst öffnen
Die Türen gehen nicht wie bei den aktuellen Straßenbahnen automatisch auf. Hier müssen die Gäste sie selber öffnen. Das wussten die beiden Personen nicht. Dabei wäre die Vorgehensweise gar nicht mal antik abenteuerlich, sondern genauso wie in modernen Bussen. An den Türen gibt es ein graues „Display“. Sobald die Bahn zum Stehen kommt, leuchtet dort „Aussteigen - bitte Knopf drücken“ auf. Mit einem Pfeil auf einen weißen Knopf darunter.
Die Beleuchtung wirkt gemütlich. In zwei Reihen hängen alle paar Zentimeter Glühbirnen an der Decke. Die Bahn ist schon ganz zu Beginn gut gefüllt, einige müssen stehen. Insgesamt verläuft die Fahrt aber nicht anders als normale Bahnfahrten. Die minimale Verspätung fällt kaum ins Gewicht.
Fotokalender zeigt Straßenbahnen
Die „Verkehrshistorische Arbeitsgemeinschaft Bogestra“ hat zwei Weihnachts-Geschenkideen mit regionalem Bezug. Frisch erschienen ist der Band 4 der Buchreihe „Zeitreise durchs Bogestra-Land“. Diesmal ist Andreas Halwer „Auf den Spuren der Linien 306/316 zwischen Wanne-Eickel und Bochum“.
Lohnend ist auch der Straßenbahn-Fotokalender 2025. Monat für Monat gibt es eindrucksvolle Ansichten zum Thema Straßenbahn. Die Aufnahmen zeigen neben einer oder mehreren Bahnen auch viel Umfeld. Der Fotokalender (11,90 Euro) und das Buch (34,80 Euro) sind im Kundencenter der Bogestra in Hattingen erhältlich. Der Verkauf dient der Erhaltung der historischen Fahrzeuge.
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