Hattingen/EN-Kreis. Ein Todesfall – doch es gibt keine Erben. Und nun? Eine Rechtsanwältin aus Hattingen ist Fachfrau auf diesem Gebiet. Sie erklärt, was passiert.
Ein Todesfall und es gibt keine Erben – was nun, was tun? Eine Rechtsanwältin aus Hattingen ist Expertin auf diesem Gebiet, sie wird vom Amtsgericht eingesetzt. Was ihr Job ist:
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Eigentlich gehört das Durchforsten von fremden Wohnungen, das Prüfen fremder Dokumente oder das Durchsehen fremder Kontoauszüge nicht zum Tagesgeschäft einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts. Doch bei der Hattingerin Simone Hiesgen, Rechtsanwältin für Erb- und Familienrecht in der Kanzlei Wortmann in Gevelsberg, gehört das immer mal wieder zu ihren Aufgaben. Denn Hiesgen wird als Anwältin vom Amtsgericht als Nachlasspflegerin bestellt. Das bedeutet, dass sie den Nachlass von Verstorbenen regelt – wenn nicht klar ist, wer der befugte Erbe ist.
Denn was passiert nach einem Todesfall mit der Wohnung eines Verstorbenen, seinen eventuell noch offenen Rechnungen oder mit dem Hausrat, wenn erst einmal niemand ermittelt werden kann, der als Erbe offiziell dafür zuständig ist? Hier kommt Simone Hiesgen ins Spiel. Etwa zwölf Nachlasspflegschaften übernimmt die 50-Jährige pro Jahr. „In diesen Fällen sind keine unmittelbaren Angehörigen greifbar und man weiß deshalb nicht sofort, wer der Erbe ist. Dann muss man schauen, dass man den Nachlass des Verstorbenen sichert und verwaltet“, erklärt sie. Wenn sich Erben um den Nachlass oder die Wirksamkeit eines Testaments streiten, gilt der Erbe zunächst ebenfalls als unbekannt.
Der erste Weg führt in die Wohnung
Nachlass sichern bedeutet unter anderem, dass Simone Hiesgen zunächst einmal in die Wohnung des verstorbenen Menschen fährt. Zutritt erhalte sie meist vom Vermieter oder von Nachbarn. „Dort muss ich schauen, was ich an Unterlagen finde, wen ich benachrichtigen muss und was ich noch an Wertgegenständen finde.“
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In eine fremde Wohnung zu gehen, Schubladen und Schränke zu durchsuchen und in ganz private Dinge Einblick zu erhalten, sei ein komisches Gefühl. Und nicht immer angenehm. „Einmal hatte ich das absolute Extrem, dass die Tür zur Wohnung schon gar nicht richtig aufging“, erinnert sich Hiesgen. Hinter der Tür habe sich schon Zeug gestapelt. „Nicht unbedingt Sachen, die man so anfassen wollte. Das war das einzige Mal bisher, dass ich einen Ganzkörperoverall, Überschuhe, Mundschutz und Handschuhe angezogen habe, um in die Wohnung zu gehen.“ Gerochen habe es zwar nicht so schlimm, aber in einem solchen Fall sei die Durchsuchung nicht ganz so ausführlich ausgefallen. „Da habe ich jetzt nicht jeden Müllbeutel darauf untersucht, ob darin noch Diamanten liegen.“
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Im Falle der vermüllten Wohnung hatten alle potenziellen Erben innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von sechs Wochen mitgeteilt, dass sie auf den Nachlass verzichten, „weil dort sowieso nichts zu holen war“. Die Wohnung wurde daraufhin ungeräumt an den Vermieter übergeben, der sie erst einmal sanieren musste. Auf den Kosten blieb der Vermieter sitzen.
Hausrat ist meist nicht von Wert
Natürlich gebe es auch die erfreulichen Fälle, in denen man einen ordentlichen Haushalt und sortierte Unterlagen vorfindet. Vor Ort macht Hiesgen Fotos von möglichen Verkaufsobjekten, die sie an Sachverständige von Auktionshäusern schickt – mit der Frage, ob es sich lohnt, diese Gegenstände für einen Weiterverkauf einzupacken. „Die Bilder gehen auch an das Gericht, damit ich nachweisen kann, ob ich Hausrat ohne besonderen Wert vorgefunden habe.“
Tipps, um Nachlass zu regeln
Simone Hiesgen hat aber auch Tipps für Menschen, die ihren Nachlass noch zu Lebzeiten ordentlich regeln wollen. „Ich kann nur jedem empfehlen, sich anwaltliche Hilfe zu holen, wie sein Erbe geregelt werden soll und ob ein handschriftliches Testament reicht oder man besser damit zu einem Notar gehen sollte.“ Ein handschriftliches Testament könnte zum Beispiel beim Amtsgericht hinterlegt werden.
Darüber hinaus empfiehlt Hiesgen, eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht zu unterschreiben. „Es kann ja dazu kommen, dass man ins Koma fällt und deswegen seine Angelegenheiten nicht regeln kann.“ Zu Lebzeiten könne auch ein Bestattungsvorsorgevertrag erstellt werden. „Hier plant man seine Beerdigung im Vorfeld und bezahlt sie vorab.“
Ein weiterer Tipp ist, sich eine Notfallmappe anzulegen. Darin sind alle wichtigen Informationen und Unterlagen zusammengestellt, damit sich Angehörige oder Nachlasspfleger einen Überblick verschaffen können. Im Internet können entsprechende Checklisten heruntergeladen werden, zum Beispiel hier.
Im Nachlass sei in den meisten Fällen nicht genug vorhanden, um einen Unternehmer mit der professionellen Auflösung der Wohnung zu beauftragen. Hiesgen habe aber jetzt jemanden gefunden, der sich mehr Mühe mache, den Hausrat durchsehe und Dinge mitnehme, um sie zu verkaufen. „Von dem Erlös gibt es dann einen Teil für den Nachlass, um zum Beispiel restliche Räumungskosten zu bezahlen.“
Besichtigungen gehen Hiesgen auch mal nah
Teilweise gehen Simone Hiesgen die Besichtigungen der Wohnungen der Verstorbenen auch nahe. „Man findet ja durchaus liebevoll gestaltete Fotoalben oder Schachteln mit persönlichen Briefen.“ Hier muss Hiesgen als Nachlasspflegerin sicherstellen, dass solche Dokumente nicht in Umlauf geraten und datenschutzgerecht entsorgt werden. „Manchmal stellt man auch fest, dass die eigene Oma eine ähnliche Einrichtung wie die Verstorbene hatte oder man sieht auf Bildern Urlaubsorte, wo man selbst auch schon mal war. Das fasst einen dann schon an“, sagt Hiesgen.
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