Hattingen. Die Situation ist dramatisch: Immer mehr Grundschulkinder haben Schwierigkeiten beim Lesenlernen. So wird das Problem In Hattingen angegangen.

Mit dem Lesen haben viele Kinder in Deutschland große Schwierigkeiten. Und dieses Problem betrifft immer mehr Mädchen und Jungen, beobachtet Bernd Jeucken. Der ehemalige Leiter der Stadtbibliothek hat deshalb bereits 2022 begonnen, dem Projekt „Mentor – die Leselernhelfer Hattingen“ neuen Schwung zu verleihen. Doch die inzwischen mehr als 70 gewonnenen Ehrenamtlichen sind noch längst nicht genug.

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„Grob geschätzt, braucht fast jedes dritte Grundschulkind Hilfe beim Lesen“, sagt Bernd Jeucken. „Der Förderbedarf bei den Kindern hat dabei deutlich zugenommen - auch, weil diesen zu Hause nur noch sehr selten vorgelesen und mit ihnen gelesen wird. Zu viele Menschen gucken nur noch auf ihr Smartphone oder Tablett.“ Auch am Leseverständnis hapere es oft, sagt Bernd Jeucken.

Koordinator schätzt Bedarf an Lese-Coaches in Hattingen auf gut 100 Ehrenamtliche

Als Koordinator betreut er dabei das Mentor-Projekt im Freundeskreis der Stadtbibliothek Hattingen e.V.. Bernd Jeucken schätzt, dass der Bedarf an Lese-Coaches bei den hiesigen Grundschulen zum neuen Schuljahr bei gut 100 Ehrenamtlichen liegt. Aktuell 72 Leselernhelferinnen und Leselernhelfer umfasst das Team. „Wir können also gut und gerne noch engagierte Erwachsene, die Kinder beim Lesenlernen unterstützen möchten, gebrauchen.“

Im Bürgertreff Welper in Hattingen trafen sich Leselernhelferinnen und Leselernhelfer zum Erfahrungsaustausch.
Im Bürgertreff Welper in Hattingen trafen sich Leselernhelferinnen und Leselernhelfer zum Erfahrungsaustausch. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Alle neun Hattinger Grundschulen seien inzwischen mit Lesepaten versorgt, zuletzt rund 200 Mädchen und Jungen haben diese beim Lesenlernen begleitet, sagt Bernd Jeucken. „Das heißt allerdings nicht, dass alle Schulen auch genügend Leselernhelfende haben.“ Daher wirbt der rührige Koordinator des hiesigen Mentor-Projektes um weitere ehrenamtliche Engagierte.

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Stets in einer 1:1-Situation, nicht in Gruppen, wird gefördert - frühestens ab der zweiten Klasse, maximal bis zum Ende der Grundschulzeit. Jeweils mindestens ein Jahr lang eine Stunde pro Woche begleitet eine Lesepatin, ein Lesepate ein leseschwaches Kind und übt mit ihm. Jeder Mentor ist während jedes Treffens speziell nur für dieses eine Kind da, lässt sich auf dieses ein, lernt dessen Stärken und Schwächen kennen. Gelesen werden Texte und Bücher, die das jeweilige Kind interessieren. Neben Kinderbuchklassikern und gerade angesagten Werken geht es auch um aktuelle Nachrichtenthemen - zurzeit etwa Olympia. „Und im Einzelfall“, so Bernd Jeucken, „behandelt ein Mentor mit einem Kind auch mal ernste Themen. Krieg, Tod, Trauer.“

„Man freut sich mit jedem Erfolg der Kinder.“

Sylvia Niggemeyer, Leselernhelferin

Sylvia Niggemeyer und Hans-Georg Harms sind nun seit drei Jahren im Team von „Mentor – Die Leselernhelfer Hattingen“. Die 56-Jährige sagt, als Leselernhelferin müsse sie mitunter ganz klein anfangen - bei jenem Jungen mit Migrationshintergrund etwa, dem nicht nur das Lesen schwerfällt, sondern vor allem das Verstehen. Neulich etwa habe sie dem Zweitklässler an der Grundschule Bredenscheid erklären müssen, was ein Mofa ist. Als er das verstanden habe, habe er gestrahlt. Und sie auch. „Man freut sich mit jedem Erfolg der Kinder.“

Kontakt zu Mentor Hattingen

Interessenten, die sich bei „Mentor – die Leselernhelfer Hattingen“ engagieren möchten, können Kontakt mit Projekt-Koordinator Bernd Jeucken aufnehmen unter 0157 715 60 203 oder per Mail an info@mentor-hattingen.de.

Weitere Infos zum Projekt gibt es im Internet: www.mentor-hattingen.de

Harms (76) nickt - und erzählt stolz von einem Jungen, den er an der Erik-Nölting-Schule beim Lesenlernen begleitet hat. „Der hat sich durch diese Unterstützung enorm verbessert. Er konnte zuletzt sogar eine fehlerfreie Inhaltsangabe seines Lieblingsbuches über die ,Drei Fragezeichen“ machen“, sagt der Welperaner.

„Ich mache das, um den Kindern beim Lesenlernen Unterstützung zu geben, die sie woanders einfach nicht oder nicht ausreichend bekommen.“

Ingrid Lingemann, Leselernhelferin

Auch Ingrid Lingemann (72) sieht ihr Engagement als Bereicherung an - nicht nur für das jeweils geförderte Kind. Schon seit den Mentor-Anfängen in Hattingen im Jahre 2013 engagiert sie sich in dem Projekt, ist Leselernhelferin an der Heggerfeldschule. „Ich mache das“, sagt sie stellvertretend für alle im Mentor-Team, „um den Kinder beim Lesenlernen Unterstützung zu geben, die diese woanders einfach nicht oder nicht ausreichend bekommen.“

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Die meisten Mitstreiterinnen und Mitstreiter hätten bereits vor ihrem Einsatz als Lesenpaten vielfältige Erfahrungen rund ums Lesen mit Kindern gemacht - durch ihre eigenen Kinder, die Enkelkinder, etliche könnten auch auf eine berufliche Laufbahn im pädagogischen Bereich zurückblicken. Das Wichtigste, so Bernd Jeucken, sei es aber, dass die Leselernhelfenden den Mentor-Kindern „die Freude am Lesen vermitteln. Denn Lesen macht ja großen Spaß“.