Hattingen. An dieser Haltestelle steigt kaum jemand ein oder aus, quasi nur alle zwei Tage. Und es ist eine Stelle, an der man das nicht sofort erwartet.
Wirklich nett ist es rund um diese Bus-Haltestelle. Regelrecht idyllisch, fast direkt am Fluss ist sie gelegen. Schicke (Mehrfamilien)-Häuser säumen die Königsteiner Straße nahe des Ruhrwehrs in Winz-Baak - das Gros von ihnen hat Balkone, die einen Blick aufs Wasser gewähren. Auf der Wiese hinter dem Leinpfad weiden ein paar Kühe, Vogelgezwitscher ist zu hören, das Rauschen der Ruhr. Ein Anwohner beschneidet gerade seine Hecke, ab und an fahren Autos vorbei. Und ausgerechnet hier soll Hattingens einsamste Haltestelle sein? Laut Bogestra-Statistik ist die Haltestelle „Königsteiner Straße“ das jedenfalls.
Anhand der Daten, die dem kommunalen Nahverkehrsbetrieb vorliegen, sei „von einer jährlichen Nutzung der Haltestelle Königsteiner Straße durch bis zu 200 Fahrgäste im Jahr auszugehen“, sagt Bogestra-Sprecher Christoph Kollmann. Die Buslinie 359, die hier verkehrt, hält dort - oder fährt genauer gesagt fast immer an dieser Haltestelle vorbei. So auch an diesem sonnigen Morgen um kurz nach halb zehn. Fünf Personen sitzen in dem Bus Richtung Holthausen, aus oder zu steigt niemand.
Eine junge Frau im brombeerfarbenen Shirt spaziert an der Haltestelle „Königsteiner Straße“ mit ihrem spanischen Wasserhund vorbei. „DIe Leute, die hier wohnen, haben doch alle Autos“, sagt sie. Etliche ÖPNV-Nutzer gingen - soweit sie dies (noch) können - auch gern erst ein paar hundert Meter zu Fuß bis zur Haltestelle „Ruhrbrücke“ der Straßenbahn 308, sagt unterdessen eine Mittsiebzigerin, die direkt hinter der Königsteiner Straße „Im Ruhrbogen“ wohnt.
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Mit der Straßenbahnlinie 308 kommen Fahrgäste dabei von jener Haltestelle binnen fünf Minuten nach Hattingen-Mitte. Mit der Buslinie 359 dauert es unterdessen satte 18 Minuten bis dorthin - ein Schlenker durchs Rauendahl inklusive. Und das nun schon seit rund 15 Jahren. Bis Mitte des Jahres 2009 steuerte die Linie 359, so Kollmann, dagegen noch direkt Hattingen-Mitte an.
Auch recht einsam
Die einsamste Haltestelle, die in Hattingen die Busse der Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr (VER) antreiben, ist laut Unternehmenssprecherin Sandra Bruns die Haltestelle „Wodantal“.
Diese ist eine der Haltepunkte der Buslinie 330, die zwischen Hattingen-Mitte und Niedersprockhövel-Kirche verkehrt.
Laut Sandra Bruns steigen an der Haltestelle „Wodantal“ „täglich etwa ein halbes Dutzende Fahrgäste ein und aus“.
Anwohnerin ist von Hattingens einsamster Haltestelle mal zum Karneval nach Holthausen gefahren
40 Jahre wohne sie inzwischen in ihrer Wohnung in Winz-Baak, sagt Elke Winkler (73). An der Haltestelle „Königsteiner Straße“, vielleicht 50 Meter von ihr entfernt, ein- und ausgestiegen sei sie aber bis heute nur einige wenige Male. „Um mit dem 359er zum Karnevalsumzug nach Holthausen zu kommen“, erinnert sie sich.
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Auch Frank Baasner (60) und seine Nachbarin Friederike Schulte (60) nutzen die Haltestelle schräg gegenüber ihrer Häuser nicht. „Und ich sehe an dieser auch so gut wie nie jemanden ein- und aussteigen“, sagt die Hattingerin. Mit Ausnahme einiger Schülerinnen und Schüler, denn den Halt „Königsteiner Straße“ steuert auch der Schulbus an. Die meisten Menschen allerdings führen von der Königsteiner Straße aus einfach nur selten ab. Das könne sich aber ja irgendwann auch ändern.
Es gibt Anbindungen der Buslinie 359 an die Straßenbahn 308 und die S-Bahnlinie 3
Zumal der ÖPNV-Anschluss - abgesehen von der manch einem zu umständlichen Fahrt in die Stadtmitte - so schlecht nicht ist. So bietet die Linie 359 auf ihrem Weg eine Anbindung nicht nur an die Straßenbahn 308 (die zwischen Bochum-Schürbankstraße und Hattingen-Mitte verkehrt). Auch an die S-Bahnlinie 3, die von Hattingen über Essen und Mülheim bis nach Oberhausen fährt, ist die Buslinie 359 angebunden. Außerdem gibt es auf der Strecke des 359er-Busses Umstiegsmöglichkeiten zu weiteren Buslinien.
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Täglich von den frühen Morgenstunden an bis nach Mitternacht fährt die Linie 359 zwischen Bochum-Dahlhausen und der Vamed-Klinik in Hattingen-Holthausen und auch in die umgekehrte Richtung - sogar an den Wochenenden. Nach 22 Uhr allerdings kommt statt des Busses ein Anruf-Sammeltaxi zum Einsatz. Dieses fährt zwar nach einem festen Fahrplan - aber nur, wenn ein Fahrtwunsch angemeldet wurde. Ein solcher kann jederzeit erfolgen, spätestens jedoch 30 Minuten vor der Abfahrt (Kontakt: 0234-33300333).
Wer auf dieses - oder auch den Bus - mal warten muss, braucht sich übrigens selbst vor Regen nicht zu fürchten. Zumindest auf der Haltestellen-Seite Richtung Holthausen gibt es nämlich einen Unterstand, außerdem drei Sitzgelegenheiten aus Drahtgestell. Und sogar ein Mülleimer ist am Bus-Unterstand „Königsteiner Straße“ platziert. An diesem, hat Friederike Schulte schon des Öfteren beobachtet, „stellen viele Menschen ihren Müll ab, nachdem sie in den Ruhrauen gegrillt und gechillt haben“. Und dann gehe es wieder heimwärts . Vielleicht beim nächsten Mal von der Königsteiner Straße aus ja sogar mal mit dem Bus.