Hattingen. Reaktionen auf Ankündigung, städtische Wiesen nicht mehr ganz zu mähen. Stadt ruft Bürger auf, weniger zu mähen - und kritisiert Mähroboter.
„Eines vorweg, ich habe nichts gegen Umwelt- und Klimaschutz. Das ist wichtig, aber bitte mit Augenmaß“, schreibt WAZ-Leserin Dagmar Müller in einem Leserbrief zur Ankündigung der Stadt, die Wiesen künftig nicht mehr komplett zu mähen.
Dagmar Müller schreibt zur Wiesenmahd städtischer Flächen außerdem: „Die Wiese an der Schreys Gasse wurde in den vergangenen Jahren von Einwohnern genutzt, um mit Kindern den Sommer auf der Liegedecke zu genießen oder für Ballspiele. Das ist nun nicht mehr möglich, da nur die Ränder geschnitten wurden. Auch im Hüttenpark wurden die Grasflächen zum Ausspannen genutzt. Dort waren in der vergangenen Woche Schafe, die alles platt getreten, aber kaum einen Grashalm gekürzt haben. Ein gesundes Mittelmaß zwischen Umwelt- und Klimaschutz und Bürgerfreundlichkeit wäre wünschenswert. Vor der Stadtmauer oder dem Rathaus möchte niemand entspannen oder spielen.“
Stadt Hattingen mäht Wiesen nicht komplett: Das sagen die Bürgerinnen und Bürger dazu
Ev Elyn Varg-Veli fürchtet, dass sich durch das Nicht-Mähen das Jakobs-Kreuzkraut ausbreiten könnte: „Dann haben wir bald genau so eine Seuche wie mit der Herkules-Staude.“ Stadtsprecherin Susanne Wegemann bestätigt, dass „es einige Pflanzen von Jakobs-Kreuzkraut auf städtischen Flächen gibt. Es ist eine heimische, giftige, aber dennoch ökologisch sehr hochwertige Pflanze. Sie sollte nicht von Säugetieren gegessen werden. Das gilt aber für viele heimische Pflanzen. Der bittere Geschmack hält vom Verzehr ab. Wir sehen die Pflanze nicht als Problem an.“
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Gleich zwei Menschen schwärmen von den Niederlanden. Marlies Ziegler: „Ich glaube, ich ziehe nach Holland. Da ist alles sauber gemäht. Und die haben heile Straßen. In den Städten kein Müll, kein Unkraut.“ So sieht das auch Renate Richard, der Insektenschutz käme dort nicht z u kurz und es gebe „schön bepflanzte Kreisverkehre“. Irene Schenkl schlägt vor, die eben frisch sanierten Verkehrskreise im Gewerbe- und Landschaftspark Henrichshütte schön zu bepflanzen. Susanne Wegemann stellt in Aussicht: „Auf zwei Kreisverkehren werden Wildblumem eingesät Der dritte ist ohne Pflanzfläche, weil er überfahrbar ist.“
Forderung: Ränder von Fahrradwegen mehr pflegen
Angesichts des von der Stadt formulierten Umweltschutzgedankens versteht Bettina Eichholtz nicht, warum „die extra angepflanzte Blumenwiese im Rauendahl bereits Ende Juni im vollen Blütenstand wieder komplett“ gemäht wurde. Hierzu sagt die Stadtsprecherin: „Im Rauendahl gab es keine städtische Blumenwiese.“
Ein ganz anderer Bereich ärgert Tanja Reichenberg - sie nennt die Radwege als Problemfeld: „Es wäre auch total schön, wenn die ,Ränder‘ der Fahrradwege in Hattingen geschnitten werden würden- besonders der Weg zur und auf der Ruhrbrücke.“ Es passe nicht zusammen, „auf der einen Seite mit dem Radtourismus zu werben“ und dann nicht die Infrastruktur zu pflegen. Susanne Wegemann: „Die Ränder werden regelmäßig nach Bedarf geschnitten.“ Zu Vorwürfen, die Stadt wolle mit dem Mäh-Konzept nur sparen, sagt sie: „Es gibt keine Kostenersparnis, weil dafür andere Arbeiten anfallen.“
Städtische Gärtnermeisterin hofft auf Umdenken der Bürgerinnen und Bürger durch Aufklärung
Die städtische Gärtnermeisterin Antje Senger hofft, dass sich durch Aufklärung die Einstellung vieler Bürgerinnen und Bürger, die das umweltfreundliche Mähverhalten nicht akzeptieren, weil Flächen ungepflegt aussehen, im Laufe der Zeit ändert. Wegemann: „Das neue Konzept stößt überwiegend auf positive Resonanz. Viele Bürgerinnen und Bürger haben erkannt, dass ein Umdenken erforderlich ist, um die Umwelt zu schützen.“ Leider müssten sich Mitarbeitende aber doch im Einsatz häufig unschöne Kommentare anhören. „Das ist leider nicht nur beim Mähen so.“
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„Ziel ist es aber, den Rasen so selten wie möglich zu stutzen“, so Antje Senger. Sie weiß aber auch: „Ohne Mähen keine Wiese. Alle Wiesen müssen ein bis zweimal im Jahr gemäht werden, ansonsten verbuschen die Flächen. Auf Bereichen, die völlig sich selbst überlassen werden, nehmen in kurzer Zeit hochwachsende Gräser überhand. Später folgen Sträucher wie Brombeeren oder Bäume.“
„Jeder Einzelne soll sich gut überlegen, wie oft sein eigener Rasen gemäht werden soll“
Einer der Gründe für das weltweite Insektensterben und den Schwund vieler anderer Tierarten sei, dass es viel zu wenig Wildnis gibt. Ein perfekter Fußballrasen sei für Tiere wie eine grüne Wüste, in der es keine Nahrung, keine Verstecke und keine Orte gibt, an denen der Nachwuchs schlüpfen oder großgezogen werden kann.
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Die Stadt rät, dass sich jeder Einzelne gut überlegen solle, wann und wie oft sein eigener Rasen daheim gemäht werden soll. Ständig den Mähroboter im Einsatz zu haben bedeute, Tieren die Nahrungsquelle zu entziehen.