Gladbeck.. Das Gladbecker Vinzenzheim wurde Anfang des 20. Jahrhunderts als Armenhaus erbaut. Später wurde es zum Waisenhaus und Seniorenheim, zum Notkrankenhaus und wieder zum Waisenhaus. Heute leben dort Senioren, betreut von der Diakonie.



Das Vinzenzheim an der Buerschen Straße kann man als gelungene Symbiose von Alt und Neu bezeichnen. Denn hinter der teils historischen Jugendstilfassade des imposanten Gebäudes ist nach Entkernung und Sanierung längst modernste Technik eingezogen. Dass das heutige Seniorenzentrum einst aus einem Armenhaus entstand und später zunächst als kombiniertes Waisenhaus und Seniorenheim fungierte, ist vielen Gladbecker heute nicht mehr bekannt.

In die Denkmalliste der Stadt (Nr. 10) wurden der ältere, zweigeschossige unterkellerte Mittelbau (1895) und die nördlich und südlich anschließenden dreigeschossigen Seitenflügel (1909) am 23. Januar 1984 aufgenommen. Das Objekt sei bedeutend für die Stadt, weil es neben seinen zeittypischen Architekturformen „eine Facette des kirchlichen Sozialwesens bezeugt“.

Waisen und alte Leute

Hervorgegangen ist das Vinzenzheim aus dem Armenhaus („Termöhlensches“ Wohnhaus) der Stadt. Es stand im Schatten der Lambertikirche und wurde wegen Baufälligkeit auf Beschluss der Armenverwaltung 1887 durch einen Neubau auf dem heutigen Gelände des Vinzenzheimes ersetzt. Mit dem Bevölkerungszuwachs durch den zunehmenden Bergbau wuchs auch die Gladbecker Gemeinde auf 7 394 Einwohner im Jahre 1893, davon 17 Waisenkinder und neun arbeitsunfähige alte Leute, so dass die Gemeindeverwaltung beschloss, „das jetzige Armenhaus zu einer Pflegestelle für arme Kinder und alte Leute einzurichten“. Für die Leitung wurden der Orden der Genossenschaft der Schwestern von der Göttlichen Vorsehung (Friedrichsburg bei Münster) gewonnen, der die Arbeit mit drei Schwestern im Dezember 1893 aufnahm.

Neben der Versorgung der Bewohner bauten die Ordensschwestern das Haus auch zur Unterweisung von Kindern katholischer Konfession mit einer „Kleinkinder-Bewahrschule“ und einer „Haushaltungs- und Handarbeitsschule für katholische Mädchen in nicht mehr schulpflichtigem Alter“ aus. Dafür wurde 1895 ein Neubau errichtet, der heutige Mittelteil des Gesamtgebäudes. Der umfassende Erweiterungsbau mit geräumigem Nord- und Südflügel folgte 1909.

Nach dem verlorenen I. Weltkrieg überraschte die Ordensschwestern 1919 ein Schwarm belgischer Soldaten, die auf dem Spielhof lagerten und Wohnung sowie Verpflegung verlangten. Die Besatzer rückten wieder ab, nachdem sie überzeugt wurden, keine Kaserne, sondern ein Waisenhaus entdeckt zu haben.

Im zweiten Weltkrieg Notkrankenhaus

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 kündigte der regimetreue Oberbürgermeister Dr. Bernhard Hackenberg 1937 die Unterstützung der Stadt für den katholischen Kindergarten im Waisenhaus auf. Die Kindergartenräume mussten samt Inventar der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) übergeben werden. Im Jahr 1938 entschied die Stadt weiter, das Vinzenzheim in ein reines Altenheim umzuwandeln (das Ev. Marthaheim wurde alleiniges Waisenhaus).

Die zunehmenden Bombenangriffe im II. Weltkrieg führten dazu, dass der Großteil der Bewohner in sichere Gebiete verlegt wurde. Schwere Zerstörungen am St.-Barbara-Hospital im Mai 1943 zogen nach sich, dass das Vinzenzheim zum Hilfsspital mit 72 überführten Kranken wurde. Der Krieg endete am Gründonnerstag 1945, als die letzten deutschen Truppen über die Buersche Straße flüchteten und am Abend die ersten amerikanischen Panzer vor dem Vinzenzheim standen.

Die amerikanische Besatzungstruppe errichtete im Nordflügel des Vinzenzheimes eine internationale Station für werdende Mütter und Mütter mit Kindern ein. Sie wurde bereits am 17. April 1945 von holländischen, belgischen, flämischen und ukrainischen Müttern mit Kindern bezogen.

Wiederaufbau

Die Aufbauarbeiten des teilzerstörten Gebäudes schritten rasch voran, so dass die Handarbeitsschule im Juli wieder eröffnete und 30 Waisenkinder im März 1946 an die Buersche Straße zurückkehrten. Im Januar 1950 folgten die evakuierten Männer. Das Kinderheim wurde 1967 aufgegeben, das in das neu errichtete Eduard-Michelis-Heim übersiedelte. Die Ordensschwestern konzentrierten sich ab 1. April nur noch auf die Altenpflege.

Nach 90 Jahren Ordenstätigkeit endete aufgrund schwieriger Personallage und wegen Nachwuchsmangels zum 31. Oktober 1983 das Engagement der Genossenschaft der Schwestern von der Göttlichen Vorsehung im Vinzenzheim. Neue Chefin wurde die Altenpflegerin Marianne Berger, die die Zusammenlegung der beiden konfessionellen Altenheime (Ev. Marthaheim, Kath. Vinzenzheim) am 1. April 1984 unter nun städtischer Regie bewältigte.

Diakonisches Werk

Seit 2002 ist das Diakonischen Werk Gladbeck-Bottrop-Dorsten Eigentümer des Vinzenzheimes, das mit Eigen- und Fremdmitteln das Haus für die Gesamtsumme von 6,5 Millionen Euro umfangreich saniert und modernisiert wurde.

Komplett abgerissen wurde der Anbau aus den 1970er Jahren. Seit der Neueröffnung im Februar 2008 bietet das Seniorenzentrum 80 Bewohnern ein Heim und Pflege, darunter 14 „junge“ Pflegebedürftige bis 55 Jahre, die im Erdgeschoss des Hauses in einer gemeinsamen Gruppe leben.