Gladbeck. Die SPD fuhr bei der Landtagswahl ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis ein. Die Grünen wählten so viele wie nie zuvor. Eine Wahlanalyse.

Formal hat die SPD die Landtagswahl in Gladbeck gewonnen und ihre Kandidaten das Direktmandat geholt. Aber Grund zum Jubeln hat die Partei eigentlich nicht: Sie hat diesen Erfolg mit dem historisch schlechtesten Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte eingefahren – mit 37,4 Prozent der Wählerstimmen. Noch nie haben – in absoluten Zahlen – so wenige Gladbeckerinnen und Gladbecker bei einer Landtagswahl ihr Kreuz bei den Sozialdemokraten gemacht: Keine 10.000. Lediglich 9437 der 52.806 Wahlberechtigten zwischen Brauck und Zweckel votierten für die SPD.

Der Verlust von einem Prozentpunkt gegenüber der letzten Wahl mag gering aussehen. Aber seit Jahren sind die SPD-Ergebnisse zum Teil deutlich rückläufig. Vor allem 2017 rutschte die SPD auf nie gekannte 38,4 Prozent ab, aber seinerzeit kreuzten immerhin noch 12.789 Wähler auf dem Stimmzettel SPD an. Fünf Jahre zuvor, 2012, konnte die SPD 15.976 Gladbecker um sich scharen (50,01 Prozent), etwa so viele wie bei der Landtagswahl 2010, als sie 15.509 Wähler hatte. 2005 zählte sie aber sogar 17.048 Stimmen, 2000 waren es noch mal mehr – 17.426 (55,3 Prozent). Das abermalige Abschmelzen bei der Wahl am vergangenen Sonntag auf nunmehr knapp 9500 Wähler zeigt deutlich, dass die SPD bei gleichzeitig historisch niedriger Wahlbeteiligung von 48,24 Prozent ihre potenziellen Wähler weder mobilisieren noch erreichen kann, da parallel die CDU und vor allem die Grünen mehr Wähler überzeugen konnten.

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SPD erzielt in Brauck historisch niedrige Wahlergebnisse

Freude herrschte bei der Gladbecker SPD, nachdem Thomas Göddertz (Foto) und Christin Siebel die Direktmandate gewonnen hatten.
Freude herrschte bei der Gladbecker SPD, nachdem Thomas Göddertz (Foto) und Christin Siebel die Direktmandate gewonnen hatten. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Beispiel Brauck, einst sozialdemokratischer Kernstadtteil: Dort lag die Wahlbeteiligung am Sonntag sogar deutlich unter der niedrigen Stadtquote: In den beiden Stimmlokalen in der Roßheideschule nur bei 23,5 und 22,7 Prozent. Hier mobilisierte die SPD gerade mal 139 und 109 Stimmen für sich (40,5 und 46,6 Prozent der Wählerstimmen). Noch düsterer sah es in den beiden Stimmlokalen im Schulzentrum Brauck aus: Hier beteiligten sich nur 18,9 beziehungsweise 17,6 Prozent der Wähler an der Abstimmung! Die SPD holte lediglich 94 und 69 Stimmen (47,7 und 44,0 Prozent).

Zum Vergleich: Die SPD holte in Stimmlokalen in CDU-Hochburgen Rentfort und Zweckel absolut mehr Stimmen als in Brauck. Etwa im Gemeindehaus St. Josef, wo es für die SPD 168 Stimmen gab oder im Kaplan-Poether-Haus, wo 133 Wähler ihr Kreuz hinter den Sozialdemokraten machten. Ihre besten Ergebnisse holte die CDU (Gesamtergebnis 30,4 Prozent, plus 4,4 Punkte) übrigens in den Stimmlokalen Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule (40,71 Prozent), im Gemeindehaus St. Josef (37,0), im Ratsgymnasium (36,81), im Maxus in Mitte-Ost (35,0), aber auch im Albert-Schweitzer-Haus in Ellinghorst (34,0).

Die CDU holt ihre besten Ergebnisse in Rentfort und Zweckel

In diesen fünf Stimmbezirken hatte die CDU die Nase vorn, in allen anderen die SPD. In elf Stimmbezirken (ohne Briefwahlbezirke) lag die CDU über ihrem stadtweiten Endergebnis (30,4 Prozent): In Rentfort, Rentfort-Nord, Zweckel, Stadtmitte und Mitte-Ost. Allerdings gibt es Briefwahlbezirke, die sich grundsätzlich nicht genau zuordnen lassen, in denen die CDU auch stärkste Partei wurde. In den Stadtteilen mit hohem CDU-Stimmanteil gab es auch die höchsten Wahlbeteiligungen in den Wahllokalen – etwa im Gemeindehaus St. Josef mit 38,08 Prozent. Dass die Gesamt-Wahlbeteiligung am Ende bei 48,2 Prozent lag, liegt an den vorab abgegebenen Briefwahlstimmen: 22,4 Prozent der Wahlberechtigten hatten schon vor dem Wahltag gewählt.

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Auffallend ist, dass in Brauck – in den traditionellen SPD-Gebieten – die AfD (Gesamtergebnis 8,1 Prozent) nach wie vor stark ist mit 13 und 14 Prozent Wähleranteilen. Die AfD wurde aber auch überdurchschnittlich in Schultendorf, Ellinghorst und Butendorf gewählt. Die FDP, die ihr Ergebnis fast halbierte auf 4,7 Prozent, holte ihre besten Ergebnisse in Zweckel (Jordan-Mai-Schule, 7,8 Prozent) und Schultendorf (Gemeindehaus Christus König, 6,5 Prozent). Das schlechteste Ergebnis erzielten die Liberalen im Feuerwehrgerätehaus Rentfort-Nord (1,3 Prozent). Die meisten FDP-Wähler hatten aber vorab per Brief gewählt.

Die Grünen sind die Sieger der Landtagswahl – so viele Wähler hatten sie noch nie

Der eigentliche Wahlsieger ist Bündnis 90/Die Grüne – noch nie wählten so viele Menschen die Grünen bei einer Landtagswahl in Gladbeck, nämlich 2879 Wählerinnen und Wähler. Der Stimmenanteil betrug insgesamt 11,4 Prozent. Die bis dahin höchste Stimmenzahl 2243 stammt von 2010 (7,0 Prozent). Die Grünen profitieren von der niedrigen Wahlbeteiligung. Das zeigt im Vergleich der deutliche Sprung beim prozentualen Anteil am Wahlergebnis.

Ihre größten Erfolge fuhren die Grünen in Rentfort-Nord, Stadtmitte, Mitte-Ost und Butendorf ein. Das Wahllokal mit dem besten prozentualen Ergebnis war das in der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule mit 19,9 Prozent. Dort erhielten die Grünen auch absolut mit 71 Stimmen ihr bestes Ergebnis, aber auch in einem der beiden Wahllokale in der Freien Waldorfschule in Butendorf wurden 71 Stimmen für die Grünen gezählt. Am wenigsten grün wurde in Brauck und Schultendorf gewählt.