Gladbeck. Beate Siemsen verlor ihren Mann, als der erste Corona-Lockdown verhängt wurde. Sie erzählt, wie die Pandemie ihre Trauer erschwert.
Im August wollten Beate (62) und Herbert Siemsen (66) ihre Silberhochzeit feiern. Quasi noch ein i-Tüpfelchen auf die Zweisamkeit und den gemeinsamen Ruhestand, auf den sich beide so gefreut hatten, um jetzt nach Lust und Laune verreisen zu können. Doch dann kam alles ganz anders. Herbert Siemsen erkrankte schwer an Krebs. Er verstarb Mitte März vorigen Jahres. Zu der Zeit, als zum ersten Mal das gesellschaftliche Leben aufgrund der Corona-Pandemie auch in Gladbeck im Lockdown eingeschränkt wurde. Umstände, die ihre Trauer "zusätzlich beschwert haben", sagt Beate Siemsen, "denn Familie und liebe Freunde zu treffen, um den Tod meines Mannes zu verarbeiten, tröstend in den Arm genommen zu werden, das war ja alles nicht mehr so möglich."
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Die Corona-Beschränkungen wirkten sich auch auf die Beerdigung selbst auch. Alles sei schon geplant gewesen, "eine Trauerfeier in einer Kapelle, damit auch der große Freundes- und Bekanntenkreis meines Mannes Gelegenheit zum Abschiednehmen hat", erzählt die Witwe. Herbert Siemsen war als Koch bei BP in Horst beschäftigt, seine ruhige, freundliche und verlässliche Art machte ihn beliebt bei Freunden und Kollegen. Doch ein Abschied im größeren Kreis wurde dann verboten.
Vor der Beisetzung war coronabedingt die Unsicherheit groß
Zuvor sei schon im Bekanntenkreis die Unsicherheit groß gewesen, einige hätten mit Bedauern auch abgesagt, "da sie Angst hätten, sich auf einer größeren Zusammenkunft zu infizieren". Im Rückblick sei für sie die Beerdigung im engen Familienkreis mit zehn Personen dann aber gar nicht mehr so schlimm gewesen. Die Feier in intimerer Runde habe bei gutem Wetter stattgefunden und sei "sehr schön gewesen". Sie fand in der Freiluft-Kapelle des Friedwaldes in Westerholt statt, "wo mein Mann neben einem Baum bestattet worden ist".
Was sie dankbar mache, "dass ich noch Gelegenheit hatte, die letzte Zeit mit meinem Mann ganz intensiv zu verbringen", was für viele Paare mit dem Lockdown und den anhaltenden Besuchsbeschränkungen in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern ja derzeit nicht mehr möglich sei. Bis zu seinen letzten Tagen im Hospiz habe sie so an der Seite ihres Mannes sein können. "Eine ganz intensive Phase, wo wir uns noch näher gekommen sind", erzählt Beate Siemsen. Ihr Mann stamme aus Norddeutschland, habe nie so viel geredet, das habe sich dann aber geändert. "Wir haben viel miteinander gesprochen, über unserer Ängste und Hoffnungen."
"Man möchte Trost haben und den auch zum Teil einfordern"
Freilich habe man letztere auch nicht aufgeben wollen, vielleicht schlage die Chemo-Therapie ja an und es werde doch noch alles gut. Ihr Mann sei der Mittelpunkt alles Handelns und Denkens gewesen, der ihr dann mit dem Tod entrissen wurde. Als Hinterbliebener kämen einem dann auch die schweren Gedanken: Jetzt bist du ganz alleine. Dein steter Felsen im Auf und Ab der Brandung des bisherigen gemeinsamen Lebens ist nicht mehr da. Was machst du jetzt? Gerade dann brauche man "und möchte man Trost haben, möchte den auch zum Teil einfordern, die Umarmung, die man jetzt dringend benötigt".
Letztlich unbegründet, habe sie auch darüber gegrübelt, ob die Kinder aus erster Ehe ihres Mannes den bislang guten Draht und Kontakt zu ihr halten, erzählt Beate Siemsen. Und man habe zudem Sorge, dass sich durch die coronabedingte Distanz auch die Gesellschaft voneinander entfremdet. Erschwerend hinzu gekommen sei ja, dass Trauergruppen nicht zusammenkommen können. Und kulturelle Ablenkungen sei auch nicht möglich, "da ja Reisen ins Ausland weiterhin nicht wie üblich geht und auch Museen, Theater und sonstige Bühnen geschlossen wurden".
Professionelle Hilfe für die Trauerarbeit bei einer Therapeutin gesucht
Sie habe sich so "bemüht, selbst aktiv zu sein", erzählt Beate Siemsen. Etwa mit Radtouren, auch wenn es immer wieder geschmerzt habe, an den vielen Orten der gemeinsamen Erinnerungen vorbei zu radeln. Um nicht depressiv zu werden, suchte die Gladbeckerin sich zudem professionelle Hilfe einer Psychiaterin und einer ausgebildeten Trauerbegleiterin des Hospizvereins in Gladbeck, die ihr gut getan habe. "Denn man muss im Gespräch mit der Therapeutin oder einer geschulten TrauerbeHospiz-Ehrenamtlichen nichts vorab bedenken - ob man vielleicht etwas Falsches sagen könnte, wie man es vielleicht beim Gespräch mit einem Familienangehörigen tut. Man muss auch keine Erwartungshaltung erfüllen, die vielleicht Freunde an einen haben."
Die Weihnachtszeit ohne ihren Mann war jetzt eine weitere Herausforderung in Beate Siemsens Trauerphase. "Denn die hatten wir noch gemeinsam verbracht, danach ist er ins Krankenhaus gekommen." So sei sie sehr traurig gewesen, habe sich verkriechen wollen, dann aber doch dazu entschieden, wie vorbesprochen "an Heiligabend zu den Kindern und Enkelkindern nach Neuss zu fahren". Das sei schön gewesen, als dann am Abend ein Toast auf ihren Mann ausgesprochen wurde, seien aber wieder die Tränen gekommen.
Die vierbeinige neue Lebenspartnerin sorgt für Ablenkung und Freude
Den Neujahrstag hat die pensionierte Justizbeamtin dann daheim verbracht. Gut abgelenkt mit der Fürsorge für ihre neue Lebenspartnerin: Hündin Mia, die beim Knall des Silvesterfeuerwerks zitternd Schutz bei ihr suchte. Das eher ängstliche Tier erhielt die Gladbeckerin über eine Hilfsorganisation aus Rumänien. Es sei im Rückblick, trotz aller Unsicherheiten ihrerseits, die richtige Entscheidung gewesen, sich Mia ins Haus zu holen. "Sie bereitet mir sehr viel Freude. Ich bin nicht mehr allein und habe eine Aufgabe, die auch meinen Tag strukturiert." Beide unternehmen täglich ausgedehnte Spaziergänge, die für Ablenkung und Gespräche bei Begegnungen mit anderen Hundehaltern sorgen.
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Mia wird auch da sein und auf ihre Art Trost spenden, wenn Beate Siemsen weitere Meilensteine auf dem Weg der Trauerarbeit bewältigen muss, denen sie mit schwerem Herzen entgegensieht: "Mitte Januar hätte mein Mann Geburtstag gehabt, und Mitte März nähert sich ja sein erster Todestag." Die Gladbeckerin hofft, dass mit den gestarteten Schutzimpfungen die Corona-Beschränkungen nach dem Frühjahr doch wieder gelockert werden können. "Denn die Isolation belastet ja alle - und besonders diejenigen, die einen geliebten Menschen verloren haben."