Gladbeck. Josef Possemeyer macht dem Namen seines Elektrobetriebs „Ganzmacher“ in Gladbeck alle Ehre. Zudem wurde er als frauenfreundlich ausgezeichnet.
„Ganzmacher“ – was für eine Bezeichnung! Aber: nomen est omen! Und im Falle von Josef Possemeyers Betrieb in Gladbeck trifft’s den Nagel auf den Kopf. Doch gar nicht so einleuchtend wie der Name ein Zeichen ist, so die Übersetzung des lateinischen Spruchs, scheint immer noch der Aspekt der Frauenfreundlichkeit in der Arbeitswelt zu sein. Elektrotechnikermeister Possemeyer ist jetzt für sein Engagement auf diesem Gebiet ausgezeichnet worden.
„Schon in der Bibel gibt es eine Stelle, an der es heißt: O, Du mein Herr! O, Du mein Ganzmacher“, erzählt der gebürtige Gelsenkirchener, der seit 1997 in Gladbeck zuhause ist. Der Knackpunkt für die Namensgebung war allerdings ein ganz profaner. Possemeyer erinnert sich: „In Henrichenburg gab’s eine Pommesbude, die hieß ,Der Sattmacher’!“ Und was dem einen die „Currywurst Schranke“, ist dem andern ein Tüftler, der widerspenstige Haushaltsgeräte wieder flott macht. Wobei „Haushaltsgeräte“ ein weitgefasster Begriff ist. Possemeyer repariert Weiße Ware, also Küchengeräte wie Trockner, Wasch-, Spülmaschinen & Co.: „Das ist mein Ding. Damit habe ich angefangen.“
Mit der „Weißen Ware“ hat einmal alles angefangen
Die Aussage dürfte jedoch allein auf seinen beruflichen Werdegang zu beziehen sein, denn schon als Kind reizten ihn Geräte im Elternhaus. Da mag man wieder ein geflügeltes Wort bemühen: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Der 63-Jährige: „Mein Vater ist Elektriker. Früher als Kind habe ich viel geholfen und gebastelt. Für mich war klar, dass ich auch Elektriker werde.“ Hinzu kamen Experimente auf eigene Faust. Der Handwerker denkt zurück: „Meinen ersten Stromschlag habe ich mit drei Jahren gehabt. Da habe ich Stricknadeln in eine Steckdose gesteckt.“
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Jahrzehnte später, als versierter Meister, setzt er (fast) alles, was ihm die Kundschaft bringt, wieder in Gang. Ist einfacher gesagt als getan, weil in den modernen Geräten eine Menge Technik verpackt ist: „Ich muss oft Grundlagenforschung betreiben. Da steckt man nicht drin. Es kommt vor, dass sich ein Gerät nicht reparieren lässt, weil es ein Relais oder Ersatzteil nicht mehr gibt.“ Dieses Problem bestehe keinesfalls seit den Lieferschwierigkeiten in der Corona-Pandemie. „Toitoitoi komme ich noch ganz gut an Ersatzteile heran“, stellt Possemeyer fest. Aber manches Produkt ist eben schlichtweg vom Markt. Außerdem: „Wenn ein Thermosensor getauscht werden muss, kann es teuer werden. In solchen Fällen stellt sich die Frage: Lohnt sich das?“
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Seiner Kundschaft ist die Reparatur ihrer guten Stücke bisweilen jeden Cent wert: Thermomix, Reiskocher, Stehlampen, Staubsauger – diese technischen Sorgenkinder kommen in die „Ganzmacher“-Werkstatt an der Friedenstraße. Sogar einem Lichtschwert, das zappenduster blieb, sollte neue Strahlkraft verliehen werden.
An Photovoltaik-Anlagen legt das Possemeyer-Team gleichfalls Hand an. Und an die Geräte, die ältere Semester noch „Kaffeemaschine“ nennen. Doch um so schnöde Kleingeräte von früher geht’s Possemeyer nicht. Kostspielige Kaffee-Automaten, die keinen – genießbaren – Tropfen mehr ausschenken, sollen wieder funktionieren. Und diese Geräte haben’s in sich. „Manchmal muss man ganz schön fummeln, um zu sehen, wo die Schrauben sitzen“, gibt Possemeyer zu. Zwar seien für einige Modelle Anleitungen verfügbar, aber technische Probleme können komplex sein und tief sitzen.
Gute Mathematik-Kenntnisse und Geduld sind 1a-Voraussetzungen
Fast fifty-fifty ist die Geschlechter-Verteilung im Ganzmacher-Team: fünf Herren, zwei Damen. Sein Wissen gibt Possemeyer derzeit an eine Auszubildende im zweiten Lehrjahr weiter, die Elektronikerin für Energie- und Gebäudetechnik werden möchte. Damit erfüllt der Chef einen Aspekt, der als vorbildlich in die Bewertung für die besagte Auszeichnung einfließt: Die gewürdigten Betriebe bilden Frauen in überwiegend männerdominierten Berufen aus.
Mehr Frauen begeistern
15 Handwerksbetriebe aus der Emscher-Lippe-Region sind für ihr frauenfreundliches Engagement gewürdigt worden. „Wir müssen noch mehr Frauen für die Handwerksberufe begeistern“, so Matthias Heidmeier, Hauptgeschäftsführer des Westdeutschen Handwerkskammertages (WHKT).Die Betriebe wurden zusammen mit Fachleuten aus dem Handwerk und der Arbeitspolitik nominiert und ausgewählt. Sie erfüllen mindestens zwei von fünf definierten Kriterien: Personalstruktur, Personalgewinnung, -bindung und -entwicklung, Arbeitszeit und Arbeitsorganisation, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie frauenfreundliche Unternehmenskultur.„Hand.Werk.Frau. Zukunft mit Fachfrauen“ wurde vom Kompetenzzentrum Frau und Beruf Emscher Lippe zusammen mit der Agentur für Arbeit Recklinghausen, den drei Kreishandwerkerschaften, der Handwerkskammer Münster, der Regionalagentur Emscher-Lippe-Region, Tischler NRW und der Vestischen Innung des Kfz-Gewerbes entwickelt. Die Auszeichnung wurde zum siebten Mal verliehen.
Possemeyer, der „im Moment keine Nachwuchsprobleme hat“, sagt über die Arbeitsbedingungen in seinem Betrieb: „Ich habe eine Kernarbeitszeit, keine Stechuhr. Meine Leute können auch sonntags kommen.“ Bei aller Flexibilität interessiere es nur, dass die Arbeit pünktlich und korrekt erledigt werde.
Dabei ist es Possemeyer einerlei, ob Frau oder Mann beim „Ganzmacher“ wirkt. Er sagt: „Wichtig ist, dass jemand fit im Kopf und willig ist. Ob von der Hauptschule oder mit Abitur, ist für mich nicht so interessant. Ausreichende Kenntnisse in Mathematik, möglichst auch in Physik und Chemie, sollten vorhanden sein.“ Eine Fähigkeit, die in keinem Zeugnis vermerkt ist, erwartet der Ganzmacher: Geduld. Denn herauszufinden, woran die Funktionalität eines Gerätes hapert, kostet eben bisweilen Zeit.