Gladbeck. Die Ukraine- und Energiekrise wirken sich auf die Lebensmittelpreise aus. Aldi kündigt deutliche Preiserhöhungen an. Das sagen Gladbecker Kunden.
Reges Treiben in den Gladbecker Aldi-Filialen am Freitag. Zum Wochenendeinkauf werden die Einkaufswagen gut gefüllt, dann zum Auto geschoben, oder volle Taschen nach Hause getragen. Von besonderen Hamsterkäufen einzelner Produkte ist aber nichts zu sehen, obgleich die WAZ am Morgen berichtet, dass der Discounter für Montag deutliche Preiserhöhungen angekündigt hat. Die Filialteams seien bereits informiert, sagt eine Verkäuferin, die weiter vermutet, „dass die Nachricht bei den Kunden wohl noch nicht in der Breite angekommen ist“.
Sie bestätigt, dass derzeit „ganz normal eingekauft wird“. Die Kunden seien inzwischen auch gewöhnt, „dass durch den Ukraine-Krieg Speiseöl fast immer ausverkauft ist“, kaum Nachschub ankommt. Aber auch andere Lücken im Sortiment fallen auf. In den Filialen an der oberen Horster Straße und Buerschen Straße fehlt jedenfalls am Morgen Mehl, in Schultendorf ist davon am Nachmittag auch gegen 16 Uhr noch reichlich zu haben. Mangelware sind derzeit offenbar auch Butter, Margarine und Sahne, teils auch „Hamsterware“ wie Toilettenpapier, Haushalts- oder Papiertaschentücher.
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Der Kunde hat letztlich keine Wahl
Dass Fleisch-, Wurst- und Milcherzeugnisse bei Aldi 20 bis 50 Prozent teurer werden, überrascht Heike Neumann nach dem Einkauf in der Schultendorfer Aldi-Filiale nicht. „Man hat doch mitbekommen, wie jetzt die Dieselpreise und Transportkosten steigen. Das muss ja alles mitbezahlt werden“, so die 60-Jährige. Bei den Lebensmitteln wolle sie sich auch bei einer Preiserhöhung nicht groß einschränken, „wir können und das zum Glück leisten“. Beim Heizen sehe es anders aus, „da haben wir schon versucht zu sparen“.
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Annemarie Niggemann ist auch bereit, mehr für Lebensmittel zu zahlen, das sei für sie ein Stück Solidarität mit den Menschen in der Ukraine. „Aber natürlich gefällt es mir nicht, dass sich die Preise erhöhen“, sagt die 78-Jährige. Man habe aber letztlich, wenn es in allen Supermärkten teurer werde, „keine Wahl“, müsse sich halt woanders einschränken, „zum Beispiel auf das Shoppen von Kleidung verzichten.“
„Ich kaufe jetzt nur noch das Nötigste“
Eine weitere Kundin von Aldi an der Buerschen Straße lädt gerade ihren Einkauf ins Auto: „Ich finde das einfach alles furchtbar. Es tut mir sehr leid, was in der Ukraine passiert“, so die 58-Jährige. Für die Lebensmittel könne sie nur das ausgeben, was sie an Geld habe, „so kaufe ich jetzt nur noch das Nötigste“. Sie habe allerdings „kein Verständnis, wenn ein Lebensmittelkonzern versuchen sollte, mit der Krise Gewinn zu machen“. Sie fragt: „Haben die nicht noch genug Gewinnspanne, um die Preise abzupuffern, etwas weniger zu verdienen und sich solidarisch zu zeigen?“
Inhaber lobt Kunden für Verständnis
Sebastian Dick, Inhaber des Rewe-Marktes an der Horster Straße, hat am Freitagmittag noch keine Informationen der Rewe Group, dass Produkte deutlich verteuert werden. Natürlich seien auch bei ihm im Geschäft die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs durch fehlende Produkte spürbar. „Viele Kunden fragen mich, wann wieder Öl oder Mehl zu haben sind“, so der Kaufmann. „Ich kann dann selbst nur sagen, dass alles bestellt ist, aber selbst ich nicht weiß, was täglich davon bei uns ankommt.“Er habe es nicht für möglich gehalten, dass der Krieg in der Ukraine „solche Auswirkungen für uns hat“. Aber es sei ja klar, wenn Sprit- und Energiepreise steigen würden, Exporte nicht stattfinden könnten und auch Transportketten unterbrochen seien, weil Spediteure aus dem Osten nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen fahren können, „dass dann in allen davon betroffenen Bereichen die Preise anziehen“.Einzelhändler Dick lobt seine Kunden: „Es gibt keinen, der richtig meckert. Eigentlich sind alle sehr verständnisvoll und deutlich entspannter im Vergleich zum Ärger über fehlendes Toilettenpapier am Beginn der Corona-Pandemie“.
Die junge Mutter, die im Auto nebenan gerade ihre Kinder auf dem Rücksitz angeschnallt hat, und jetzt ihren umfangreichen Wochenendeinkauf in den Kofferraum packt, greift den Gedanken auf. Sie hoffe, „dass die Lebensmittelkonzerne tatsächlich nur die Kosten an uns weitergeben, die sie nicht kompensieren können“. Ihre drei Söhne (4,5,7) hätten einen ordentlichen Appetit, und als Mutter sei es ihr wichtig, „dass sie sich gut ernähren“. Etwa auf Obst zu verzichten, käme so nicht in Frage. „Ich koche jetzt aber bewusster“, sagt die 35-Jährige, „und kaufe bedarfsgerechter ein, damit keine abgelaufenen Lebensmittel mehr weggeworfen werden müssen.“ Sie will abwarten und sehen, „was alles teurer wird“.
Um unabhängiger zu sein, könnte man mehr auf lokale Produkte setzen
Um zu sparen, habe sie schon überlegt, „Brot zu backen, weil das billiger sein könnte, aber Mehl kriegt man ja teilweise überhaupt nicht“. Vor dem Krieg sei ihr nicht bewusst gewesen, dass in der Ukraine und Russland rund 30 Prozent des weltweiten Weizens produziert werden. Vielleicht müsse man, um von Krisen unabhängiger zu sein, „auch generell in Deutschland umdenken, mehr auf lokale Produkte setzen und die Landwirte und ihre Hofläden vor Ort unterstützen“. Für die Menschen in der Ukraine empfinde sie selbstverständlich Solidarität, „und es ist wichtig, dass der Krieg so schnell wie möglich stoppt“.
Auch auf der Facebookseite der WAZ Gladbeck wird die angekündigte Preiserhöhung kommentiert. „Erst war Corona schuld, jetzt der Ukraine-Krieg. Mal sehen, warum als nächstes die Preise steigen. Über sieben Prozent Inflation. Woran wir sparen? Bei allem was halt geht. Wenn frisches Obst und Gemüse zu teuer ist, wird es halt nicht mehr, und Fleisch, Wurst, Käse etc. weniger gekauft“, sagt Regina Schulz-Altenburg und merkt sarkastisch an: „Gut, dass es nicht mehr Lohn gibt, denn dann könnte man sich noch richtig etwas leisten.“