Bodo Klimpel ist seit gut einem Jahr neuer Landrat des Kreises Recklinghausen. Im WAZ-Interview zieht der Christdemokrat eine erste Bilanz.
Seit einem Jahr ist Landrat Bodo Klimpel (58, CDU) im Amt an der Spitze des Kreises Recklinghausen, zu dem auch Gladbeck gehört. Die WAZ sprach mit dem ehemaligen Halterner Bürgermeister über die ersten 365 Tage - was ihn bewegt hat, was er plant, was gut, was schlecht gelaufen ist im Kreis Recklinghausen.
Wie geht es Ihnen nach einem Jahr?
Die Zeit ist sehr schnell umgegangen. Das lag sicherlich auch daran, dass ich einen sehr guten Übergang hatte und im Prinzip sofort mit meiner Arbeit beginnen konnte. Das hat gut getan. Aber, um die Frage zu beantworten: Es geht mir gut.
Was lag Ihnen besonders am Herzen, das Sie bereits in Ihrem ersten Jahr bewältigt haben?
Mir hat sehr am Herzen gelegen, dass ich hier im Kreishaus gut ankomme und ein vernünftiges Verhältnis zu Kolleginnen sowie Kollegen aufbauen konnte. Das ist ganz gut gelungen. Darüber hinaus bin ich ein Mensch, der Dinge auch voranbringt und anpackt – da gab es ja einiges zu tun. Jetzt hoffe ich, dass in der letzten Kreistagssitzung in diesem Jahr die entsprechenden Vorlagen auch beschlossen werden.
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Die ständigen Anforderungen der Pandemie ärgern den Landrat
Was hat überhaupt nicht geklappt?
Geduld ist nicht mein zweiter Vorname – demzufolge dauert mir der eine oder andere Prozess zu lange. Aber was mich wirklich ärgert, sind die ständigen Anforderungen im Rahmen der Pandemie, die von Bund und Land auf uns zugekommen sind. Diese mussten wir gemeinsam mit den Kommunen umsetzen. Und natürlich treten dann auch Konflikte zutage, weil einige Personen die Vorgaben nicht verstehen konnten. Wie dann in der Pandemie mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgegangen wurde, war und ist nicht in Ordnung. Beschäftigte, die ihre Pflicht getan haben, wurden derart verbal attackiert, wie es sich nicht gehört.
Schlägt sich diese Betroffenheit auch in anderen Bereichen nieder?
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Auf jeden Fall. Wenn wir morgens die aktuellen Coronazahlen bekommen, dann ist die Auseinandersetzung damit noch immer nicht zur Routine geworden. Betroffen bin ich vor allem bei den Todesfällen in Zusammenhang mit Corona hier im Kreis. Diese Meldungen gehen nicht spurlos an mir vorbei.
Die kommunale Finanzkrise ist nahezu ein Evergreen. Hat sich daran im vergangenen Jahr etwas geändert?
Ja, das hat es tatsächlich. Wir diskutieren immer das ausbleibende Altschuldenkonzept, vergessen dabei aber, dass der Staat bei den Kosten für die Unterbringung im Bereich SGB II den Kreis um 40 Millionen Euro entlastet hat. Das ist doch auch ein gutes Zeichen.
Haben Sie Hoffnung, dass in puncto Altschulden noch etwas passiert?
Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit Haushaltkonsolidierung – und habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass da noch etwas passiert. Im Land und Bund weiß man auch um die Probleme. Und gerade in NRW sind wir uns einig, dass das Problem noch lange nicht gelöst ist.
Klimpel setzt sich für den Bau von mehr Radwegen ein
Wie sieht es mit Bauprojekten im Kreis aus, was haben Sie da im Fokus?
Ganz vorne steht die Kreishaussanierung als wirklich große Nummer. Auch einige Brücke gilt es zu sanieren. Angesichts des Strukturwandels müssen wir dabei mehr auf den Mittelstand achten, um Handwerker und Fachkräfte durch derartige Projekte an die Region zu binden.
Was wollen Sie noch angehen?
Wir müssen unbedingt mehr beim Thema Radwegesanierung tun, sprich neue Radwege bauen. Das steht auch im direkten Zusammenhang mit dem Vestischen Klimapakt, dem wir uns verpflichtet haben. Wir reden nicht nur über Klimawandel, sondern tun aktiv etwas – auch mithilfe von Beschlüssen, die vor meiner Zeit gefasst wurden. Außerdem wollen wir unsere Berufskollegs auf dem hohen Standard halten, den sie heute schon haben und die Digitalisierung gemeinsam mit den Städten voranbringen.
Was unterscheidet die Arbeit im Kreis zu der in Haltern am See?
Hier bin ich für 2200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich, nicht nur für 400. Das alleine ist schon ein großer Unterschied. Aber die Verantwortung geht noch weiter. Als Landrat bin ich aktuell der oberste Infektionsschützer im Kreis Recklinghausen. Und das ist in Pandemiezeiten alles andere als ein Selbstläufer.
Wie haben Sie die Bürgerinnen und Bürger des Kreises bisher wahrgenommen?
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Eigentlich wollte ich noch mehr in den Städten unterwegs sein. Das ging wegen Corona nur bedingt. Aber da, wo ich war, fühlte ich mich freundlich aufgenommen. Zudem ist die Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern im Kreis sehr offen – egal, ob in Marl, Castrop-Rauxel oder Gladbeck.
Der Kreis Recklinghausen bleibt auch in den nächsten zehn Jahren attraktiv
Was sagt Ihre Familie? Haben Sie mehr oder weniger Zeit als vorher?
Ach, meine Familie kennt es nicht anders, als dass ich nur wenig zu Hause bin. Aber durch Corona gab es weniger Abendtermine, so dass ich schon den einen und anderen Moment mehr zu Hause verbringen konnte.
Bereuen Sie manchmal den Schritt?
Nein überhaupt nicht. Ich habe mich bewusst nach 16 Jahren als Bürgermeister für diese berufliche Veränderung entschieden. Die Arbeit macht mir Spaß.
Wie wird der Kreis im Jahr 2019 Ihrer Meinung nach aussehen? Wagen Sie einen Ausblick?
Ich sehe den Kreis auch in zehn Jahren noch bei über 600.000 Einwohnern. Die Zeit der zurückgehenden Bevölkerung ist vorbei. Das liegt auch daran, dass der Kreis Recklinghausen attraktiv ist. Wir haben einen gut funktionierenden Mittelstand, die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung trotz Corona, einen der größten Chemieparks Deutschlands als Arbeitgeber vor der Haustür, um nur einige Beispiele zu nennen. Es gibt also keinen Grund, pessimistisch in die Zukunft zu blicken. Ich wünsche mir, dass wir bis dahin – auch durch Unterstützung des Staates – den Kreis und die Kommunen auf eine solide Basis gestellt haben werden. Daran möchte ich sehr gerne aktiv mitarbeiten. Darüber hinaus werden wir ein großes Stück beim Klimawandel weitergekommen sein. Und ich glaube auch, dass wir vor allem durch erneuerbare Energien wie dem grünen Wasserstoff die erforderliche Energie für die Menschen und die Wirtschaft bereitstellen können.