Gladbeck.. Als hätte es für die Familie des beim Stadtfest Gladbeck Total schwerstverletzten Kevin nicht schon genug Hiobsbotschaften gegeben: Jetzt hat das Landgericht Essen den Antrag auf ein Berufungsverfahren abgelehnt. Der Anwalt der Familie kündigt an: “Wir werden weitergehen, auch bis zum Verfassungsgericht.“
„Wir lassen uns nicht unterkriegen“. Das ist der Satz, mit dem Conny Schwandt sich und ihre Familie seit dem 8. Mai 2011 jeden Tag von neuem Mut macht. Manchmal muss sie ihn öfter als einmal am Tag sagen, um selbst den Kopf oben behalten zu können. Denn seit Sohn Kevin durch den Faustschlag von Erdinc K. beim Stadtfest Gladbeck Total schwerst verletzt wurde, hat es für die Familie viele Hiobsbotschaften gegeben. Die letzte kam am Ende der vergangenen Woche: Die 3. Kammer des Landgerichts in Essen hat den Antrag auf ein Berufungsverfahren abgelehnt.
Wie berichtet, hatte die Familie den Antrag gestellt, nachdem der Täter im November vom Jugendgericht in Gladbeck wegen schwerer Körperverletzung zu einer einjährigen Bewährungsstrafe und 120 Sozialstunden verurteilt worden war. Fassungslos hatten die Eltern Conny und Peter Schwandt, Bruder Dennis und viele Freunde von Kevin das ihrer Meinung viel zu milde Urteil damals aufgenommen.
Während die Familie vor dem Gladbecker Gericht noch als Nebenkläger durch den Gladbecker Anwalt Alfred Voigt vertreten worden waren, wechselte sie danach zu dem Marler Anwalt Burkhard Benecken. Dieser stellte noch vor Jahresende den Berufungsantrag.
Das Gericht nennt eher formale Gründe für die Ablehnung. Zum einen sei es nicht zulässig, als Nebenkläger in einem Berufungsantrag ein höheres Urteil einzufordern, zum anderen habe Conny Schwandt die rechtliche Betreuung für ihren Sohn erst nach der Antragstellung erhalten.
Weder die Familie noch ihr Anwalt wollen das Urteil hinnehmen
Weder die Familie noch ihr Anwalt wollen das Urteil hinnehmen. Anwalt Benecken schließt eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nicht aus. „Ich habe die Begründung allerdings noch nicht schriftlich vorliegen“, sagte er gestern auf WAZ-Anfrage, bezog jedoch vorab Stellung zu den in den Medien genannten Gründen: So sei in dem Antrag keine höhere Strafe gefordern, sondern vielmehr beantragt worden, den Fall unter anderen Voraussetzungen neu aufzunehmen. Benecken geht davon aus, dass der Täter nicht nur eine Verletzungsabsicht gehabt hat, sondern man ihm eine Tötungsabsicht unterstellen könnte. Er beruft sich dabei auf Gewaltvideos, die der Täter kurz vor dem Prozess ins Internet gestellt hatte.
Dass die Mutter zum Zeitpunkt der Antragstellung keine Betreuerin für rechtliche Angelegenheiten gewesen sei, sei für sie so nicht erkennbar gewesen, betont Benecken. Sie hatte beim Amtsgericht den Antrag auf Betreuung für ihren behinderten Sohn gestellt und war als juristischer Laie davon ausgegangen, dass dies für alle Belange gelten würde. Auf dieser Grundlage hatte sie ja auch in der ersten Instanz Prozesskostenhilfe erhalten. Dass das Gericht dies nun zum Anlass für eine Berufungsablehnung nehme, sei nicht einzusehen.
„Wir werden auf jeden Fall weitergehen“, sagt Benecken, auch im Namen der Familie. Für sie sei eine angemessene Verurteilung des Täters wichtig.