Gelsenkirchen. Anmelderekord an der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck: Das ist das Geheimnis einer der beliebtesten Schulen der Stadt.
Große (und vor allem: echte!) Bäume, die bis zur Decke wachsen. Überall Licht, viel Holz, und zwischendrin wuseln ein paar Schülerinnen und Schüler herum, während andere konzentriert in Nischen sitzen und in kleinen Gruppen, das iPad in der Hand, gemeinsam lernen. Es ist ein gewöhnlicher Mittwochnachmittag an einer der beliebtesten Schulen Gelsenkirchens – neben der Gesamtschule Erle. Für das kommende Schuljahr verzeichnet die Evangelische Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck (EGG) einen neuen Anmelderekord: Für die insgesamt 144 zur Verfügung stehenden Plätze gab es wie jüngst berichtet genau 401 Anmeldungen. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Schule, die im vergangenen Jahr ihr 25-jähriges Bestehen feiern konnte, dass die 400er-Marke geknackt wurde. Was ist das Geheimnis einer der erfolgreichsten Schulen der Stadt? Warum wollen so viele eigentlich genau dorthin?
Eine von Gelsenkirchens populärsten Schulen: Das ist das Geheimnis der EGG
Volker Franken ist seit 2002 an der EGG, war zunächst stellvertretender Schulleiter, 2013 dann übernahm er den Schulleiter-Posten. Beim Gang über das Schulgelände sagt er: „1995, da war das alles hier noch eine riesige Brachfläche.“ Vor heute 26 Jahren nahm die Schule, die unter Trägerschaft der evangelischen Kirche steht, ihren Betrieb auf. Und es stand zunächst allein: das Hauptgebäude.

Der erste fünfte Jahrgang zog ein und so wie die mittlerweile deckenhohen Bäume wuchs diese Schule mit jedem neu angemeldeten Kind. Nicht nur, was die schiere Schülerzahl betrifft. Jedes Jahr wurde ein neues Jahrgangshaus errichtet, hervorgegangen aus den gemeinsamen Plänen der Schülerschaft, der Lehrerinnen und Lehre, der Architektinnen und Architekten.
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
Aktuell lernen 1200 Schüler an der EGG, Volker Franken betont, das ist ihm und seinem Team wichtig: „Wir sind eine Stadtteilschule.“ Mehr als die Hälfte aller Schüler lebt im unmittelbaren Radius von einem Kilometer zur Schule. Und dann ist da dieser Eindruck, der entsteht, wenn man die Gebäude an der Laarstraße betritt.

Es ist ein bisschen wie Zuhause, gemütlich (von Klasse fünf bis acht tragen die Kinder gerne auch mal Hausschuhe während des Unterrichts), einladend-aufnehmend ohne anheimelnd zu wirken. Es fühlt sich natürlich an und einfach als ein Ort, an dem Wohlgefühl neben allem Lernen und Fortbilden ein wichtiger Bestandteil des schulischen Alltags ist.
Reihenhaus-Charme: Jeder Jahrgang hat einen eigenen Gebäudeflügel – mit kleinem Garten
Jeder Jahrgang hat einen eigenen Gebäudeflügel, jeder Klassenraum eigene Toiletten. Und tatsächlich auch einen eigenen, kleinen Garten, zu einem Großteil mit Rasenfläche. Und Zaun und Törchen zum Garten der Nachbarklasse. Das hat etwas von Reihenhaus-Siedlung, aber ohne Schnickschnack. Folglich werden die Gebäude von der Schulgemeinschaft auch schlicht „Reihenhäuser“ genannt.
Jedes dieser Schul-Häuser verfügt über eine zweite Ebene, die halboffen gestaltet ist und zusätzlichen Raum zum Verweilen vorhält. Grundsätzlich gilt: Schulraum sei schließlich auch „Lebensraum“, ist Volker Franken überzeugt. Und in eben diesem Lebensraum lernen Schüler aus gutbürgerlichem Elternhaus und Schüler, deren Eltern im Bürgergeldbezug leben – Franken schätzt, es sind 15 bis 20 Prozent – miteinander.

Es ist die Architektur der Schule, die maßgeblich also auch das Klima an der EGG mitprägt, von allen Beteiligten sehr gewollt. „Das macht auch was mit der Stimmung im Kollegium“, weiß die stellvertretende Schulleiterin Petra Birkholz. Ein Indiz beispielsweise dafür ist: Stellen zu besetzen, das ist für die EGG keine Herausforderung, wie beispielsweise an vielen anderen Schulen der Stadt. „Es gibt bei uns kein Fach, wo es problematisch ist“, erläutert Franken.
Die Besetzungsquote, sie liegt bei 100 Prozent – und das schon seit Jahren. Auch was die Stellen für Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen angeht. Alle sieben Stellen sind besetzt – und auch das hat schon seit Jahren Bestand. Wie auch die Entscheidung zur Inklusion: „Wir haben damit früh und freiwillig begonnen. Und dank unseres frühen Starts haben wir auch noch alle Sozialpädagogenstellen besetzen können“, sagte Franken gegenüber der WAZ beispielsweise im vergangenen Jahr.
Islamunterricht in deutscher Sprache und jedes Jahr geht's auf Klassenfahrt
Eine zentrale Rolle an der EGG spielt auch: die Religion beziehungsweise das interreligiöse Konzept der Schule. Es gibt seit Anbeginn der Bismarcker Gesamtschule Islamunterricht in deutscher Sprache ebenso wie in evangelischer und katholischer Religion, außerdem gibt es enge Kontakte zur jüdischen Gemeinde.
Ein großflächiges Portrait von Martin Luther hängt im lichtdurchfluteten Hauptgebäude, das sie alle hier das „Rathaus“ nennen. Natürlich, denn hier sind ja auch die wichtigsten Stellen der Schule zu finden – so zum Beispiel Volker Frankens Büro.
Und noch ein Punkt, den beispielsweise auch die Eltern in den Anmeldegesprächen immer wieder hervorheben: An der EGG setzen sie auf Freies Lernen und auch auf das selbstregulierte Lernen. „Grenzen setzen und Freiheit lassen“, so beschreibt es Petra Birkholz ganz treffend. Es sei ein „Spagat zwischen Lenkung und Freiheit“, so Birkholz weiter.
Es geht auch darum, große Gruppen kleinzumachen, um den Kindern mehr Raum zu geben. Und: Kein Frontalunterricht. Daneben ist ein weiterer großer Punkt: die Mitbestimmung der Schüler. „Unsere Schule hat viel zu bieten aus dem Bereich Demokratie“, berichtet Schulleiter Franken. Es gibt zum Beispiel einen Klassenrat, die Schulkonferenz und viele weitere Angebote.
So viele Kinder ablehnen zu müssen: „Das tut in vielen Fällen weh“
Eines der Angebote, ab von der Demokratie, auf das die Schüler, egal welches Alters, nicht verzichten wollen: Jedes Jahr geht es für jeden Jahrgang auf Klassenfahrt. Es ist mit einer der Gründe, der „maßgeblich“ dazu beitragen würden, so Franken, warum die EGG so beliebt ist.
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Und doch ist da mit jedem neuen Jahr ein Wehmutstropfen: Dass sie an der EGG immer wieder eben auch Kinder ablehnen müssen. „Das tut in vielen Fällen weh“, zeigt sich der Schulleiter ganz offen. Doch es ist auch Bestätigung ihrer Arbeit, dass sie, wenn sie alle 401 angemeldeten Kinder aufnehmen würden, locker noch „eine zweite Schule neben dieser Schule bauen könnten“, so Volker Franken.