Gelsenkirchen. Eine neue TV-Doku ist gleich aus mehreren Gründen sehr sehenswert: Sie stellt eine starke Protagonistin vor und zeigt ganz viel Gelsenkirchen.
In ihrem beruflichen Alltag ist Ann Catherine Meyer in einer absoluten Männerdomäne zu Hause: Die gelernte Maschinenbautechnikerin malocht am Thyssenkrupp-Standort in Schalke als einzige Frau im gesamten Produktionsbereich. Gleichzeitig engagiert sich die 27-Jährige im hauseigenen Betriebsrat sowie in der Gewerkschaft IG Metall. Einen spannenden Einblick in ihre Lebenswelt zeigt die 3sat-Dokumentation „Stahlarbeiterin“, die am Montag erstmals ausgestrahlt wurde und noch bis 2026 in der Mediathek des TV-Senders zu finden ist.
Nicht nur für Lokalpatrioten ein absolutes Pflichtprogramm
Filmautorin Lea Schlude und ihr Team haben die junge Frau zwischen März und Mai 2024 mit der Kamera begleitet. Die rund 30-minütige, ausschnittartige Produktion zieht den Betrachter nicht nur dank der ebenso klugen wie interessanten Protagonistin in ihren Bann, sondern auch dank zahlreicher spannender Aufnahmen aus Gelsenkirchen. Nicht nur für Lokalpatrioten ist dieser Beitrag absolutes Pflichtprogramm.

Die Zuschauerinnen und Zuschauer erleben Ann Catherine gleich zu Beginn am Arbeitsplatz bei Thyssenkrupp Electrical Steel. Die riesigen Werkshallen am Schalker Markt, wo mit dem kornorientierten Elektroband ein zukunftsträchtiger Werkstoff hergestellt wird, erweisen sich als ebenso imposant wie der große Zusammenhalt in der Belegschaft. Die männlichen Kollegen in dem Industriebetrieb rufen ihre Kollegin nur „Cathi“, während sie im privaten Umfeld eher die „Lotti“ ist.
Sie habe sich bewusst für diesen Job entschieden, sagt sie, weil sie hinter dem Produkt, das sie herstellt, einen Sinn erkennen müsse. Und mithilfe des in Schalke zurechtgeschnittenen Stahls könne der Energietransport in Deutschland effizient gestaltet werden. „So können wir ein wichtiger Teil der Energiewende werden“, sagt die Frau, für die der Umweltschutz ganz offensichtlich eine zentrale Rolle spielt.
Engagement in der Gewerkschaft und im Betriebsrat
Die Kamera folgt ihr auch zu einem Treffen der IG-Metall-Ortsjugend Ruhrverband, wo über die Aktionen anlässlich des „Tags der Arbeit“ am 1. Mai diskutiert wird. Sie ist in die Gewerkschaftsarbeit eingebunden, auch als Betriebsrätin aktiv. Und schnell merkt sie, dass diese zusätzlichen Aufgaben derart viel Energie und Aufmerksamkeit binden, dass ihre normale Arbeit als Maschinenbautechnikerin in der Instandhaltung darunter leidet. In ihr gärt ein Konflikt – welcher Rolle ihres Berufslebens soll sie sich mehr widmen?

Es folgen Abstecher zur Henrichshütte in Hattingen, wo „Lotti“ einige ihrer Gedanken zur Rolle der Frauen in der Historie der Industrie äußert. Dann sind sie und ihre Kollegen in Duisburg bei einer Großkundgebung mit dabei, bei der die Belegschaft von Thyssenkrupp den Worten von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lauscht und zu Tausenden um den Fortbestand ihrer bedrohten Arbeitsplätze kämpft. Und man sieht die Frau mit anderen Gewerkschafts-Mitgliedern am Mai-Feiertag bei einer Demo durch Gelsenkirchen ziehen – mit der Abschlusskundgebung im Stadtgarten inklusive.
Die Protagonistin gewährt auch Einblicke in ihr Privatleben
Doch die Stahlarbeiterin gewährt auch einige intime Einblicke in ihr Privatleben - etwa, wenn sie von ihrer Doppelrolle als Tochter und Pflegeverantwortliche für ihren unheilbar an Krebs erkrankten Vater erzählt. Oder wenn sie mit zwei ihrer WG-Mitbewohnerinnen durch das kulturelle Treiben in Ückendorf bei Nacht ziehen sieht.
Fazit: Mit diesem Beitrag, der in der Dokumentarfilmreihe „DocuMe“ auf 3sat erschienen ist, hat Autorin Lea Schlude ein ebenso eindringliches wie politisches Werk abgeliefert, das wichtige Seiten des Berufsalltags in der Industrie anhand eines besonderen Einzelschicksals schildert. Fragen der Gleichberechtigung, Nachhaltigkeit und sozialen Gerechtigkeit kommen zur Sprache. Unser Tipp: unbedingt anschauen! In der 3sat-Mediathek abrufbar bis 1. Februar 2026.