Gelsenkirchen. Die Produktion in Gelsenkirchen läuft gut. Aber die Spar-Pläne bei Thyssenkrupp Steel könnten auch Folgen für Electrical Steel in Schalke haben.
Es passiert nicht alle Tage, dass sich alle drei SPD-Abgeordneten aus Gelsenkirchen gleichzeitig zu einem Thema zu Wort melden. Doch die gegenwärtige Krise bei Thyssenkrupp Steel und der – aus Sicht der Arbeitnehmervertreter – „Radikal-Plan“ von Konzernchef Miguel López scheint die hiesigen Sozialdemokraten so aufzuwühlen, dass der Bundestagsabgeordnete Markus Töns sowie die Landtagsabgeordneten Christin Siebel und Sebastian Watermeier gleichsam betonen: „Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um unsere Stahlindustrie als Kern der industriellen Wertschöpfungsketten in relevanter Größe zu erhalten!“ Appelle, die nicht zu Unrecht aus Gelsenkirchen kommen: Denn auch bei Thyssenkrupp Electrical Steel in Schalke macht man sich Sorgen.
Dort wird mit dem kornorientierten Elektroband zwar ein zukunftsträchtiger Werkstoff der Energiewende hergestellt, der unter anderem für Transformatoren benötigt wird. „Aber die Stimmung ist angespannt“, sagt Sebastian Watermeier, der bei der jüngsten Betriebsversammlung in Schalke am Donnerstag (22. August) selbst mit dabei war. „Die Kolleginnen und Kollegen schauen mit großer Besorgnis auf das, was sich vor allem in Duisburg und Essen abspielt.“
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Die IG Metall und der Stahl-Betriebsrat von Thyssenkrupp sehen 10.000 Arbeitsplätze, vor allem in Duisburg, in Gefahr, weil die Stahl-Produktion auf fünf Millionen Tonnen sinken soll. Die Essener Thyssenkrupp-Zentrale tat die Darstellungen als „Spekulationen ab“ und wirft der IG Metall vor, „unnötigerweise Ängste zu schüren“. Eine Entscheidung über das zukünftige industrielle Konzept von Thyssenkrupp Steel steht weiter aus. Die Belegschaft zittert, seitdem bekannt wurde, dass der tschechische Milliardär Daniel Křetínský groß ins Stahlgeschäft einsteigen will.
Was in Duisburg produziert wird, beeinflusst auch das Endprodukt in Gelsenkirchen
Der Standort in Gelsenkirchen hänge „auf vielfältige Weise“ mit der Produktion in Duisburg zusammen, erläuterte Watermeier. „Der Stahl wird in Duisburg produziert und in Gelsenkirchen abgenommen.“ Es handele sich um einen wirtschaftlichen Verbund innerhalb des Unternehmens. „Und das Vorprodukt hat erheblichen Qualitätseinfluss auf das Endprodukt in Gelsenkirchen“, so der SPD-Politiker gegenüber der WAZ. Wenn man mit einer festen Qualität, die verlässlich aus Duisburg kommt, arbeiten könne, dann sei das besser als den Stahl für schwankende Preise und möglicherweise auch schwankende Qualität im Weltmarkt einzukaufen.
Die aktuelle Situation in Gelsenkirchen sei zwar gut, „weil das dort produzierte Produkt nachgefragt wird und weil es zentrale Bedeutung hat für die Energiewende.“ Jedoch stehe Electrical Steel auch im harten internationalen Wettbewerb, unterstrich Watermeier. „Die Mitbewerber schlafen nicht. In Japan zum Beispiel wird viel investiert und das Produkt weiterentwickelt. Da müssen die Standorte in Europa mithalten. Und das setzt voraus, dass investiert wird, dass es Investitionssicherheit in Gelsenkirchen gibt.“ Bei einem Unternehmen auf Sparkurs sei fraglich, wie stark die Zukunftsinvestitionen aussehen.
Auch Gelsenkirchens Wirtschaftsdezernent Simon Nowack sagte im Mai noch, dass die Auftragslage im Schalker Werk zufriedenstellend sei. Man müsse jedoch die „aufstrebende Konkurrenz auf den asiatischen Märkten“ im Blick behalten, betonte auch er. Zukunftsinvestitionen in Gelsenkirchen seien entscheidend.
MdB Töns erwartet nach Milliardenförderung für Thyssenkrupp Ergebnisse
Markus Töns, Gelsenkirchens direkt gewählter Bundestagsabgeordneter, forderte in seiner Stellungnahme Konzernchef López auf, seine „radikale Abbaupläne“ zu stoppen. Diese würden „den industriellen Kern Deutschlands“ gefährden. Töns erinnerte López daran, milliardenschwere Subventionen von Bund und Land für die Dekarbonisierung erhalten zu haben. „Wir, die Politik, haben durch die Zusage von Fördermitteln in Höhe von insgesamt 2 Mrd. Euro bestimmte Erwartungen an die Geschäftsführung geknüpft: den Umbau hin zu einer klimaneutralen Stahlerzeugung am Standort in Deutschland, zu denen auch die zugesagten eigenen Investitionsmittel des Unternehmens gehören. Wir erwarten, dass sich die Geschäftsführung auch des Mutterkonzerns an die Absprachen hält und ihre Stahltochter nicht im Regen stehen lässt.“
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Die Landtagsabgeordnete Christin Siebel forderte jetzt Transparenz von der Unternehmensführung. Insbesondere müsse die Arbeitnehmervertretung in der Entscheidungsfindung bei Thyssenkrupp einbezogen werden. „Betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen müssen ausgeschlossen werden“, bekräftigte Siebel.
Landtagskollege Watermeier skizzierte, wie er sich den Weg zu einer zukunftsfähigen Stahlindustrie in Deutschland vorstellt. „Energiepreise weiter senken, die Versorgung der Industrie mit klimaneutralem Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen organisieren, die Entwicklung eines Absatzmarktes für klimaneutralen Stahl unterstützen und entschiedene Maßnahmen zum Schutz der europäischen Industrie vor globalem Preisdumping.“ Mit diesen Rahmenbedingungen, so Watermeier, „hat Stahl Zukunft.“