Gelsenkirchen. Der 19-jährige Luis Bretinger aus Gelsenkirchen hat sich Gedanken um den ÖPNV in seiner Heimatstadt gemacht. Das ist dabei herausgekommen.
Luis Bretinger ist 19 Jahre alt, kommt aus Gelsenkirchen, und wenn man ihn als Überflieger bezeichnet, dann ist das mit Sicherheit nicht ganz falsch. Bereits mit 17 machte er am Gauß-Gymnasium sein Abitur („Ich habe in der Grundschule ein Jahr übersprungen“), zurzeit studiert er im dritten Semester an der RWTH Aachen, und ganz nebenbei legt er einen verbesserten Plan für den Ringschluss der Straßenbahnlinie 301 vor. Vermutlich muss man sich um seine berufliche Zukunft nur wenig Sorgen machen.
Bekanntlich soll die Bogestra-Linie 301 erweitert werden, die entsprechenden Planungen dafür hatte der Verkehrsausschuss der Stadt im Jahr 2022 in Auftrag gegeben. Bislang fährt die 301 vom Gelsenkirchener Hauptbahnhof über Bismarck, Erle, Buer und Beckhausen nach Horst, dort endet die Linie. Geplant ist, die 301 in Zukunft im Kreis fahren zu lassen: Dafür soll die Linie über Straßen An der Rennbahn und Grothusstraße verlängert werden, um wieder am Hauptbahnhof anzukommen.
Diese Probleme hat der 19-jährige Gelsenkirchener identifiziert
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„Es ist ja nach den aktuellen Plänen strenggenommen kein richtiger Ring, sondern eher ein Lasso“, merkt Luis Bretinger an. Das stimmt: Bei einem echten Ring würde die Bahn immer in die gleiche Richtung fahren, ohne wenden zu müssen. Die angedachte neue Trasse trifft allerdings von Horst kommend an der Kreuzung Florastraße auf die bereits bestehenden Schienen, von dort nutzt sie die Trasse über die Haltestellen Musiktheater und Heinrich-König-Platz zum Hauptbahnhof, dort muss die Bahn wenden.
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Ungünstig, findet der Student: „Die zum Wenden benutzten beiden Stumpfgleise im Hauptbahnhof sind schon zurzeit von den Linien 107 und 301 vollständig belegt und besonders auch zu Sonderveranstaltungen mit den zusätzlichen Einsatzwagen auch sehr stark ausgelastet“, sagt er. „Ich sehe es nicht als möglich an, die ,Ringschlusslinie‘ im Gelsenkirchener Hbf enden zu lassen, ohne einen Ausbau der Wendekapazitäten oder eine Kürzung einer anderen Linie vorzunehmen.“
Klimaschutz hat für Luis Bretinger schon immer eine große Rolle gespielt
Wie kommt man dazu, sich als 19-Jähriger derart viel Gedanken um den öffentlichen Personennahverkehr in seiner Heimatstadt zu machen? „Ich beschäftige mich schon länger mit dem Thema Klimaschutz“, sagt Bretinger. Das liegt in der Familie: Bruder Jan gehörte zu den Gründern der Gelsenkirchener Ortsgruppe von „Fridays for Future“, mischt inzwischen beim „Klimakollektiv“ mit. Luis hatte schon mit 13 Jahren am Gauß-Gymnasium eine „Plant for the Planet“-AG gegründet.
„Zum Klimaschutz gehört auch, dass die Verkehrspolitik besser werden muss“, findet Bretinger. Sein Credo: „Man muss den ÖPNV so gut machen, dass er eine echte Alternative zum Auto ist.“ Kein Wunder also, dass er sich auch beruflich mit dem Thema beschäftigen will: An der Aachener Uni studiert er „Verkehrsingenieurwesen und Mobilität“ - ein noch relativ neuer Studiengang, mit wenigen Studierenden und hohen Ansprüchen. „Die Durchfallquote liegt bei etwa 50 Prozent.“
Diese Vorschläge hatte Bretinger gemacht
Natürlich habe ihn die Diskussion um den Ausbau der Linie 301 in seiner Heimatstadt interessiert, und so habe er sich die entsprechenden Dokumente und Pläne aus dem frei zugänglichen Ratsinformationssystem im Internet besorgt. „Dabei sind mir Dinge aufgefallen, die man verbessern kann“, so Bretinger. So schlägt er unter anderem vor, die neue Linie von der Kreuzung Florastraße/Overwegstraße bis zum Europaplatz entweder über die Ringstraße oder über den Bahnhofsvorplatz zu verlängern, um dort eine Wendeanlage zu schaffen. Außerdem solle der Nordsternpark an das Liniennetz angebunden werden: „Der VRR plant bis 2040 auf der Bahnstrecke von Wanne-Eickel über Gelsenkirchen-Horst bis nach Oberhausen gegebenenfalls eine S-Bahn zu verlegen und wahrscheinlich an der Kranefeldstraße einen S-Bahnhof (Gelsenkirchen Horst-Süd) zu bauen“, so Bretinger. Diesen könnte man bereits im Vorfeld an das Bogestra-Netz anschließen.
Seine Vorschläge goss Bretinger in eine Präsentation und legte sie dem Verkehrsausschuss der Stadt Gelsenkirchen vor – zuvor hatte er sich bei den Gelsenkirchener Grünen Rat geholt, wie er seine Ideen am besten vorbringen könnte. In der letzten Sitzung stand das Thema unter dem Punkt „Bürgerschaftliche Initiativen“. Zwar lehnten die Verwaltung die Vorschläge erwartungsgemäß ab, und Politikerinnen und Politiker aller Parteien folgten dieser Ablehnung. „Die Einbeziehung der vorgeschlagenen Erweiterungen in das Projekt würde das Vorhaben zeitlich verzögern, deutlich komplexer und umfangreicher machen sowie die Gesamtkosten erheblich steigern“, begründete Stadtbaurat Christoph Heidenreich.
Dennoch: Bretinger erhielt Lob von allen Seiten für seine Bemühungen – und einige seiner Vorschläge sollen bei der zukünftigen Planung berücksichtigt werden, etwa die Anbindung an einen zukünftigen Bahnhof Horst-Süd. „Sie haben eine hervorragende Bewerbungsmappe für einen Job bei der Stadt Gelsenkirchen abgegeben“, sagte Bernd Rudde (Grüne). „Viel mehr habe ich auch nicht erwartet“, so Bretinger nach der Sitzung. Ob er denn wirklich einmal nach dem Studium bei der Stadt Gelsenkirchen anfangen wolle? „Bis dahin ist es ja noch ein Weilchen“, sagt er diplomatisch.