Gelsenkirchen. In der Debatte um Bezahlkarten für Flüchtlinge werden viele falsche Annahmen wiederholt. Eine Sorge in Gelsenkirchen ist besonders unberechtigt.

Es ist erschreckend, wie viele Unwahrheiten immer wieder bei der Diskussion um die Bezahlkarte für Geflüchtete vorgetragen werden. Allem voran ist da der Glaube, man könne massenweise Geldtransfers ins Ausland stoppen, indem Asylsuchende keinen Zugriff mehr auf Bargeld bekommen. Das sind nichts weiter als unwissenschaftliche Märchengeschichten.

In Gelsenkirchen wird jetzt aber noch eine ganz andere Sorge besonders betont: Das ohnehin von Integrationsaufgaben völlig überlastete Gelsenkirchen könne durch ein Festhalten am Bargeld-System weitere Anreize schaffen für Migranten. Noch mehr Einwanderer in Gelsenkirchen? Das will man bei der allgegenwärtigen Überforderung auf jeden Fall verhindern!

Für Bezieher von Asylbewerberleistungen gilt die Wohnsitzauflage

Entweder aus Unkenntnis oder ganz bewusst wird dabei aber ignoriert, wie Geflüchtete überhaupt in den Städten landen und wie wenig Möglichkeiten sie haben, ihren Wohnsitz frei zu wählen. (Alles darüber lesen Sie hier: Warum die Zuweisung von Flüchtlingen so problematisch ist).

Diese Menschen tauchen nicht auf einmal so in Gelsenkirchen auf. Sie werden nach einem festen Schlüssel nach Gelsenkirchen verteilt. Und auch nachdem sie einmal verteilt wurden, können sie nicht einfach frei entscheiden, wo sie wohnen wollen. Es gilt die sogenannte Wohnsitzauflage.

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Und diese Wohnsitzauflage gilt eben gerade für die Menschen, um die es bei der Bezahlkarte geht: Menschen, die Asylbewerberleistung bekommen. Das sind Menschen, die noch im laufenden Asylverfahren sind oder die sich trotz abgelehnten Asylantrags weiterhin Deutschland aufhalten, beispielsweise weil sie nicht abgeschoben werden können.

Auch wenn diese Menschen jahrelang Asylbewerberleistungen bekommen, etwa weil sie sich als Langzeit-Geduldete in Deutschland aufhalten, können sie nicht in eine andere Stadt ziehen, ohne einen Antrag zu schreiben.

So kann in Gelsenkirchen keine vernünftige Entscheidung getroffen werden

Und bei einem solchen Ersuchen hat übrigens auch die Kommune ein Wort mitzureden, in die ein Geflüchteter ziehen will. Dass Gelsenkirchen solche Anträge nicht einfach gestattet und besonders streng prüft, eben weil man nicht noch mehr Leistungsbezieher aufnehmen möchte, das hat die WAZ schon mehrmals berichtet.

WAZ-Redakteur Gordon Wüllner-Adomako
WAZ-Redakteur Gordon Wüllner-Adomako meint: Bei der Diskussion um die Bezahlkarte wird zu viel mit falschen Annahmen hantiert. © FUNKE Foto Services | Gordon Wüllner-Adomako

Das System macht es also quasi gar nicht möglich, dass jemand mal eben so in eine andere Kommune zieht, nur weil es da keine Bezahlkarte gibt. Aber selbst wenn es möglich wäre: Ob jemand tatsächlich in eine andere Stadt ziehen würde, weil er dort statt 50 nun 196 Euro Taschengeld in bar bekommen würde, so wie es die Regelung vorsehen würde?

Mehr Realitätssinn. Und weniger Falschinformationen. Das würde der Diskussion um die Bezahlkarte wirklich guttun. Dann könnte man auch eine vernünftige Entscheidung treffen, ob Gelsenkirchen nun bei dem neuen System mitmachen soll oder nicht.

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