Gelsenkirchen. „Irgendwann muss Schluss sein“: Der bekannte Gelsenkirchener Arzt Dr. Wolfgang Nolte zieht sich zurück. Diese Idee hat er ganz nach vorn gebracht.
Wenn man es salopp und alt hergebracht formulieren möchte, dann wäre dieser Mann ein „Tausendsassa“. Im Grunde aber ist Dr. Wolfgang Nolte eigentlich nur sehr engagiert, dazu noch vielseitig interessiert und ein echter Menschenfreund. Der Ur-Gelsenkirchener, der sicher nicht nur durch seinen langjährigen Job als Hausarzt vielen Menschen in der Stadt bekannt ist, zieht sich zurück. Und Abschied zu nehmen von seinem „Baby“, wie er es nennt, das fällt dem heute 78-Jährigen offensichtlich gar nicht leicht: „Ich bin emotional getroffen, kein Abschied ist mir bislang so schwergefallen.“ Aber: „Irgendwann muss Schluss sein“, sagt er.
„Emotional getroffen“: Warum Wolfgang Nolte nun Schluss macht mit seinem Engagement
Sein „Baby“, das ist der Verein „Arzt Mobil Gelsenkirchen“, den Wolfgang Nolte gemeinsam mit weiteren Vertretern 1998 mitbegründete. Seit mehr als 26 Jahren bietet Arzt Mobil nun schon niedrigschwellige, aufsuchende medizinische Hilfe für wohnungslose und/oder drogenabhängige Menschen an – und in all den Jahren hat sich Arzt Mobil in dieser Stadt einen Namen gemacht. Es ist sogar mehr als das und das ist sicherlich nicht zuletzt auch das Verdienst von Wolfgang Nolte.

In der Stadt habe es Ende der 90er-Jahre die Diskussion gegeben: „Was machen wir mit den Obdachlosen?“, erinnert sich Nolte. Die Idee zu Arzt Mobil nahm Formen an, wurde immer größer. Nur durch Zufall, sagt Wolfgang Nolte, wurde er zum ersten Vorsitzenden des Vereins. Im Gespräch mit der WAZ sagt er diesen besonderen Satz: „Ich bin stolz, dass aus diesem kleinen Pflänzchen so etwas Tolles geworden ist.“
Auch interessant

Und wenn er so erzählt, aus seinem Leben und von seinem Wirken, dieser Gelsenkirchener, dann kommt irgendwann unweigerlich die Frage: Wie hat er das alles nur geschafft, wie hat er das alles nur unter einen Hut gebracht? Nolte lächelt, doch diese Frage ist ja absolut berechtigt.
1979 lässt sich Nolte als Hausarzt am Haverkamp nieder. Er hat zuvor in Freiburg, Bonn, Wien und Düsseldorf Medizin studiert und auch mal bis zum Vordiplom Chemie. Aber die ganze Zeit in einem Labor zu arbeiten, ohne Menschen, „das war nicht mein Ding“, sagt Nolte. Als Nolte sich als Hausarzt niederlässt, führt er damit eine Familien-Tradition fort – waren doch seine Mutter und sein Vater selbst niedergelassene Hausärzte, sein Vater hatte eine Praxis an der Bismarckstraße.
Gelsenkirchener Arzt: „Spannend, in den Bereichen zu helfen, wo sonst keiner zuständig ist“
Wolfgang Nolte ist aber nicht nur bei Arzt Mobil aktiv. Ein Auszug seines Engagements: Der Vater von drei mittlerweile erwachsenen Kindern und vierfache Großvater war 30 Jahre als ehrenamtlicher Richter am Gelsenkirchener Sozialgericht aktiv, nahezu genauso lange im Ärzteverein Gelsenkirchen, davon 26 Jahre als stellvertretender Vorsitzender.
39 Jahre gehörte er dem Caritasrat an, war 16 Jahre dort Vorsitzender. Er gründet ebenfalls die Qualitätsgemeinschaft Praxisnetz Gelsenkirchen, die Träger der beiden Notfallpraxen der Stadt ist. Und: 27 Jahre lang war Wolfgang Nolte zudem im Kirchenvorstand der Pfarrgemeinde Heilige Dreifaltigkeit, 16 Jahre hatte er den Vorsitz des Emmaus-Hospiz inne.
Auch interessant
Dass die Familie bei all dem nicht zu kurz gekommen ist, erklärt der Mediziner so: „Man muss organisieren können.“ Und grundsätzlich habe es innerhalb seiner Familie immer – bis auf wenige Ausnahmen – freie Wochenende gegeben, keine Termine im Dezember und auch die Ferien waren immer frei. Das Wichtigste aber: „Wenn ich nicht meine Frau gehabt hätte“, sagt Nolte und lächelt wieder, sie habe viel von ihm weggehalten.
„Es ist spannend, in den Bereichen zu helfen, wo sonst keiner zuständig ist“, sagt Wolfgang Nolte in der Retrospektive. Auch und gerade den Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben. Arzt Mobil entwickelt sich schnell zu einer etablierten Anlaufstelle, den Anfang machten sie noch mit einem alten Wohnmobil, heute gibt es einen eigens umgebauten Transporter, der verlässlich ärztliche Versorgung zu den Menschen bringt. Sie hätten schon früh viel Freiraum und Vertrauen genossen, erinnert sich Wolfgang Nolte. Nach dem Prinzip: „Macht mal!“
Spendenbereitschaft zeigt: Arzt Mobil wird in der Stadt akzeptiert und gebraucht
Karin Schneider kam 2002 als pädagogische Kraft zu Arzt Mobil, für die Diplom-Sonderpädagogin und Teamleiterin ist der stete Einsatz von Wolfgang Nolte extrem wichtig: Da draußen auf den Straßen dieser Stadt, da könnten sie gar nicht gut arbeiten, hätten sie nicht im Hintergrund jemanden, der ihnen den Rücken frei hielte. So jemanden wie Wolfgang Nolte eben. „Er hat immer einen Wall um uns herum aufgebaut, wir konnten uns immer sehr darauf verlassen, dass er uns schützen wird“, sagt Schneider.
Maximaler Freiraum, das sei auch und besonders bei der Arbeit mit der Klientel, das Arzt Mobil versorgt, von großer Bedeutung, sagt Nolte. Und auch das: „Da braucht es oftmals eine lange Zeit, bis sie Vertrauen gewinnen.“ Regelmäßige Großspender wie beispielsweise die Sparkasse oder Ereignisse wie die traditionelle Straßenfeuer-Gala sorgten zudem für finanzielle Verlässlichkeit: „Die tun uns jedes Mal richtig gut“, weiß Nolte. Die Spendenbereitschaft und auch die Bereitschaft der Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener darüber hinaus zu helfen und zu unterstützen, zeige, dass „wir in der Stadt akzeptiert sind und gebraucht werden“, findet Wolfgang Nolte. Und es ist für den Allgemeinmediziner auch ein Zeichen, das er persönlich nimmt: „Da ist etwas Gutes, was du irgendwann mal angefangen hast.“
Die Nachfolge von Wolfgang Nolte übernimmt die 46 Jahre alte Fatma Kirchberg, niedergelassene Hausärztin in Ückendorf. Bei Arzt Mobil ist sie keine Unbekannte, war sie doch zuvor unter anderem die stellvertretende Vorsitzende des Vereins. Weitere Informationen gibt es auch im Netz unter arztmobil-gelsenkirchen.de