Gelsenkirchen-Resse. Warum die Stimmung bei Hof-Betreibern gereizt ist. Resser Landwirt Föcker klagt: Gelsenkirchens Pläne hätten Umsatzeinbußen zur Folge.

Neues Jahr, neues Glück - und jede Menge alter Probleme: So stellt sich die Situation für viele der verbliebenen hauptberuflich tätigen Landwirte in Gelsenkirchen dar: Nicht mal eine Handvoll sind es, so Michael Föcker als Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Lokalvereins. Ein Jahr nach den lautstarken Trecker-Protesten gegen die geplante Streichung von Agrardiesel-Subventionen ist nicht nur er reichlich desillusioniert. Zwar freut er sich über zwei gute Nachrichten. Doch die verblassen angesichts der Umsatz-Einbußen, die er durch die aktuelle Überarbeitung des Landschaftsplans fürchtet. Und der Ärger über die wegfallende Diesel-Förderung, der ist auch geblieben.

Das Positive will er im Redaktions-Gespräch über die aktuelle Stimmung unter den Gelsenkirchen Bauern nicht unterschlagen. „Die Ernte in 2024 war gut, da können wir uns nicht beschweren. Die Masse hat die paar Einbußen bei der Klasse allemal ausgeglichen“, berichtet der Vorsitzende des Lokalvereins, in dem rund 50 haupt- und nebenberufliche Bauern organisiert sind. Föcker führt den rund 500 Jahre alten Eckermannshof an der Böningstraße in 20. Generation und baut auf 70 Hektar verschiedenste Feldfrüchte an: Mais, Gerste, Kartoffeln, Bohnen, Kürbisse, Erdbeeren und Schnittgras für die 260 Milchkühe und Kälber. Zu versorgen hat er auch 800 Legehühner und 300 (Martins-)Gänse.

Gelsenkirchener Landwirte kämpfen immer wieder mit Blauzungen-Krankheit bei Rindern

Froh ist Föcker auch, dass die gefürchtete Schilf-Glasflügelzikade noch nicht in Gelsenkirchen gesichtet wurde. Das Insekt breitet sich gerade besonders in Süddeutschland, aber auch im Osten der Republik aus: Sie befällt besonders Kartoffel- und Rapspflanzen und sorgt über Bakterien für massive Ernteausfälle. Die Rede ist von 50 oder gar 100 Prozent Verlust. Ein Gegenmittel gibt es bislang nicht. Große Illusionen macht sich der Resser allerdings nicht. „Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis dieses Insekt auch bei uns auftaucht.“ Laut Experten trägt der Klimawandel zur Verbreitung des Schädlings bei.

Ohnehin kämpfen die Gelsenkirchener Betriebe immer mal wieder mit der Blauzungen-Krankheit, die Rinder, Ziegen und Schafe befällt und u.a. Euter-Entzündungen, Einbußen bei der Milchproduktion und Aborte von trächtigen Kühen auslöst. Einige Tiere müssen sogar geschlachtet werden. „Nachdem wir 2017 massiv davon betroffen waren, lassen wir nun die 200 älteren Tiere impfen. Aber das ist natürlich auch ein Kostenfaktor und leider kein absoluter Schutz, weil es so viele Virusstämme bei dieser Erkrankung gibt“, berichtet Föcker von einer zusätzlichen jährlichen Ausgabe in Höhe von 1200 Euro.

Landwirt aus Gelsenkirchen ärgert sich, dass Protest am Ende nicht nachhaltig gewesen sei

Auf 70 Hektar Fläche baut Landwirt Michael Föcker vom Eckermannshof in Gelsenkirchen-Resse Kartoffeln, Mais, Gerste, Bohnen, Kürbisse und Erdbeeren an. Das Archivfoto zeigt Selbstsammler beim Ernten von Kartoffeln.
Auf 70 Hektar Fläche baut Landwirt Michael Föcker vom Eckermannshof in Gelsenkirchen-Resse Kartoffeln, Mais, Gerste, Bohnen, Kürbisse und Erdbeeren an. Das Archivfoto zeigt Selbstsammler beim Ernten von Kartoffeln. © Oliver Mengedoht / FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Dass die Agrardiesel-Subvention trotz heftiger Proteste nun doch abgeschafft wird - wenn auch gestaffelt und mit Verzögerung - schlage da zusätzlich ins Kontor. Föcker bezifferte vor einem Jahr allein seinen jährlichen Verlust auf rund 3500 bis 4000 Euro pro Jahr. „Es kann doch nicht sein, dass wir nun für die Nutzung von Straßen zur Kasse gebeten werden, obwohl wir diese kaum befahren. Wir setzen unsere landwirtschaftlichen Fahrzeuge zu 95 Prozent auf den eigenen Äckern ein“, ärgert sich der Resser, dass die bundesweiten Demonstrationen im Januar 2024 am Ende doch keinen durchschlagenden Erfolg gebracht hätten.

Es herrscht also schlechte Stimmung bei den Landwirten vor Ort. Und in dem in Überarbeitung befindlichen kommunalen Landschaftsplan sehen sie neues Ungemach. Wie berichtet, wird der Landschaftsplan nach rund 20 Jahren aktualisiert. Ziel ist es, Tier- und Pflanzenwelt, Boden, Wasser, Luft und Klima zu bewahren und zu verbessern, so die Stadtverwaltung. Auch die Land- und Forstwirtschaft oder die Naherholung sollen hinreichend berücksichtigt werden. Konkretisiert wird das über die (rechtsverbindliche) Festsetzung von Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten, in denen besondere Regeln einzuhalten sind.

In Gelsenkirchen soll die Fläche der Naturschutzgebiete auf 668 Hektar verdoppelt und die der Landschaftsschutzgebiete um 300 auf 2710 Hektar vergrößert werden. Das sieht jedenfalls der Entwurf des Landschaftsplans vor, der Anfang 2026 vom Rat beschlossen werden soll. Die Stellungnahmen von Landwirten und anderen Interessierten werden gerade gesichtet und gegebenenfalls eingearbeitet.

Bauer Föcker: Überarbeiteter Gelsenkirchener Landschaftsplan könnte Erträge schmälern

Dass die Kritik berücksichtigt wird, darauf hofft (nicht nur) Föcker: „Wenn es bei den jetzigen Planungen bleiben sollte, werden künftig fünf Hektar unserer bewirtschafteten Pachtfläche als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Das hätte unmittelbare Konsequenzen für die Flächennutzung und Viehhaltung, sprich: Wir hätten definitiv weniger Erträge“, so der Resser.

So nutzen Föckers derzeit die entsprechende Fläche für die Freilandhaltung ihrer 300 Gänse, die ein finanzielles Standbein des Betriebs darstellt. Gemäß den strengeren Naturschutzgebiet-Vorgaben könnten dort aber in Zukunft „vielleicht nur die Hälfte, womöglich sogar noch weniger Gänse gehalten werden. Einige Fixkosten, etwa das Personal für die Schlachtung, sind aber unabhängig von der Zahl der Tiere zu zahlen. Deshalb kann es gut sein, dass sich die Gänsehaltung demnächst nicht mehr für uns lohnt.“

Gelsenkirchener Verwaltung betont: Alle Belange werden abgewogen

Sein weiterer Kritikpunkt: Er benötige die fünf Hektar auch, um Grünfutter für seine Kühe zu produzieren. In Naturschutzgebieten darf Gras jedoch nur ein bis zweimal im Jahr und dann auch nur zu bestimmten Zeiten gemäht werden, um die Tier- und Pflanzenvielfalt nicht zu gefährden. „In der Folge müsste ich Futter für meine Kühe zukaufen.“

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Auch die Entsorgung der Gülle werde problematisch, denn im Naturschutzgebiet ist die Ausbringung auch vor dem Hintergrund der Grundwassergefährdung verboten. „Die zulässige Zahl der gehaltenen Tiere ist abhängig von der Wirtschaftsfläche, die zur Verfügung steht. Wird diese reduziert, muss ich die Gülle kostenpflichtig woanders entsorgen - oder weniger Vieh halten.“

Die Stadtverwaltung hatte auf Nachfrage der Redaktion schon Ende 2024 betont, die Bedenken der Landwirte zu kennen. Es würden „alle Belange“ abgewogen.