Gelsenkirchen. Der Gelsenkirchener Heinz Stein feiert seinen 90. Geburtstag und erzählt, wie er nach dem Tod seiner Frau den Lebensmut wiederfand.
Als Heinz Stein am Freitagmorgen seinen Briefkasten öffnete, fand er auch einen Brief von Karin Welge darin: Die Oberbürgermeisterin ließ es sich nicht nehmen, ihm mit einem Schreiben zu gratulieren. Denn der in Ückendorf lebende Künstler feierte am 27. Dezember seinen 90. Geburtstag. „Und über die sehr schönen, sehr persönlichen Zeilen von Frau Welge habe ich mich sehr gefreut“, sagte Stein im Gespräch mit der WAZ.
Holzschneider, Lyriker, Bildhauer und Illustrator
Heinz Stein, geboren 1934 in Gelsenkirchen, wirkt seit über 55 Jahren als Holzschneider und hat sich damit in der deutschen Kunstlandschaft längst einen Namen gemacht. Doch auch als Lyriker, dessen wirkmächtigstes „Werkzeug“ die Sprache ist, sowie als Bildhauer und Illustrator hinterließ er einen tiefen Fußabdruck.
Seine Aphorismen-Sammlungen sind ebenso so gelungen wie unterhaltsam. Über 110 Bände mit weit über 5000 Aphorismen sind im Laufe der Jahrzehnte in dieser Reihe erschienen. Hinzu kamen über 500 Gedichte und Limericks. Sie alle zeichnet aus, dass Stein nicht viele Worte machen muss, um zum Kern der Sache vorzudringen. Und seine Leserschaft nachhaltig zu berühren.
Auch Günter Grass und Heinrich Böll arbeiteten einst mit Heinz Stein zusammen
Die „Zentrale“ seiner Schaffenskraft war stets die Galerie Stein. Diese hat ihren Sitz an der Bergmannstraße 65 in Ückendorf und war Schauplatz von über 130 Ausstellungen – mit Arbeiten etwa von Gerhard Marcks, Horst Janssen, Marc Chagall, Alfred Pohl, Otto Pankok oder HAP Grieshaber. Auch heute noch ist der Universal-Künstler dort regelmäßig anzutreffen. Genau wie seine riesigen, eindrucksvollen Druckmaschinen, die einen Teil der Räumlichkeiten ausfüllen. Bescheiden erwähnt er nur in Nebensätzen, dass auch Szene-Größen wie Günter Grass, Heinrich Böll, Ernst Jünger oder Ernesto Cardenal einst mit ihm zusammenarbeiten wollten.
Sein Leben wurde dann aber vor vier Jahren „komplett auf den Kopf gestellt“. Denn kurz vor Weihnachten 2020 verstarb seine geliebte Frau Irmgard. Und dieser schwerstmögliche Verlust traf Heinz Stein nicht nur mitten ins Herz, er drohte im Schmerz auch den eigenen Lebensmut zu verlieren.
Der Besuch von Kulturveranstaltungen brachte ihm den Lebensmut zurück
Es war dann Sohn Dr. Elmar Stein, der seinen Vater aus dem emotionalen Loch zu befreien versuchte - indem er mit ihm wieder gemeinsam Kulturveranstaltungen besuchte. Den Anfang machte die Aufführung von „Hello, Dolly!“ Anfang dieses Jahres im hiesigen Musiktheater im Revier (MiR). Früher sei er dort, in Gelsenkirchens Kultur-Tempel, regelmäßig zu Gast mit seiner Frau gewesen - so lange es für sie gesundheitlich möglich war. Nach ihrem Tod habe er sich innerlich abgekapselt. Doch der Weg zurück ins MiR und all die Erinnerungen, die das wachküsste, hätten ihm „zumindest ein Stück weit seine Lebenslust zurückgegeben“.
Die aktuelle MiR-Inszenierung „Carmina Burana“ habe er sich inzwischen bereits dreimal angeschaut - zuletzt am ersten Weihnachtstag. „Ich liebe diese Musik, habe sie mir als ganz junger Mann schon daheim auf einer Mono-Schallplatte hunderte Male angehört. Doch nichts ist schöner, als sie live zu hören und zu spüren“, sagt der Musik-Liebhaber, der einst selbst Klavier und Gitarre gespielt hat.
Den 90. Geburtstag feiert er im Kreis von Familie und engsten Weggefährten
Das fortgeschrittene Alter, das auch einige gesundheitliche Probleme mit sich gebracht hat, macht es Stein inzwischen nicht mehr möglich, sich selbst künstlerisch zu betätigen. Um so wichtiger sei es für ihn, die Kunst zu genießen. Und das nun auch im Alter von 90 Jahren.
Diesen runden Geburtstag feiert er am Samstag, 28. Dezember, im Kreise seiner Familie - mit seinen drei Kindern und mit zweien seiner Enkel sowie einigen engen Weggefährten. Wünsche hat er übrigens keine. „Ich habe doch alles“, sagt er. Fügt aber nach einigen Sekunden des Grübelns hinzu: „Nur leider meine Frau nicht mehr...“