Gelsenkirchen-Ückendorf. Gelsenkirchener „Galerie Stein“ feiert am Freitag, 13. März, 40-jähriges Bestehen. Die Werke dieser bekannten Künstler wurden dort schon gezeigt.

In den Adern von Irmgard Stein (85) pulsiert so viel kreatives Blut, dass es im Laufe ihres bisherigen Lebens gleich für mehrere außergewöhnliche Berufe ausgereicht hat. Einst war sie Schaufenster-Dekorateurin, später Plakatmalerin, Autorin und Verlagsgründerin. Einen Namen in der Region, weit über Gelsenkirchens Stadtgrenzen hinaus, hat sich die Frau mit den rot-braunen Haaren aber mit ihrer „Galerie Stein“ erarbeitet. Diese feiert am Freitag, 13. März, ihr 40-jähriges Bestehen. Grund genug, um sich bei der Kundschaft der vergangenen vier Dekaden zu bedanken.

Wer die vier Treppenstufen zur Galerie hinaufsteigt, der steht vor zwei Holztüren. Die linke führt in die Galerie von Irmgard Stein, die rechte ins Atelier ihres gleichaltrigen Mannes Heinz Stein, seines Zeichens Holzschneider und früherer Folkwangschüler. Auf rund 80 Quadratmetern haben sie es sich hier in den Räumlichkeiten an der Bergmannstraße 65 gemütlich gemacht. Das Haus stammt aus dem Jahr 1902, eine Sonnenuhr an der Fassade fällt sofort ins Auge. „Dies ist die Keimzelle der gesamten Galeriemeile in Ückendorf“, sagen die Steins, als sie den Gast hereinbitten.

„Galerie Stein“ in Gelsenkirchen zeigt seit 1980 rund 130 Ausstellungen

Dies ist eines der limitierten Bücher mit einem Originaldruck des Holzschneiders HAP Grieshaber.
Dies ist eines der limitierten Bücher mit einem Originaldruck des Holzschneiders HAP Grieshaber. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Drinnen angekommen, fallen sofort die vielen gerahmten Holzschnitte an den Wänden auf. Fast alle hat Heinz Stein entworfen. Und zu jeder kann er eine Geschichte erzählen. Doch nicht nur seine eigenen Werke waren hier zu sehen, sondern auch jene zahlreicher namhafter Künstler. „Wir haben in den 40 Jahren insgesamt 130 Ausstellungen gezeigt“, sagt Heinz Stein – mit Arbeiten etwa von Gerhard Marcks, Horst Janssen, Marc Chagall, Alfred Pohl, Otto Pankok und HAP Grieshaber. Letzterer zählt zu den bedeutendsten Holzschneidern in der deutschen Kunstgeschichte.

Die ersten drei Jahre nach der Gründung am 13. März 1980 war die Galerie noch in einem Ladenlokal auf der Hauptstraße in der Altstadt untergebracht. 1983 folgte dann der Umzug nach Ückendorf. Zuvor musste das Paar aber viel Überzeugungsarbeit leisten, um in die neue Heimat einziehen zu können. „Wie bitte: Sie sind Künstler?!? So etwas kommt mir nicht ins Haus“, hatte der damalige Eigentümer seine Bedenken ebenso offen wie gnadenlos ausgesprochen. Zuvor war ein Schuhmacher und Schuhverkauf dort untergebracht. Der Wechsel zu einem Galeristen erschien dem Besitzer zu heftig.

Druckpresse im Atelier lockt noch heute Schüler aus Kunst-Leistungskursen an

Der passionierte Holzschneider Heinz Stein an der Druckpresse in seinem Atelier, das zur „Galerie Stein“ dazugehört.
Der passionierte Holzschneider Heinz Stein an der Druckpresse in seinem Atelier, das zur „Galerie Stein“ dazugehört. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Doch letztlich konnte nicht besagter Zweifler allein, sondern musste eine Erbengemeinschaft über die Nachfolgeregelung im Laden entscheiden. „Und die konnten wir dann überzeugen“, erzählt Irmgard Stein. Doch damit war es nicht getan: Ein Jahr nach dem Einzug kauften die Steins das ganze Haus. „Und in den ersten fünf Jahren danach haben wir ständig renoviert“, erzählt sie. Diese Investitionen waren zwar nicht leicht zu stemmen, doch haben sie sich ausgezahlt: Denn bis heute ist das schmucke Gründerzeit-Gebäude berufliches und privates Zuhause der Steins geblieben.

Dort ist auch der Sitz der „Edition Xylos“: Das ist der Verlag, den Irmgard Stein im August 1974 gegründet hat. Dessen Spezialgebiet sind Bände mit zeitgenössischer Lyrik, darunter auch von prominenten Autoren wie Günter Grass, Heinrich Böll, Ernesto Cardenal und Ernst Jünger. Jedes der Bücher ist durch anspruchsvolle Grafiken angereichert. Bevorzugt: natürlich Holzschnitt.

Mutter von drei Kindern

Irmgard Stein hat drei Kinder großgezogen, die heute alle in medizinischen Berufen tätig sind. Die Mutterrolle habe sie zwar sehr genossen. „Aber das allein genügte mir nicht. Ich hab mir gedacht: Das kann nicht alles gewesen sein.“ Also gründete sie den Verlag und eröffnete später die Galerie.

Ihren Mann Heinz, nach eigenem Bekunden ein „echter Ückendorfer Junge“, hat die in Wattenscheid aufgewachsene Irmgard Stein im Alter von 18 Jahren kennen gelernt. Heute, 67 Jahre später, leben sie immer noch gemeinsam in Ückendorf.

Wie diese Technik funktioniert, demonstriert Heinz Stein an der Druckpresse, die in seinem Atelier im Nachbarraum als Blickfang dient. Regelmäßig schauen Kunst-Leistungskurse der Gelsenkirchener Schulen hier vorbei, um einen Blick auf die Technik zu werfen. „Wenn die jungen Leute meine Maschine aus den 50er Jahren sehen, beginnt sofort das große Staunen“, sagt Heinz Stein und schmunzelt.

Am Freitag hoffen die Steins zwischen 13 und 17 Uhr auf den Besuch von Nachbarn, Kunden und Künstlern. Denn eines waren die Steins in den vergangenen 40 Galerie-Jahren auch stets: freundliche Gastgeber.