Gelsenkirchen. Ungewisse Zukunft, Herausforderungen bei der Berufswahl: Jugendliche haben teils diffuse Ängste. So bekommen sie an einem Berufskolleg Hilfe.

Wie schauen junge Menschen in die Zukunft, welche Vorstellungen haben sie, welche Träume und Wünsche? Bei einem Besuch des Infotages am Gelsenkirchener Berufskolleg Königstraße (BK) wird schnell klar, worauf es den Jugendlichen und jungen Erwachsenen beim Blick Richtung Zukunft ankommt – und worauf sie lieber verzichten würden. Unzählige Konflikte, Kriege und Krisen in der Welt, teilweise sind die Schülerinnen und Schüler selbst betroffen: „Da gibt‘s viele Unsicherheiten“, sagt Daniel Wolf, Lehrer am BK und Koordinator für berufliche Orientierung.

Jugendliche in Gelsenkirchen: Es gibt viele Unsicherheiten

Schüler mit Fluchterfahrung, mit teils traumatisierenden Erfahrungen im Gepäck, Familienmitglieder, die schlechte Erlebnisse nicht richtig verarbeiten konnten, auf der anderen Seite beispielsweise Geldsorgen: die Problemlagen der Schüler und ihrer Angehörigen sind vielschichtig. „Das ist oftmals ein unfassbares Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen“, schildert Daniel Wolf. Das habe „unheimlich zugenommen“, sagt er auch. Eine schnelle Lösung indes sieht Wolf nicht und verweist als Ansatz beispielsweise auf den „hohen Grad an individuellem Engagement“ des Lehrerkollegiums.

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Ein Punkt ist auch: Die Unsicherheiten der Schüler, ihre Erfahrungen, sie wirken sich auch aus auf ihre Berufswahl. Oftmals sei es sehr diffus, berichtet auch BK-Schulleiter Gorden Skorzik, Antworten zu finden, auf die Frage, was nach Schule eigentlich kommen könnte. Das Elternhaus ist häufig nicht in der Lage zu helfen bei der Orientierung: Bei neun von zehn Jugendlichen und jungen Erwachsenen sei der familiäre Hintergrund aus den unterschiedlichsten Gründen schlicht nicht gegeben, sagen Skorzik und Wolf.

Umso wichtiger ist es da, solche Formate wie den Infotag, bei dem sich auch zukünftige Arbeitgeber vorstellen, fortzuführen. „Wir können so digital sein wie wir wollen, die persönliche Beratung, ein Gesicht dazu, das ist ein unschlagbares Pfund“, hat Wolf die Erfahrung gemacht.

Volle Gänge beim Infotag am Berufskolleg Königstraße in Gelsenkirchen.
Volle Gänge beim Infotag am Berufskolleg Königstraße in Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Nisa Piri ist 16 Jahre alt, sie hat bereits klare Vorstellungen von dem, was einmal sein soll: Am BK Königstraße macht sie ihre Fachoberschulreife, sieht ihre berufliche Zukunft im sozialen Bereich, möchte Erzieherin werden. Ihr erforderliches Jahrespraktikum hat sie klargemacht, sie wird es beim Sozialwerk St. Georg absolvieren. Warum sie sich diesen Beruf ausgesucht hat? Nisa berichtet von ihrer drei Jahre älteren Schwester, die bereits eine praxisintegrierte Ausbildung – genannt PIA – zur Erzieherin macht, die sei ihr Vorbild. Auf die Probleme und etwaige Zukunftsängste angesprochen, sagt sie: „Klar, ich mache mir schon einen Kopf.“ Aber sie könne gut reden, mit der Familie, den Eltern und Freunden, das helfe ihr.

Die 21 Jahre alte Aya Bakar lebt seit 2018 in Deutschland, damals ist sie aus Syrien gekommen. Die junge Frau sieht ebenfalls ihren Weg klar vor sich: 2026 will sie am BK Königstraße ihr Abitur ablegen, danach ein Freiwilliges Soziales Jahr machen, dann Medizin studieren. „Ich möchte in Deutschland meinen Weg gehen“, wird die Gelsenkirchenerin deutlich. Auf die aktuellen Entwicklungen in ihrem Heimatland angesprochen, sagt sie: „Ich freue mich, aber gleichzeitig auch nicht.“ Teile ihrer Familie seien im Gefängnis – dieser Gedanke und die Angst, sie rühren Aya zu Tränen. Unser Interview brechen wir erst einmal ab.

„Da gibt‘s viele Unsicherheiten“: Daniel Wolf, Lehrer und Koordinator für berufliche Orientierung am Berufskolleg Königstraße in Gelsenkirchen, und Schülerin Katharina Tunjić.
„Da gibt‘s viele Unsicherheiten“: Daniel Wolf, Lehrer und Koordinator für berufliche Orientierung am Berufskolleg Königstraße in Gelsenkirchen, und Schülerin Katharina Tunjić. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

„Ich möchte entweder zur Polizei oder zum Zoll“, sagt Katharina Tunjic, als wir sie nach ihren Plänen fragen. Wie Aya Bakar wird auch sie 2026 Abitur am BK machen, wo es für sie hingehen soll, weiß auch sie schon jetzt. Ihr Favorit ist die Polizei, an ihrem Job reizt sie, dass es immer wieder neue Dinge und Situationen gibt, auf die sie sich wird einstellen müssen: „Da passiert jeden Tag was anderes“, sagt die 20-Jährige.

Mit Blick auf die kommenden Jahre räumt sie ein, dass sie sich schon viele Gedanken macht. „Ich hoffe, dass die, die das Sagen haben, das Richtige entscheiden“, so die Gelsenkirchenerin. Und sie habe die ganz persönliche Angst, dass es nichts wird, mit ihrer Berufswahl. Abschließend sagt sie: „Eigentlich geht‘s uns hier doch total gut – ich will gar nicht wissen, wie es Aya geht“, und schaut zu ihrer Freundin rüber.