Gelsenkirchen. Aufbewahrungsstätte Kita? Die umstrittene Verordnung zur Lockerung der Personalvorgaben ist in Kraft – Kitas in Gelsenkirchen sind zurückhaltend.
Besser nicht optimal betreuen als gar nicht betreuen? Diese Prämisse könnte man dem neuerlichen Vorstoß der nordrhein-westfälischen Familienministerin Josefine Paul unterstellen, der NRW-weit für massive Kritik und Verärgerung gesorgt hatte. Paul hatte bereits im November einen Entwurf vorgelegt, der vorsieht, dass in Kindertageseinrichtungen mit bis zu 60 Kindern bei akutem Personalnotstand nur noch eine Fachkraft (beispielsweise ein staatlich anerkannter Erzieher, Heilpädagoge oder Sozialpädagoge) zu jeder Zeit anwesend sein muss. Einfacher formuliert: Eine Erzieherin soll für die Betreuung von 60 Kindern reichen – Unterstützung soll sie allerdings von „Ergänzungskräften“ erhalten. Eltern liefen Sturm gegen die Pläne, schnell waren knapp 150.000 Unterschriften zusammengekommen. Seit dem 6. Dezember ist die neue Personalverordnung in Kraft getreten. Die WAZ hat bei den größten Kita-Trägern in Gelsenkirchen nachgefragt: Was halten Sie von den Plänen?
Gegen den Kita-Notstand: hochumstrittene neue Verordnung für Gelsenkirchens Träger keine Option
„Insbesondere der neue Paragraf 15 zum akuten Personalnotstand lässt in seiner geplanten Anwendung viele Fragen offen. Die Kindergartengemeinschaft wird aus pädagogischer und fachlicher Sicht keinen Gebrauch von dieser Option machen“, sagt beispielsweise Fabian Köhler, Geschäftsführer der Kindergartengemeinschaft der Evangelischen Kirche in Gelsenkirchen und Wattenscheid. Darüber hinaus handele es sich um „ein weiteres aufwendiges Antragsverfahren mit einer langen Vorlaufzeit“, so Köhler weiter.
Lesen Sie mehr zum Thema „Kitas in Gelsenkirchen“
- Schock-Nachricht: Das wird aus Gelsenkirchens Schrott-Kita
- Besorgniserregend: Hälfte der Kita-Kinder hat große Defizite
- „Gelsenkirchen geht großen Schritt, das Land muss folgen“
Nach einem kurzen Austausch sei man gemeinsam mit den Einrichtungsleitungen zu dem Ergebnis gekommen, dass die „aufgeführten Möglichkeiten für unsere Kindergartengemeinschaft nicht das richtige Format darstellen“, berichtet Fabian Köhler zudem. Grundsätzlich habe die Kindergartengemeinschaft nichts dagegen, auch ausgebildete Menschen mit anderen Abschlüssen als Fachkraft einzusetzen, jedoch betont Köhler, dass es langfristige Lösungen brauche: „Eine strukturelle Erhöhung des Fachkraftschlüssels, die Anpassung der Kindpauschalen zur Sicherung eines qualitativen pädagogischen Mindeststandards sowie eine neue überarbeitete Form der Fachkräftegewinnung und Ausbildung/Studium wäre aus unserer Sicht nötig, um langfristig dieser Problematik entgegenzutreten.“
Kita-Personalvorgaben: „Praktische Umsetzung ist völlig unklar“
Seitens des größten Kita-Trägers der Stadt, der Stadt-Tochter Gekita, heißt es: „Die praktische Umsetzung des in den Medien sehr präsenten Paragrafen 15 ,Akuter Personalstand‘ ist absolut unklar und lässt viele Spekulationen zu.“ Und weiter: Die zeitlich beschränkte Möglichkeit des Einsatzes von Ergänzungskräften auf Fachkraftstellen werde durch das Landesjugendamt geprüft. Die Frage aber bleibe, woher diese Kräfte kommen sollen und wie der Zeitraum von Ausfällen durch den Träger prognostiziert werden könne. Von Seiten des Landes sei mittlerweile eine konkrete Ansprechperson genannt worden, GeKita befinde sich derzeit in der Erstellung von Fragen zur möglichen praktischen Umsetzung.
„Die Flexibilisierung der Personalverordnung bringt sowohl Chancen als auch Herausforderungen für die Träger mit sich“, heißt es auf Nachfrage seitens des Kita-Zweckverbands im Bistum Essen, dem zweitgrößten Träger in der Stadt. Man sehe sich als große Träger mit diversen Möglichkeiten zur Fort-und Weiterbildung gut aufgestellt, um von den neuen Regelungen zu profitieren.
Ausbildung zum Erzieher darf nicht an Attraktivität und Wert verlieren
Allerdings: „Wir möchten betonen, dass die gelockerten Regelungen nicht zu unreflektierten Entscheidungen bei der Personalauswahl führen dürfen. Es bleibt unsere Verantwortung, genau zu prüfen, wen wir einstellen, um die Bildungsqualität sicherzustellen.“ Die Politik sei weiterhin in der Pflicht, Lösungen zu finden, „um die Anzahl der verfügbaren Fachkräfte zu erhöhen.“
Die Rückmeldungen der Gelsenkirchener Kita-Mitarbeitenden würden eine differenzierte Sichtweise auf die neue Personalverordnung zeigen, so die Sprecherin des Kita-Zweckverbandes, Lina Strafer. Auf der einen Seite stehen die, die begrüßen, durch die neuen Regelungen Unterstützung im Team erhalten und Personalengpässe abfedern zu können. „Andererseits äußern einige Fachkräfte Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Qualität der pädagogischen Arbeit“, so Lina Strafer weiter. Die Regelungen dürften außerdem nicht dazu führen, dass der Ausbildungsberuf Erzieher an Wert und Attraktivität verliere.