Gelsenkirchen-Scholven. Einzigartig in Gelsenkirchen: Ehepaar verwandelte einen Bunker in eine Wellness-Oase. Besonders Lungenkranke sollen von dem Angebot profitieren.
Ungeliebt, hinderlich, lästig: Über viele Jahre galten Hochbunker zumeist als steinerne Störfaktoren der Stadtentwicklung. Nun, in Zeiten internationaler Bedrohungen, werden sie händeringend gesucht. Elke und Dieter Seybusch aus Scholven sind da fein raus: Sie besitzen den Rundbunker an der Nienkampstraße. Allerdings nicht aus Angst vor Luftangriffen. Sie betreiben darin vielmehr eine Salzgrotte. Wo die Menschen einst Schutz suchten vor tödlichen Bomben, hat das Ehepaar eine Entspannungsoase geschaffen, von der der Inhaber sagt: „Sie hat mir zwölf Jahre Leben geschenkt.“
Das hohe Bauwerk mit dem Kegeldach, es ist schon von weitem zu sehen: Fast wie eine Landmarke ragt es an diesem Novembermorgen in den blau gefleckten Himmel Scholvens. Der Anstrich visualisiert einen sonnigen Tag am Meer - Leuchtturm, Sandstrand und altertümliche Kogge inklusive. Und (fast) genau das erwartet die Kundschaft: Eine 45-minütige Einheit in der Salzgrotte bei 17 bis 19 Grad Celsius Raum-Temperatur und einer Luftfeuchtigkeit von 50 bis 60 Prozent ähnele einem Tag an der Nordsee und sei eine echte Wohltat für Atemwegs-Erkrankte, so Dieter Seybusch.
Lungenkranker Gelsenkirchener wollte die Salzgrotte eigentlich nur für sich selbst nutzen
Der 80-Jährige sollte es wissen, leidet er doch selbst seit vielen Jahren unter einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), die die Atemwege verengt. Kurzatmigkeit, Luftnot, Probleme beim Ausatmen: Das kennt er nur zu gut, freilich (fast) nur noch von früher. Denn seitdem er regelmäßig die salzhaltige Luft im Bunker atmet, gehe es ihm so gut, dass er keinerlei bronchienerweiternde Inhalations-Sprays mehr verwenden müsse. Seybusch ist überzeugt: „Ohne die Salzgrotte wäre ich womöglich nicht mehr am Leben.“
Kennengelernt hatte der COPD-Patient das Konzept während einer Kur. „Danach fühlte ich mich fast wie ein neuer Mensch“, erinnert sich Seybusch. Damals arbeitete er noch als Kfz-Mechaniker-Meister in seiner eigenen Werkstatt im Bunker an der Nienkampstraße. „Den hatten wir 1968 gepachtet und 1996 schließlich gekauft“, so Elke Seybusch (77). Das Aha-Erlebnis in der Kur und die bevorstehende Rente veranlassten den Handwerker dann dazu, den Boden des Erdgeschosses für sich selbst mit (mehreren Tonnen) Kristallsalz aus dem Himalaya auszustatten, gleichsam als Investition in die eigene Gesundheit.
Kunden schätzen an Gelsenkirchener Salzgrotte den Gesundheits- und Auszeit-Effekt
„Durch meinen Job kannte ich aber Hinz und Kunz, und ruckzuck hatten wir Besucher hier, die genauso begeistert waren wie ich“, berichtet Seybusch und lächelt stolz. So entschloss er sich, seine Salzgrotte für die Öffentlichkeit zu öffnen. Er baute das Erdgeschoss mit Hilfe einer Architektin weiter aus und professionalisierte das Konzept. Nach einigen Überarbeitungen bietet das Paar nun auch Sole-Vernebelung, Salzbetten, eine Jadestein-Massageliege sowie eine Infrarot-Wärmekabine an.
In mehreren Bereichen können Besucherinnen und Besucher auf Liegen entspannen. Aus Lautsprechern klingt sanfte, sphärisch wirkende Instrumentalmusik, unter den Schuhen knirscht großkörniges Salz. Im Halbdunkel atmet Anna-Maria Bringlinghaus (41) aus Gladbeck tief ein und aus. Bis zum Kinn gewickelt in eine (selbst mitgebrachte) Decke, genießt sie die Ruhe. „Ich komme regelmäßig hierher, wenn ich Urlaub oder frei habe. Diese Auszeit hilft mir, freier zu atmen. Wenn ich nach Hause zurückkehre, bin ich viel gelassener.“
Gelsenkirchener Salzgrotte hat seit vielen Jahren etliche Stammkundinnen und -kunden
Erika Est (68) aus Hassel nickt. Sie hat einen Salzgrotten-Gutschein von ihren Kindern bekommen, „damit ich mehr zur Ruhe komme“, erzählt sie und lacht. „Tatsächlich funktioniert es. Ich fühle mich entspannter.“
Ein paar Meter weiter dösen die Stammgäste Margaret und Alfons Dromia aus Gladbeck im Solevernebelungs-Raum. Die Luft wirkt diesig, so fein verteilt das Gerät die salzhaltigen Wassertröpfen in der Luft. „Ich bin lungenkrank, da tut mir die wöchentliche Einheit in der Solevernebelung einfach gut“, berichtet der 85-Jährige und nimmt die Schläuche aus der Nase, die ihn sonst rund um die Uhr über ein transportables Gerät mit Sauerstoff versorgen. Seit 2011 verschaffe der Besuch in der Salzgrotte ihm spürbare Erleichterung.
Jadestein-Massage in Gelsenkirchener Salzgrotte soll bei Rückenproblemen helfen
Unterdessen ist die Jadestein-Massageliege in einem anderen Raum noch verwaist. „Sie wird besonders von Personen mit Rückenschmerzen geschätzt. Denn unterhalb der Liegefläche befindet sich ein Schlitten mit Jadesteinen, der dreimal vom Nacken bis zum Steißbein fährt, bevor er zwei Minuten lang in einer Akupressur-Position verharrt“, erzählt Elke Seybusch. „So werden Rücken und Muskulatur gedehnt, und die Nerven haben mehr Platz im Spinalkanal.“
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Direkt gegenüber befindet sich ein „Salzbett“. Die erwärmten rötlich schimmernden Salzkörner übertragen eine wohlige Temperatur auf den Körper und sollen so besonders bei Rücken- und Gelenkproblemen helfen. Für Entspannung soll unterdessen eine auf 60 Grad Celsius aufgeheizte Infrarot-Wärmekabine sorgen.
Gelsenkirchener Betreiber-Ehepaar denkt noch nicht ans Aufhören
Während die Kundinnen und Kunden ihre Badetücher und Wolldecken einpacken, wartet im Vorraum schon die nächste entspannungshungrige Schicht. Die vier Seniorinnen und Senioren dort kennen und duzen sich gut gelaunt. „Unseren Platz haben die Seybuschs reserviert, ohne dass wir anrufen müssen. Wir melden uns nur, wenn wir nicht kommen“, sagt Mechthild Andersen (75) aus Horst, und Karin Aykan lacht. Die Gladbeckerin (48) leitet einen (kostenpflichtigen) Kurs für Progressive Muskelentspannung in der Salzgrotte. Klangmeditation und Klang-Yoga von anderen Anbieterinnen runden das Angebot ab. Wenn es nach den Seybuschs geht, soll das auch - Rentenalter hin oder her - so bleiben. „Wir wollen doch noch ein paar Jahre weitermachen mit unserer Salzgrotte“, so die 77-Jährige.
Anmeldungen dafür sowie Buchungen der 45-Minuten-Einheiten (Einzelkarte: 12,50 bis 15 Euro) nehmen die Seybuschs telefonisch (0209 370043) oder online über die Homepage (www.bunkersalzgrotte.de) entgegen.
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