Gelsenkirchen. Sie wird die „bisexuelle Lehrerin von TikTok“ genannt: Ronja Jelena Filiz ist Englisch-Lehrerin und Social-Media-Star. Wie das zusammengeht.
Gebürtige Gelsenkirchenerin, Englisch-Lehrerin, TikTok-Star mit einer Riesen-Reichweite: Ronja Jelena Filiz ist eine Influencerin, eine Einflussreiche, im wahrsten Sinne. Ihre Videos schauen sich auf der Social-Media-Plattform Hunderttausende an, fast 368.000 folgen ihr dort, insgesamt hat die 29-Jährige schon über 56,7 Millionen Likes bekommen. In dieser Welt ist das eine echte Größe. Was der 29-Jährigen aber gleichsam wichtig ist: Sie kann in ihrem Traumjob arbeiten. Welche Bedeutung sie für (ihre) Schülerinnen und Schüler hat, dafür reicht ein Blick in die Kommentare unter ihren TikToks.
Schulthemen, Queerness, LGBTQ: Gelsenkirchener Lehrerin ist beliebt auf TikTok
Wir treffen Ronja Jelena Filiz an einem ersten Oktober-Nachmittag mitten in Gelsenkirchen. Sie hat in Resse und Erle gelebt, ist in Buer aufs Leibniz gegangen, hat dort ihr Abitur abgelegt. Wenn man sie auf diese Stadt anspricht, sagt sie: „Ach, Gelsenkirchen!“, und auch, dass sie sich immer wohlgefühlt habe, gerne hier aufgewachsen ist. „Hier gibt es so viele Lebensrealitäten, das ist hier halt normal.“
Mit ihren Videos trifft die junge Lehrerin, die kurz vor ihrem Referendariat steht und aktuell an einem Gymnasium unterrichtet, einen Nerv – oder vielmehr, mit den Themen, die sie anspricht und mit denen sie auch gerne mal polarisiert. Die meisten Menschen würden – und das sehr regelmäßig – wegen des Schul-Contents auf Ronjas Profil vorbeischauen, weiß die Englisch- und Pädagogiklehrerin. Es sind aber auch noch andere Punkte, die ihr am Herzen liegen: „Queerness, LGBTQ“, sagt Ronja, und erzählt, dass sie gerne auch mal die „bisexuelle Lehrerin von TikTok“ genannt werde. Auch auf private Inhalte wolle sie nicht verzichten: „Es ist einfacher, wenn die Leute einen kennenlernen.“ Dass sie ein Bild von dem bekommen, „wie ich bin“. Ronja Jelena Filiz will nahbar sein, das trifft es wohl ganz gut. Witzig ist sie übrigens auch.
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Dass sie etwas bewegen kann, mit ihren Auftritten, weiß sie: Ihr sei sehr bewusst, dass TikTok ein Kanal ist, wo sie die Schülerinnen und Schüler eben noch einmal ganz anders erreichen könne. Mithilfe der Videoplattform sei sie so viel näher an deren Lebensrealität – TikTok gilt weltweit als die am schnellsten wachsende Social-Media-Plattform, die vor allem bei jungen Menschen sehr beliebt ist. Sicher: „Ich kritisiere ganz viel, aber versuche auch, die andere Seite zu zeigen.“ Heißt: Ronja Jelena Filiz möchte auch ein anderes Bild von Lehrkräften vermitteln.
TikTokerin fordert: Es bräuchte viel mehr Lehrkräfte, viel mehr multiprofessionelle Teams
Braucht es ihrer Meinung nach denn eine Veränderung des Schulsystems? Ronja Jelena Filiz antwortet mit einem deutlichen „Ja!“. Teilweise befinde sich das System noch auf dem Stand von Anfang der 20. Jahrhunderts, auch sei beispielsweise die Digitalisierung in ihren Augen „durchgeballert worden, ohne Rücksicht auf Verluste.“ Und: „Es bräuchte viel mehr Lehrkräfte, viel mehr multiprofessionelle Teams“, um individueller auf die Kinder eingehen zu können. Die Lehrpläne wiederum würden zu viel Druck erzeugen und wenig Raum für Exkurs lassen.
Pro Jahr veröffentlicht die 29-Jährige nach ihren Schätzungen 300 bis 350 Videos, ihr steiler TikTok-Aufstieg nahm seinen Anfang 2020 während des ersten Corona-Lockdowns. Sie postete damals noch nicht einmal schulische Inhalte, irgendwann erst kam sie auf die Idee, Nachhilfe-Content zu produzieren. Ihr erstes virales Video hatte sie bereits im August 2020 – mit 250.000 Aufrufen. Mittlerweile hat Ronja Jelena Filiz sogar eine Managerin.
„Wütend, dass Menschen so mit anderen umgehen“
„Richtig negatives Feedback habe ich noch nie bekommen“, berichtet Ronja über die Erfahrungen, die sie innerhalb ihres Kollegenkreises gemacht habe. Allerdings: Natürlich begegnen der Influencerin auch „ganz viel Diskriminierung und Anfeindungen.“ Vor allem eben in den Kommentaren ihrer Videos. Irgendwann habe sie aufgehört, diese Kommentare zu lesen. „Ich konnte mir das nicht mehr antun.“ Was da teilweise über sie ausgekübelt wurde, habe sie „am Anfang viel persönlicher genommen.“ Mittlerweile geht‘s. Und doch: „Das macht mich so wütend und traurig, dass Menschen so mit anderen umgehen.“
Auf TikTok sei es nicht so schlimm mit Hass und Hetze wie bei Instagram. Dort ist Ronja Jelena Filiz auch unterwegs, hat über 90.000 Follower. Worauf führt sie das zurück? Instagram würden mehr Ältere und mehr Männer nutzen, sie hat bei ihrem Profil beobachtet: „90 Prozent der Hass-Kommentare sind von Männern.“
Dass sie einmal Lehrerin werden wird, sei ihr schon mit zwölf Jahren klar gewesen. Schon immer habe es ihr Spaß gemacht, etwas zu erklären, Kindern etwas beizubringen. Als Jugendliche gibt Ronja Jelena Filiz Nachhilfe, Reitunterricht, merkt dabei schnell, dass ihr die „Arbeit mit Kindern total liegt.“ Sie genießt, die Fortschritte bei ihren Schülern zu sehen, dass das, was sie sagt, auch Einfluss auf die Entwicklung habe.
Und auch wenn Ronja für viele gerade durch ihre Darstellung in den sozialen Medien wirkt, wie die Freundin von nebenan, stellt sie klar: „Respekt ist mir unfassbar wichtig.“ Und auch eine gewisse Form von Disziplin – wenn ein Schüler nicht aufhört, zu stören, schickt sie ihn auch mal vor die Tür. „Meine Hauptintention ist, dass die Menschen sich gesehen fühlen.“ Das wünscht sie sich auch von ihren Schülern: Dass sie sie mehr als Person wahrnehmen, nicht als übergeordnete Lehrkraft. Und: „Sympathie hilft beim Lernen.“