Gelsenkirchen-Bismarck. Vor 450 Jahren entstand der Altar der Bleckkirche. Er ist Zeugnis der Reformation und birgt viele Symbole. Vor allem muss er restauriert werden.

Er steht im Wortsinne ständig im Blickpunkt in der kleinen, fast unscheinbaren Backsteinkirche, diesem wohl ältesten protestantischen Glaubensort in Gelsenkirchen. Und er war jüngst auch wieder Anziehungspunkt am „Tag des offenen Denkmals“ in Gelsenkirchen: Der Renaissance-Altar in der Bleckkirche entstand vor 450 Jahren, die Kirche aber wurde erst 1735 an dieser Stelle gebaut, wo zu der Zeit die „kleine Emscher“ floss und die Bauern der damaligen Braubauerschaft, die längst noch nicht „Bismarck“ hieß, ihr Vieh weiden ließen. Der unbekannte Schöpfer dieses sakralen Kunstwerks meißelte die Geisteshaltung seiner Zeit, Modeströmungen und Religiosität gleichermaßen aus dem „Baumberger Sandstein“. Und hinterließ der Nachwelt einige Rätsel.

„Stein des Anstoßes“ für katholischen Schlossherren

Sicher ist, dass der Stifter des dreiteiligen Altars, Heinrich von Knipping, ihn für die Kapelle im Schloss Grimberg in Auftrag gab. Und anzunehmen ist auch, dass er sich in der Darstellung des letzten Abendmahls Christi gleich selbst mit an den Tisch setzen ließ. Dafür spricht die Ähnlichkeit seines Konterfeis auf seiner Grabpatte. Das Wasserschloss Haus Grimberg stand auf der heutigen Stadtgrenze zu Herne, wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, die Reste wurden erst 1964 abgetragen. Die Kapelle allerdings wurde 1908 abgetragen und in Herten an neuem Standort wieder aufgebaut.

Erinnerung an die Reformation: Beim „Konzert der 95 Thesen“ im „Lutherjahr“ 2017 in der Bleckkirche in Gelsenkirchen stellte André Wülfing den Reformator dar.
Erinnerung an die Reformation: Beim „Konzert der 95 Thesen“ im „Lutherjahr“ 2017 in der Bleckkirche in Gelsenkirchen stellte André Wülfing den Reformator dar. © FUNKE Foto Services | Thomas Schmidtke

Den Altar stiftete der Schlossherr, der 1550 zum Protestantismus konvertierte, mit Blick auf seine Heirat mit Sybilla von Nesselrode zu Stein und Herten. Er hatte mit der Kapelle und dem Altar gleichzeitig auch einen Gottesdienststandort für die wachsende Zahl der Protestanten möglich gemacht, allerdings damit auch wahrlich einen „Stein des Anstoßes“ geschaffen. Denn in der Erbfolge verbat sich ein dann wiederum katholischer Adliger im 17. Jahrhundert, dass in seinen Mauern Protestanten ihre Gottesdienste abhielten.

Biblische Einsetzungsworte in niederdeutscher Sprache

So ergab sich nach langem Streit die Gelegenheit zur Schlichtung und die Verfügung des preußischen Königs zum Bau der Bleckkirche, zunächst äußerst schlicht und zweischiffig im romanischen Stil. In die wurde der Altar versetzt, als weitere Ergänzungen und Anbauten erfolgten. Nötig machte das die rasant steigende Einwohnerzahl im Zuge der Industrialisierung, die ebenso wachsende evangelische Gemeinde nahm dann in der Moderne die Christuskirche am nahen Trinenkamp auf.

Als „Kulturkirche“ machte sich die Bleckkirche einen Namen, hier beim letzten Konzert der Jubiläumsstaffel von  „Klangkosmos Weltmusik NRW“.
Als „Kulturkirche“ machte sich die Bleckkirche einen Namen, hier beim letzten Konzert der Jubiläumsstaffel von „Klangkosmos Weltmusik NRW“. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Zum Zeitzeugen wird der Grimberger Altar durch die niederdeutsche Schrift im unteren Teil, die die Einsetzungsworte für das Abendmahl aus dem Neuen Testament wiedergibt. Sie ist bewusst nicht in lateinischer Schrift verfasst, um auch das einfache Volk des 16. Jahrhunderts einzubeziehen. Denn auch, wer die Worte nicht lesen konnte, vermochte sie zu verstehen.

Nutzung könnte den Erhalt der Kirche sichern

Die bildliche Darstellung des letzten Abendmahls verrät ebenso viel über das Gedankengut der Zeit, wie die Andeutungen vieldeutig sind und damit rätselhaft bleiben. Die Gesellschaft sitzt an einem üppig gedeckten Tisch zum „Westfälischen Abendmahl“, womöglich mit Spanferkel- oder Lammkeule. Präsentiert wird zeitgenössisch moderne Kleidung. Die Figur des Judas hält einen Geldbeutel, auf seiner Schulter sitzt ein Drache oder Teufel, dessen Zunge ins Ohr des Verräters und wieder heraus durch den Mund dringt. Auf das Johannes-Evangelium als Bezug verweist ein Krug im Vordergrund, damit auch Hinweis auf die Fußwaschung, die nur bei Johannes auftaucht.

Thomas Schöps nannte zum Ende seiner Tätigkeit als Pfarrer und Organisator der Kulturarbeit in der Bleckkirche eine mögliche Schließung „eine Katastrophe“.
Thomas Schöps nannte zum Ende seiner Tätigkeit als Pfarrer und Organisator der Kulturarbeit in der Bleckkirche eine mögliche Schließung „eine Katastrophe“. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Eben dieser Krug allerdings ist auch ein Zeichen dafür, dass der Zahn der Zeit deutlich an dem Grimberger Altar nagt. Die Deckschicht ist angegriffen und teils abgeplatzt, erste Untersuchungen an der Substanz sind an der Seite durch Klebeschildchen dokumentiert. Bei einer Führung unterstrich unlängst Dr. Werner Hoffmann, kinderpädagogischer Führer und Historiker, dass eine Restaurierung dieses „herausragenden Denkmals an diesem wohl ältesten protestantischen Glaubensort in Gelsenkirchen“ dringend notwendig sei.

Es sei eine grundsätzliche Frage, wohin die Reise gehe. Zur langfristigen Unterhaltung und Erhaltung des denkmalgeschützten Gebäudes sei eine Nutzung der Bleckkirche mit einer Öffnung zwei- oder dreimal in der Woche Thema erster Gespräche, äußerte er vorsichtig.