Gelsenkirchen. Beim Thema Flucht und Migration wird die Stadt Gelsenkirchen ganz besonders deutlich. Denn man hält weitere Entlastung für zwingend erforderlich.

Kaum ein Satz im Entwurf für den Gelsenkirchener Haushalt 2025 ist deutlicher, kaum einer ist appellativer. Für die insgesamt 48,1 Millionen Euro, für die Versorgung, Unterbringung und Integration von Geflüchteten und Migranten aus Südosteuropa, auf denen die Stadt nach aktuellem Stand sitzen bleibt, sei „zwingend eine übergeordnete Refinanzierung sicherzustellen“, heißt es da auf Seite 40 des fast 1000-seitigen langen Machwerks. Und in der Originalfassung ist das zwingend sogar unterstrichen.

Keine Frage: Die Stadt Gelsenkirchen wird auch in Zukunft nicht müde werden, mehr finanzielle Unterstützung für das Migrationsmanagement einzufordern. Der Blick auf die Details zeigt, bei welchen Aufgaben Gelsenkirchen besonders alleine gelassen wird.

Flucht und Migration: Stadt Gelsenkirchen muss großen Teil der Kosten selbst tragen

Insgesamt fallen im nächsten Jahr in Gelsenkirchen im Bereich „Flüchtlinge und Zuwanderung“ voraussichtlich beinahe 100 Millionen Euro an. Das sind etwa 6,5 Prozent des städtischen Gesamthaushalts. Der Großteil dieser Kosten, es ist über 60 Prozent, entfällt dabei auf Leistungen, die man als Existenzsicherung für Geflüchtete und Migranten zusammenfassen kann. Der Status der Menschen entscheidet darüber, ob es sich um Bürgergeld (für Ukrainer, Rumänen, Bulgaren und anerkannte Flüchtlinge) oder um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (Geflüchtete im Asylverfahren und Geduldete) handelt.

61 Millionen Euro kosten diese Leistungen. Erstattet bekommt die Stadt davon knapp 33 Millionen Euro, also etwas mehr als die Hälfte. Den Rest muss sie selbst tragen. Noch viel gewaltiger ist der Eigenanteil bei den Integrationskosten: 21,2 Millionen Euro werden für die Integration voraussichtlich im kommenden Jahr anfallen, aber nur knapp 7,5 Millionen Euro stehen hier auf der Ertragsseite. Das ergibt einen Betrag von rund 13,7 Millionen Euro, den die Stadt irgendwie selbst schultern muss.

Keinen einzigen Cent gibt es von Bund oder Land für die „Hilfen zur Erziehung“, die einige Migranten- und Flüchtlingsfamilien benötigen – immerhin 1,6 Millionen Euro teuer. Alles, was die Stadt als „Verwaltungsaufwand“ klassifiziert (5,3 Mio.), ist ebenfalls aus der eigenen Tasche zu bezahlen. So ergeben sich unterm Strich die anfangs erwähnten 48,1 Millionen Euro, die den dicken Eigenanteil der Stadt Gelsenkirchen im Bereich Flüchtlinge und Zuwanderung darstellen.

Migration aus Südosteuropa: Keine weitere Unterstützung für Gelsenkirchen in Aussicht

Die Kosten schlagen auch insofern mehr durch, weil die Stadt bestimmte Beiträge nicht mehr isolieren darf. Als sogenannte „Bilanzierungshilfe“ durfte sie Kosten, die im Rahmen des Ukraine-Krieges entstanden waren, 2023 noch abseits des normalen Haushaltes aufführen. Dazu gehörte auch die Unterbringung und Versorgung von ukrainischen Kriegsflüchtlingen. Dieses „Vor-die-Klammer-Ziehen“, wie es Stadtkämmerer Luidger Wolterhoff gerne nennt, darf die Stadt nicht länger praktizieren. Obendrein muss sie aber auch noch spätestens 2026 anfangen, die einmalig isolierten krisenbedingten Kosten jährlich zurückzuzahlen. Das könnte bis 2076 dauern.

Fast elf Prozent der Gesamtbevölkerung

Zum Stichtag 17. Juni 2024 waren nach Angaben der Stadt 12.227 Personen aus Südosteuropa in Gelsenkirchen gemeldet, 7613 stammen aus Rumänien und 4614 aus Bulgarien. Daraus ergibt sich ein Anteil von 4,49 Prozent dieser Menschen an der Gesamtbevölkerung Gelsenkirchens.

„Die Fluktuation innerhalb der Personengruppe ist nach wie vor hoch“, betont die Stadt. Allein von 2021 bis Juli 2024 gab es 8766 Zuzüge und 7652 Wegzüge. „Begonnene Integrationsprozesse sind daher immer wieder neu zu initiieren.“

Hinzukommen etwa 16.840 Schutzsuchende (offener, positiver oder negativer Asylantrag; Stichtag 31. Dezember 2023, Ausländerzentralregister). Zählt man diese Gruppe der „Geflüchteten“ und der Migranten aus Südosteuropa zusammen, dann liegt ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bei etwa 10,9 Prozent.

Immerhin gibt es aber auch einen positiven Ausblick: Unter dem Kapitel „Chancen“ im Haushaltsplan führt die Stadt auf, dass ja eine Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes und zur Unterstützung der Kommunen und Kreise bei der Flüchtlingsbetreuung ansteht. Entlastungen, die sich dadurch ergeben, sollen rückwirkend zum 1. Januar 2024 eintreten, wie die Stadt festhält. Unrealistisch scheint jedoch, dass der Stadt in irgendeiner Form mehr unter die Arme gegriffen wird, wenn es um die Zuwanderung aus Südosteuropa geht – ganz im Gegenteil: Zuletzt wurde sogar bekannt, dass Förderprogramme für den Bereich Ende 2024 ausfallen sollen.

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