Gelsenkirchen. Der Intendant geht von Bord: Michael Schulz verlässt 2025 das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier und wechselt nach Saarbrücken.

Die Spielzeit 2024/25 am Gelsenkirchener Musiktheater im Revier beginnt mit einem Paukenschlag, der heftigst nachhallen wird: Generalintendant Michael Schulz (57) verlässt im kommenden Jahr das Haus nach dann 17-jähriger Amtszeit und wechselt dann in gleicher Funktion an das Saarländische Staatstheater mit Sitz in Saarbrücken - obwohl sein Vertrag in Gelsenkirchen eigentlich noch eine Laufzeit bis 2028 hatte.

Nachricht vom Intendantenwechsel schlug im MiR ein wie eine Bombe

„Es erfüllt mich mit Stolz und großer Freude, zukünftig das Saarländische Staatstheater leiten und meine Vorstellung eines Mehrspartentheaters im 21. Jahrhundert mit dem Team in Saarbrücken umzusetzen zu dürfen“, sagte Schulz bei seiner Vorstellung am Freitagnachmittag im Saarland. Er freue sich „auf intensive und spannende Jahre prallen Theaters und viele interessante Gespräche und Begegnungen“.

Michael Schulz (r.) repräsentierte das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier auch nach außen.
Michael Schulz (r.) repräsentierte das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier auch nach außen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Die Nachricht war im MiR eingeschlagen wie eine Bombe. Sie traf am Freitag fast alle Mitarbeitenden wie ein Schlag in die Magengrube, denn mit dieser beruflichen Veränderung ihres langjährigen und geschätzten Vorgesetzten hatte wohl kaum einer der rund 320 MiR-Beschäftigten gerechnet. So steht Schulz nun eine einjährige Abschiedstour bevor, denn sein Wechsel in den Südwesten der Republik soll mit Beginn der Spielzeit 2025/26 erfolgen. Alle geplanten Projekte für das aktuelle Produktionsjahr in Gelsenkirchen will und wird er umsetzen. Ein Grund für seinen Wechsel könnte sein, dass am Saarländischen Staatstheater auch die Sparte Schauspiel vertreten ist. Etwas, dass das MiR nicht zu bieten hat.

Nach Stationen in Kassel, Essen und Weimar wurde Schulz MiR-Intendant

Ein Blick auf die berufliche Vita von Schulz zeigt, dass er nach seinem in Braunschweig absolvierten Abitur ein Regie-Studium (Musiktheater) an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg/ Universität Hamburg absolviert hatte. Es folgten Stationen als Spielleiter und Regieassistent am Staatstheater Kassel, als Oberspielleiter am Aalto Musiktheater in Essen sowie als Operndirektor am Deutschen Nationaltheater in Weimar.

Seit 2008 ist das Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen-Schalke die berufliche Heimat des Generalintendanten Michael Schulz.
Seit 2008 ist das Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen-Schalke die berufliche Heimat des Generalintendanten Michael Schulz. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

2008 übernahm er dann die Generalintendanz am MiR. Als Gastregisseur arbeitete er in den vergangenen Jahren auch an der Komischen Oper Berlin oder der Semperoper Dresden. Ins Ruhrgebiet bestanden auch familiäre Bande: Sein Großvater stammte aus Essen und war Bergbauingenieur. Schulz galt intern als Mann mit Durchsetzungskraft. In einem früheren Interview mit der WAZ antwortete er auf die Frage nach seinem Führungsstil: „Ich versuche, alle Menschen in diesem Haus wahrzunehmen. Aber natürlich muss man auch Entscheidungen treffen, die nicht jedem gefallen. Ich fälle gerne Entscheidungen und zu denen stehe ich auch.“

Michael Schulz setzte sich gegen 36 weitere Bewerber durch

Wie aus Saarbrücken zu hören war, setzte sich Schulz im Auswahlverfahren gegen 36 weitere Bewerberinnen und Bewerber durch. Er habe die Findungskommission im persönlichen Vorstellungsgespräch überzeugt. Auch im Nachgang habe sich dieser Eindruck in weiteren intensiven Gesprächen verfestigt, teilte das Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes mit. Schulz folgt in Saarbrücken auf den langjährigen Intendanten Bodo Busse, der seinerseits zur Spielzeit 2025/26 nach Hannover wechseln wird.

Über die Nachfolge am MiR wird ebenfalls eine Auswahlkommission entscheiden müssen. Wann diese zusammenkommt und wer ihr angehört, steht so kurz nach Bekanntwerden des Wechsels natürlich noch nicht fest. „Das ist gewiss keine leichte Aufgabe, aber gemeinsam mit den erfahrenen Akteuren im Aufsichtsrat werden wir eine gute Lösung finden“, erklärte Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge am Freitag. „Wer auch immer die Intendanz übernehmen wird, darf sich auf das schönste Opernhaus im Revier freuen, das Jahr für Jahr über 120.000 Besucherinnen und Besucher zählt“, so Welge. Mit Schulz, der auch regelmäßig die Regie bei MiR-Inszenierungen übernahm, verliere die Stadt einen Garanten für den Erfolg des Hauses.

Vermutlich wird es als Nachfolge zunächst eine Interimslösung geben

Wie die WAZ aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, wird wohl zunächst eine Interimslösung für die Spielzeit 2025/26 angestrebt, weil eine Neuverpflichtung mit Langzeitperspektive so kurzfristig gar nicht zur Verfügung stehen würde. Aber natürlich könne sich eine Interimslösung immer auch für ein festes Engagement empfehlen.

Schulz gilt in der Kulturszene und der Stadtgesellschaft als meinungsstarker Kopf, der mit seinem gesamten Team stets den festen Willen gezeigt hat, sich auch in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen zu positionieren und nach außen klar Flagge zu zeigen. Als Beispiel sei das aktuelle Banner genannt, das an der Gebäudefront des MiR prangt und die Botschaften aussendet: „Kein Hass. Kein Antisemitismus. Kein Rassismus. Gemeinsam für alle!“ Zudem gilt er als Taktik-Fuchs. So glückte Schulz das Kunststück, die Oper „Innocence“ als Deutsche Erstaufführung nach Gelsenkirchen zu holen. Damit beginnt die Spielzeit 2024/25 am MiR. Es ist erst die weltweit zweite Inszenierung dieses viel beachteten Werks.

Das MiR ist für jüngere Leute mit frischen Ideen sehr interessant

Klaus Hermandung, lange Zeit Aufsichtsratsvorsitzender des MiR, hatte in der Findungskommission damals Schulz als Intendanten vorgeschlagen: „Es ist bedauerlich, dass er uns vorzeitig verlässt. Ich hatte mit der Vertragsverlängerung gehofft, dass er uns noch bis 2028 erhalten bleibt.“ Um das Finden einer Nachfolge ist ihm nicht bange, denn das MiR biete „hervorragende Voraussetzungen und ist gerade für jüngere Leute mit frischen Ideen außerordentlich interessant“.