Gelsenkirchen. Das RS-Virus ist für Säuglinge äußerst gefährlich. Nach neuen Empfehlungen der Stiko: So ist der Stand bei der Vorbeugung in Gelsenkirchen.
Was Kinderärzte lange gefordert haben, hat die Ständige Impfkommission (Stiko), die den Kompass für Impfregeln in Deutschland liefert, nun ausdrücklich gefordert. Auch Säuglinge ohne besonderes Risiko sollten demnach schon als Neugeborene gegen das gefährliche RS-Virus geschützt werden. Im vergangenen Jahr hatte eine starke Erkrankungswelle mit schweren Verläufen vor allem bei sehr kleinen Kindern die Kinderkliniken an den Rand ihrer Kapazitäten gebracht. Soweit ist es aktuell aber noch nicht, versichert Dr. Marcus Lutz, Chefarzt der Klinik für Kinderheilkunde und Klinik für Neonatologie (Frühgeborenenmedizin) am Marienhospital Gelsenkirchen.
Bisher gab es Prophylaxe nur für Säuglinge mit besonderen Risiken
„Es gibt bereits vereinzelte Fälle von RS-Infektionen, aber bisher waren keine invasiven Maßnahmen wie Beatmung bei den Erkrankten notwendig, Sauerstoffgabe genügte“, erklärt Lutz für sein Haus. Für die frühzeitige Vorbeugung durch eine Medikamentengabe - laut Stiko am besten im Rahmen der U2-Untersuchung, drei bis zehn Tage nach der Geburt - spricht er sich grundsätzlich dennoch aus.
„Aber bisher bekommen Kliniken diese Medikamentengabe - eine Impfung ist es ja eigentlich nicht - noch nicht vergütet. Je Dosis fallen allein für das Medikament über 300 Euro an, plus Aufwand für die Beratung“, erklärt der Mediziner. Bei 2000 Geburten im Jahr, eine in seinem Haus durchaus normale Größenordnung, ist das ein erheblicher Personalfaktor für die Klinik und Kostenfaktor für die noch selbst zahlenden Familien.
Bei Säuglingen mit Risikofaktoren wie einer Frühgeburt wird der frühzeitige Schutz vor der schweren Atemwegsinfektion mit dem RS-Virus (Respiratorisches Synzytial-Virus) bereits seit Jahren praktiziert. In der Masse wird das schwieriger. Allerdings muss das neu eingeführte Medikament - Nirsevimab mit monoklonalen Antikörpern - nur noch einmal verabreicht werden. Der Vorgänger erforderte sechs Gaben.
Kostenübernahme und die gesamte Logistik sind noch nicht geklärt
Das Problem in den Augen des Mediziners ist, dass seit der Stiko-Empfehlung noch kein logistischer Rahmen für die Umsetzung von der Politik beschlossen wurde. Die Kassen kündigen eine Kostenübernahme bestenfalls ab Herbst an, bis dahin müsste die Gabe individuell bezahlt werden. Viele Kinderärzte mahnen jedoch, vor Saisonstart für Schutz zu sorgen, um schwere Verläufe und eine Überlastung von Praxen in der Wintersaison zu verhindern.
Corona ist auch bei Kindern wieder weit verbreitet
In den Kinderarztpraxen in Gelsenkirchen spielen aktuell RS-Viren noch keine nennenswerte Rolle, Corona allerdings ist wieder recht weit verbreitet. „Die Hälfte der Luftwegsinfekte, die wir aktuell beobachten, ist Corona, die andere Hälfte sind einfache Erkältungsviren“, versichert Kinderäztin Dr. Katharina Walter.
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Indes geht auf Verbandsebene das Ringen um eine Vergütung dieser „Impfung“ für Säuglinge weiter. Der Gemeinsame Gesundheitsausschuss sieht sich nicht zuständig, verweist auf die Möglichkeit einer Rechtsverordnung, die die Finanzierung regeln könne. Allerdings drängt dafür die Zeit. Sowohl Kliniken als auch Praxen müssten den Impfstoff rechtzeitig vorhalten und damit vorfinanzieren, wenn vor Saisonstart geimpft werden soll, abgesehen vom personellen Zusatzaufwand in Praxen. Und auch wenn es aktuell noch kaum Infektionen gibt: In weniger als drei Monaten beginnt die Hauptsaison für Erkältungen.