Gelsenkirchen. Auffällige Zahlen: Während sich die Zahl der Langzeitleistungsbezieher positiv entwickelt, kommt Gelsenkirchen woanders einfach nicht vom Fleck.

Dass die Arbeitslosigkeit in Gelsenkirchen ein besonders großes Problem ist, ist keine Neuigkeit. Aber sich all die für den Arbeitsmarkt relevanten Quoten anzusehen, bei denen die Stadt die rote Laterne hält, veranlasst immer wieder, tief zu schlucken:

  • Bundesweit liegt Gelsenkirchen auf dem allerletzten Platz, was die Quote der Leistungsempfänger unter 15 Jahren angeht. Sie beträgt 37,2 Prozent, das sind rund 15.560 Menschen.
  • Bundesweit hat Gelsenkirchen außerdem die höchste SGB-II-Quote. Gemeint ist damit der Anteil der Bürgergeld-Empfänger an dem Teil der Stadtbevölkerung, der sich nicht im Rentenalter befindet. Die Quote liegt in Gelsenkirchen bei 24,5 Prozent, das sind knapp 51.000 Menschen.
  • Auch was die Bildungslage angeht, ist Gelsenkirchen bundesweit der Negativrekord-Halter. Mit einer Quote von 23,8 Prozent (rund 5920 Personen) hat Gelsenkirchen den bundesweit geringsten Anteil aller Arbeitssuchenden, die einen Berufsabschluss oder eine akademische Ausbildung vorweisen können.
  • Gelsenkirchen ist außerdem die Stadt mit der bundesweit achtniedrigsten Beschäftigungsquote. Sie liegt bei knapp 53 Prozent (89.920 Personen). Besonders niedrig ist auch die Beschäftigungsquote von Frauen in Gelsenkirchen, sie liegt bei 47 Prozent, das ist bundesweit der viertniedrigste Wert (38.980 Frauen).
  • In Gelsenkirchen erhalten zudem sehr viele Leistungsbezieher schon sehr lange Unterstützung. Im Bundesvergleich liegt Gelsenkirchen auf Platz vier, was den Anteil der Menschen angeht, die als Langzeitleistungsbezieher gelten (68,4 Prozent aller Leistungsbezieher, knapp 24.480 Menschen).

Genau bei diesen Langzeitleistungsbeziehern vermeldete Jobcenter-Chefin Anke Schürmann-Rupp zuletzt aber zumindest einen positiven Trend. Seit 2019 schrumpft der Kreis der Betroffenen zusehends (siehe Grafik).

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„Das finden wir natürlich total super“, sagte sie in einer gemeinsamen Sitzung des Sozial- und Wirtschaftsausschusses. „Die Erklärung dazu ist nicht nur, dass wir natürlich gute Arbeit leisten, sondern dass im Januar 2019 das Teilhabechancengesetz in Kraft getreten ist.“ So wurde in Deutschland fest eingeführt, dass Arbeitgeber für mehrere Jahre die Lohnkosten vom Staat zurückbekommen können, wenn sie mit Menschen einen Arbeitsvertrag schließen, die lange ohne Job gewesen sind. Für dieses Förderinstrument hatte insbesondere ein breites Bündnis in der Emscherstadt mit dem „Gelsenkirchener Appell“ geworben.

Langzeitarbeitslose in Gelsenkirchen: Nach Corona nicht mehr vollständig erholt

Doch Vorsicht: Die Langzeitleistungsbezieher sind nicht mit den Langzeitarbeitslosen zu verwechseln! Nur etwa jeder vierte Langzeit-Bürgergeldempfänger ist auch langzeitarbeitslos. Langzeitleistungsbezieher können beispielsweise erwerbstätig und dabei auf aufstockende Bürgergeld-Leistungen angewiesen sein, weil sie zu wenig verdienen. Andere sind nicht als arbeitslos registriert, weil sie dem Arbeitsmarkt, etwa wegen einer Krankheit oder aufgrund der Versorgung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen, nicht zur Verfügung stehen.

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Bei den Langzeitarbeitslosen, also denjenigen, die zwölf Monate und länger ohne Job sind, sieht der Trend wesentlich düsterer aus. Von der Spitze aus der Hochphase der Corona-Zeit (Ende 2020 bis Mitte 2022) hat man sich nicht mehr so ganz erholt. „In dieser Zeit konnten wir natürlich kaum Maßnahmen durchführen aufgrund der Infektionsgefahr und der Bestimmungen des Landes“, sagte Schürmann-Rupp. Danach habe man versucht „sich zu berappeln“, aber einen „großen Tanker“ mit 650 Mitarbeitern und über 50.000 Kunden wie das Jobcenter GE wieder anfahren zu lassen, habe nun einmal „eine Zeit gebraucht.“

Jobcenter-Chefin: „Es gibt Kunden, die bekommen wir nicht mehr an den Schreibtisch“

„Dass wir uns noch nicht ganz erholt haben, liegt aber auch daran, dass die Maßnahmen teurer geworden sind“, sagte Schürmann-Rupp. Im Ergebnis hätte man dadurch auch weniger Integrationsmaßnahmen durchführen können. „Hinzukommt aber auch, – und das gehört zur Wahrheit dazu – dass das Bürgergeld die Sanktionen zwar nicht abgeschafft, aber deutlich minimiert hat.“

Zwar ist theoretisch weiterhin eine Leistungsminderung von 30 Prozent wie früher möglich, aber: „Wir haben kaum die Möglichkeit, Leistungsminderung auszugeben.“ Es sei zwar nicht so gewesen, dass das Jobcenter Gelsenkirchen zu Hartz-IV-Zeiten eine „Sanktionsmaschine“ gewesen sei. „Aber wir brauchen ganz dringend dieses Instrument“, betonte die Geschäftsführerin. Durch die Reform seien aber „unglaublich viele Hürden“ aufgebaut worden, um eine Leistungsminderung einzuleiten. Zudem seien Rechtsfolgebelehrungen abgeschafft worden.

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„Deswegen“, zog Schürmann-Rupp ein ernüchterndes Résumé, „gibt es Kunden, die wir nicht mehr an den Schreibtisch bekommen und demzufolge auch nicht mehr in die Angebote.“ Ob die Nachsteuerung der Ampel-Regierung bei der Sanktionierung von sogenannten „Totalverweigerern“ daran etwas ändern könnte? Auch hier sind die Hürden hoch. In einer WAZ-Anfrage im Januar 2024 ging das Jobcenter noch von weniger als 150 Menschen aus, bei denen die härteste Sanktion durch vorübergehende komplette Streichung der Leistungen überhaupt infrage kommen könnte.