Gelsenkirchen. AfD und CDU legen in Gelsenkirchen bei der Europawahl ordentlich zu, SPD und Grüne verlieren massiv. Ein Kommentar über die möglichen Gründe.

Ein politisches Erdbeben zieht sich durch Gelsenkirchen. Dass die AfD hier stärker ist als in den meisten westdeutschen Kommunen, ist zwar seit Jahren bekannt. Und doch ist dieses Wahlergebnis eine Zäsur. Nicht nur, weil die AfD mehr Stimmenanteile in Gelsenkirchen bekommen hat als je zuvor, dieses Wahlergebnis ist eine Ohrfeige für das Mitte-links-Lager in der Stadt, die noch lange schmerzen dürfte.

Ganz egal, wie man persönlich zu der Rechtsaußen-Partei steht, noch deutlicher können die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener kaum ausdrücken, wie unzufrieden sie mit den etablierten Parteien sind. Jetzt so zu tun, als hätte das Wahlergebnis nichts mit lokalen Gegebenheiten zu tun und zu verklären, dass globale, kontinentale, nationale Einflüsse ausschlaggebend gewesen sein könnten, wäre nichts weiter als ein törichter Selbstbetrug!

Heftige Klatsche für SPD und Grüne in Gelsenkirchen

Die massive Integrationsunzufriedenheit, die Angst vor der Überfremdung, die Furcht vor dem Verlust der eigenen Kultur und die latent gefühlte Sorge, die eigene Lebensweise sei in Gefahr, sind die Gründe für das weitere Erstarken der AfD in Gelsenkirchen. Das zu verkennen, käme einem politischen Selbstmord der anderen Parteien gleich. Dabei scheint es mehr als jeden fünften Wähler in der Stadt nicht zu interessieren, ob und welche Lösungen die AfD für ihre Probleme bereithält, ob Spitzenkandidaten Dreck am Stecken haben, die Partei ein Hort für Rassisten ist, die selbst die europäische Rechte nicht mehr in ihrer Fraktion haben will.

Ein Kommentar von Sinan Sat, Redaktionsleiter der WAZ Gelsenkirchen.
Ein Kommentar von Sinan Sat, Redaktionsleiter der WAZ Gelsenkirchen. © funkegrafik nrw | Selina Sielaff

Dass die AfD in Gelsenkirchen trotz alldem nahezu auf Augenhöhe mit der SPD und der CDU ist, beweist, wie wenig ein beachtlicher Teil der Stadtbevölkerung den älteren Parteien zutraut, Gelsenkirchens Probleme in Europa lösen zu können.

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Und eben deshalb ist die Freude bei den Christdemokraten über das für ihre Verhältnisse starke Ergebnis in Gelsenkirchen (23,47 Prozent) eben auch nur eine gedämpfte. Die ewige SPD-Vorherrschaft in der Emscherstadt ist zwar Geschichte, sich den Platz an der Sonne neben der SPD (21,55 Prozent) noch mit der AfD (21,66 Prozent) teilen zu müssen, ist für die CDU letztlich aber auch nur ein halber Wahlerfolg. Und so wird in der vergleichsweisen linken Gelsenkirchener CDU heute Nacht kaum jemand nur glücklich gewesen sein.

Ein Alptraum gar wurde der Wahlabend für SPD und Grüne in Gelsenkirchen. Beide Parteien mussten im Vergleich zu den Wahlen der vergangenen fünf Jahre ordentlich Federn lassen, wobei insbesondere die Sozialdemokraten verglichen mit der Bundestagswahl (2021) und der Landtagswahl (2022) massiv abgestürzt ist. Das Zittern vor der OB-Wahl im kommenden Jahr hat für die SPD begonnen.

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