Gelsenkirchen. Wo das Grundwasser in Gelsenkirchen hoch steht, wo es Entwarnung gibt. Wann die Stadt aktiv wird - und wann nicht. Das ist der Stand.

Das Hochwasser der letzten Wochen in Bayern und Baden-Württemberg, es ist weit weg. Vollgelaufene Keller kennt aber freilich auch Gelsenkirchen. Dass es dafür nicht zwingend Starkregen braucht, erleben Anwohnerinnen und Anwohner allerdings auch immer wieder: Die Emscherstadt kämpft in etlichen Quartieren mit erhöhtem Grundwasser, das von unten ins Haus drückt, teils gar über die Wände in höher gelegene Räume zieht. Der Friedhof Horst-Süd etwa soll deswegen geschlossen werden. Welche Stadtteile darüber hinaus besonders gefährdet sind, was Betroffene tun können: Fachleute von Gelsenkanal und der Unteren Wasserbehörde geben auf Nachfrage der Redaktion hilfreiche Tipps.

Dass die Bürgerinnen und Bürger in bestimmten Ortsteilen besonders häufig zum „Wassertreten“, vor allem aber zum Abpumpen und Trockenlegen gezwungen sind, kommt nicht von ungefähr: „Unsere Region zwischen Emscher und Lippe ist sehr flach. Sie war ursprünglich in weiten Teilen eine feuchte Niederung mit erhöhten Grundwasserständen“, erläutert Tobias Unterbäumer von der Abwassergesellschaft Gelsenkirchen mbH (AGG Gelsenkanal). Konkret: Teile des heutigen Horsts und des Emscherbruchs verwandelte „Die kleine Schwatte“, wie die Emscher später wegen ihres Abwassers genannt wurde, in einen Sumpf bzw. in eine weit verzweigte Flusslandschaft.

Hohes Grundwasser gab‘s in Gelsenkirchen bereits in Mittelalter und früher Neuzeit

Was die Bevölkerung schon vor Jahrhunderten umtrieb, verschärfte sich im 19./20. Jahrhundert noch durch Bergsenkungen. Heute ist mit weiteren Senkungen zwar nicht mehr zu rechnen, der Abstand zwischen Grundwasser und Oberfläche bleibt also konstant, so Gelsenkanal. Das Grundwasser aber, es ist in weiten Teilen Gelsenkirchens noch immer erhöht.

Welche Quartiere in Gelsenkirchen von dem Problem betroffen sind, veranschaulicht eine Karte zum Grundwasserflurabstand, die online einsehbar ist (www.gdi.gelsenkirchen.de): Deren Datenbasis stammt, was die konkreten (errechneten) Werte angeht, zwar von 2017; einen Überblick über die besonders gefährdeten Gebiete verschafft die Visualisierung aber sehr wohl, zumal sie sich mit einer Karte von März 2023 deckt, die der Redaktion vorliegt.

Die Gelsenkirchener Stadtteile Horst und Erle sind besonders stark von hohem Grundwasser betroffen

Gelsenkirchen hat mit hohem Grundwasser zu kämpfen. Die blau schraffierten Bereiche auf der Karte zeigen besonders gefährdete Bereiche, in denen das Wasser weniger als einen Meter unterhalb der Geländeoberkante steht. In den rot markierten   Quartieren ist der Abstand deutlich größer: mehr als 15, teils gar 20 Meter.
Gelsenkirchen hat mit hohem Grundwasser zu kämpfen. Die blau schraffierten Bereiche auf der Karte zeigen besonders gefährdete Bereiche, in denen das Wasser weniger als einen Meter unterhalb der Geländeoberkante steht. In den rot markierten Quartieren ist der Abstand deutlich größer: mehr als 15, teils gar 20 Meter. © Stadt Gelsenkirchen

Als Schwerpunkt-Flächen fallen sofort die Stadtteile Horst und Erle ins Auge. Dort kann das Grundwasser immer mal wieder weniger als 50 Zentimeter unterhalb der Geländeoberkante stehen. Die Horster Bereiche rund um die Straßen Auf dem Schollbruch, Essener, Industrie-, Schmalhorst-, Marken-, Post- und Strundenstraße sind dunkelblau gefärbt und damit besonders betroffen.

Aber auch in den anderen Stadtteilen steht das Grundwasser recht hoch: In Beckhausen etwa ist es der Bereich rund um den Hahnenbach, nahe den Straßen Blindschlag und Querschlag. Auch weiter östlich zwischen Bergstraße und Hugobahntrasse sowie Ekhof- und Rabenstraße ist die Gefahr für nasse Keller erhöht.

Wo im Gelsenkirchener Süden ein erhöhtes Grundwasser-Niveau zu erwarten ist

Tobias Unterbäumer (Gelsenkanal) und Matthias Gersdorf (Untere Wasserbehörde, v.l.) - hier auf einem Foto von 2023 mit Jürgen Schlöhlein (r.) von der Evangelischen Lukas-Kirchengemeinde in Gelsenkirchen-Hassel - machen Mut: Haus-Eigentümer sind zu hohem Grundwasser nicht schutzlos ausgeliefert.
Tobias Unterbäumer (Gelsenkanal) und Matthias Gersdorf (Untere Wasserbehörde, v.l.) - hier auf einem Foto von 2023 mit Jürgen Schlöhlein (r.) von der Evangelischen Lukas-Kirchengemeinde in Gelsenkirchen-Hassel - machen Mut: Haus-Eigentümer sind zu hohem Grundwasser nicht schutzlos ausgeliefert. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

In Erle auffällig ist die Willy-Brandt-Allee zwischen dem Gewerbepark Emscherstraße West und der Surkampstraße, aber auch die Cranger Straße zwischen Hei- und Tilsiter Straße. In Resse bzw. in der Resser Mark fallen die Bereiche um Am Knabenbach, Im Emscherbruch, Münsterstraße und Kleiweg ins Auge, in Bismarck die Kneebusch- und Grimbergstraße, in Schalke der Bereich zwischen Caubstraße und Schalker Bahnhof sowie (teils) die Grillostraße, in Heßler das Areal rund um die Straße Fersenbruch.

In Bulmke-Hüllen ist es das Quartier zwischen Wanner und Brüsseler Straße, in Ückendorf die Fläche zwischen Alma- und Hohenfriedberger Straße, in der ein erhöhtes Grundwasser-Niveau zu erwarten ist.

Teile von Gelsenkirchen-Buer „auf dem Berg“ haben die wenigsten Grundwasser-Probleme

Nördlich der A2 jedoch finden sich auf der Karte vergleichsweise wenige dunkelblau schraffierte Flächen, große Teile von Buer „auf dem Berg“ sind gar in roter Farbe unterlegt - ein Zeichen für einen Abstand von rund 20 Metern zwischen Grundwasser und Geländeoberkante. Nur wenige Quartiere fallen auf: die Bereiche um Schloss Berge, Sportanlage Lohmühle (beides Buer), Schievenstraße (Erle), Gallwie-, Lange Straße und Vierhöfeweg (Resse). Problematisch können auch die Dillbrink- und Polsumer Straße (Buer-Bergmannsglück) werden.

Schließlich sind es noch einige Gebiete hoch oben im Norden, die immer mal wieder mit „nassen Füßen“ zu rechnen haben: rund um Buerelterstraße und Fünfhäuserweg, die Fläche zwischen Ulfkotter und Oberscholvener Straße (Scholven) sowie der Bereich nördlich Auf der Kämpe und rund um die Lütthinghofallee (Hassel).

Gelsenkirchener Experten empfehlen Bauherren, vor Baubeginn ein Gutachten anfertigen zu lassen

Gemessen wird die Grundwasserhöhe an mehreren hundert Stellen im gesamten Stadtgebiet durch verschiedene Institutionen: Sowohl das Land als auch die Stadt, aber auch die Emschergenossenschaft und Gelsenkanal sammeln teils täglich Daten - händisch oder auch automatisch über ein Lot, das in einen Schacht hinabgelassen wird und bei Wasserkontakt ein Signal abgibt.

„Es geht etwa darum, öffentliche Neubauprojekte entsprechend zu planen oder bei einem Gewässerumbau die Auswirkungen auf das Grundwasser-Niveau einschätzen zu können. Sollte solch ein Eingriff eine schädliche Grundwasserhöhe nach sich ziehen, prüft die Stadt, ob Dränagen oder Spundwände zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger nötig sind“, so Unterbäumer weiter. Die Kosten übernimmt dann die Stadt.

Die Sanierung undichter Kanäle in Gelsenkirchen kann das Grundwasser-Problem mitunter verschärfen

Auch im Fall von Undichtigkeiten bei städtischen Kanälen wird die AGG aktiv - was das Grundwasser-Problem mitunter verschärfen kann. „Wenn Kanäle abgedichtet werden, geht deren Dränagewirkung verloren. Das Grundwasser kann steigen und Keller vernässen“, so Unterbäumer. Je nach Einzelfall kann eine zentrale Grundwasserregulierung helfen, das Grundwasser auf unkritischem Niveau zu halten. In rund 15 Straßen im gesamten Stadtgebiet sei dies bislang erfolgt.

„Dann verlegen wir eine zentrale Dränage in der Mitte des Straßenraums und leiten das saubere Grundwasser direkt in ein Gewässer. Ist dies nicht möglich, wird es vorübergehend ans Mischwassernetz angeschlossen. Die Kosten werden über die Entwässerungsgebühren refinanziert.“ Manchmal reiche diese Maßnahme allerdings nicht aus, dann seien Privat-Initiativen der Hausherren nötig.

Wann die Stadt Gelsenkirchen eingreift - und wann private Eigentümer gefragt sind

Bei nichtöffentlichen Neubauvorhaben ist es Sache des privaten Bauherrn, sein Hab und Gut vor Gefahren durch zu hohes Grundwasser zu schützen, sagt Gersdorf: „Es empfiehlt sich vorher, ein Ingenieurbüro mit einem hydrogeologischen Gutachten zu beauftragen und analysieren zu lassen, wie hoch das Grundwasser steigen kann. Je nach Ergebnis sollte man sich überlegen, ob ein Keller wirklich zwingend nötig ist - oder ob man in eine sogenannte ,weiße Wanne‘ investiert“, bei der Außen- und Betonplatte in wasserundurchlässigem Beton ausgeführt sind.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Gelsenkirchen verpassen? Dann können Sie hier unseren kostenlosen Newsletter abonnieren +++ 

Bei Altbauten ist das natürlich kaum mehr umsetzbar, aber selbst dann gibt es noch Möglichkeiten: „Auch für Bestandsbauten lohnt sich ein Baugutachten um zu prüfen, ob eine abdichtende Beschichtung von außen oder innen sinnvoll ist oder ob eine Dränage rund ums Haus helfen kann“, die dann für eine Reduzierung des Wasserdrucks sorgt, so Gersdorf weiter. „Gelsenkanal bietet auch eine kostenlose Beratung über Gefahren durch Rückstau, Starkregen und Grundwasser an. Beim Ortstermin können dann auch Schutzmaßnahmen erörtert werden.“

In welchen Fällen Rückstausicherung und Pumpensumpf helfen

Eine Rückstausicherung bzw. ein Pumpensumpf helfen zwar nicht bei eindringendem Grundwasser, dennoch empfehlen die Fachleute eine der zwei Varianten, um sich bei Starkregen vor Wasser zu schützen, das durch die Kanalisation eindringen kann. Und: „Man sollte die Nutzung seiner Kellerräume überdenken oder einige Vorsichtsmaßnahmen treffen“, betont Unterbäumer. Elektrische Geräte wie Waschmaschinen, Trockner oder Computer sollten erhöht aufgestellt werden. „Wichtige Dokumente sollte man nicht unbedingt im Keller lagern.“

Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder abonnieren Sie uns kostenlos auf Whatsapp und besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

Und wenn der Keller doch nass ist, weil das Grundwasser drückt? „Alle Geräte dort sofort vom Stromnetz nehmen und, wenn das Wasser höher steht, die Räume nicht mehr betreten; gegebenenfalls die Feuerwehr rufen.“ Bei geringerem Wasserstand, rät Gersdorf, könnten die Hauseigentümer die Flüssigkeit auch per Pumpe selbst nach draußen befördern.

Gelsenkanal-Beratung und -Info: Telefon 0209 169-6318, Mail: beratung@gelsenkanal.de