Essen-Leithe. Ein lauter Knall weckte die Bewohner der vom Abriss bedrohten Siedlung Litterode: Ein Bagger brannte. Polizei geht derzeit von Brandstiftung aus.
Ein lauter Knall weckte die Bewohner in der Litterode gegen Mitternacht: Ein Bagger brannte in der Nacht zu Freitag (21. Februar) in der Siedlung, die derzeit abgerissen wird. Deswegen stehen dort Baufahrzeuge, Container und Absperrungen. Die Menschen reagierten geschockt. Die Polizei geht derzeit von Brandstiftung aus. Die Bewohner richten einen Hilferuf an Essens Oberbürgermeister.
Polizei Essen wartet noch ein Gutachten nach Brand in der Essener Siedlung Litterode
Nur wenige Minuten nach Mitternacht ging der Alarm bei der Feuerwehr ein, die mit mehreren Löschfahrzeugen ausrückte. Da der Bagger auf einem freien Grundstück steht, auf dem die Gebäude bereits abgerissen worden sind, bestand keine Gefahr, dass das Feuer auf Häuser übergreifen konnte. Die Einsatzkräfte löschten den Brand, der Einsatz dauerte etwa eine halbe Stunde. Für die Feuerwehr sei es wegen der Umstände laut Feuerwehrsprecher Nico Blum keine große Herausforderung gewesen.
Auch Kräfte der Kriminalwache waren bei dem aktuellen Einsatz um Mitternacht in der Siedlung. Sie hätten inzwischen an die Brandermittler übergeben, sagt Polizeisprecher Hendrik Heyer zum Vorgehen. Derzeit gehe die Polizei von Brandstiftung aus, also davon, dass jemand den Bagger mit Absicht angesteckt habe. Gänzlich ausschließen könne man einen technischen Defekt aber noch nicht. Ein Gutachten werde in den kommenden Tagen folgen, sagt Heyer.
Noch leben 32 Menschen in der vom Abriss bedrohten Essener Siedlung Litterode
Noch steht in der Siedlung der Bagger voller Löschschaum, die Menschen sind in großer Sorge. Sie haben nun auch Angst, dass der Brand auch ihren schlechten Ruf befeuert, sagt Hevres Becker, die sich wie alle anderen in der Litterode von Stadt und Politik verraten und alleingelassen fühlt, seitdem ihre Heimat wegen Neubauplänen bedroht ist. Wie Menschen zweiter Klasse würden sie bereits behandelt, so nannte es mal ein Nachbar. Manche Mieter sind derweil ausgezogen, 32 sind geblieben. Einzelpersonen, Familien, Freunde.
„Wir, die Bewohner und Bewohnerinnen der Litterode distanzieren uns von den aktuellen Ereignissen auf der Baustelle der Litterode. Solche Beschädigungen sind kriminell. Wir verurteilen sie auf das Schärfste“, haben sie nun aus aktuellem Anlass formuliert. Der Vorfall verdeutliche leider, wie vertrackt die Situation und die aufgeladene Stimmung zum Thema Litterode mittlerweile sei und wie das über die Grenzen der Siedlung hinaus Wellen schlage.
„Wir müssen feststellen, dass das Dauer-Ignorieren, ausbleibende Reaktionen, die fehlende Moderation und Vermittlung und das seit Monaten währende rücksichtslose „Weiter-wie-bisher“ eine Wut, Verzweiflung und ein Unverständnis in der Bevölkerung zu schüren scheinen“, formulieren sie weiter und betonen, dass das lediglich eine Feststellung sei.

Sie alle fürchten ohnehin um ihr Zuhause, halten die Kündigungen bereits seit vergangenem Jahr in Händen und kämpfen genauso lange mit Besuchen beim Oberbürgermeister, Plakaten in ihrer Siedlung und Diskussionsveranstaltungen unermüdlich um den Erhalt ihrer Litterode, der ehemaligen Obdachlosensiedlung, die bereits in den 1980er Jahren dem Erdboden gleich gemacht werden sollte. Damals waren es die Väter und Großväter der heutigen Bewohner, die die Häuser sanierten und die Siedlung samt ihrer langen Geschichte retteten.

Der Allbau hat die Siedlung von der Stadt gekauft und möchte sozial geförderten Wohnraum errichten, zieht dafür die Häuser leer, um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen, lautet das Argument. Die Siedlung zu sanieren, sei unwirtschaftlich, ist ein weiteres. Abgerissen wurden daher bereits die frühere Kita sowie Bauten, die seit vielen Jahren schon unbewohnt waren. Während seinerzeit die Wohnungen nicht weitervermietet wurden, wenn jemand starb oder in ein Pflegeheim umzog, haben die heutigen Mieter keine Zeit mehr und fürchten sogar Räumungsklagen.
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Der Allbau wiederum betont, Hilfe bei Wohnungssuche und Umzügen angeboten zu haben. Für Auszüge bot er mitunter eine Einmalzahlung von 5000 Euro an. So seien die Menschen, die in den vergangenen Monaten umgezogen sind, größtenteils Mieter des Allbau geblieben, sagt Allbau-Sprecher Dieter Remy. Aus sechs Litterode-Mietverträgen seien weitere Allbau-Mietverträge hervorgegangen.

Die übrigen Bewohner haben zuletzt mit Hilfe von Architekten und Fachleuten wie Professor Tim Rieniets, Experte für Stadt- und Raumentwicklung, einen offenen wie verzweifelten Brief an Oberbürgermeister Thomas Kufen geschrieben. Sie haben das Stadtoberhaupt aufgefordert, den Abriss zu stoppen und gleichzeitig alternative Baupläne vorgelegt, die mehr Wohnraum schaffen würden. Zudem würden die derzeit noch bewohnten Häuser erhalten bleiben und saniert werden können, erklärte Tim Rieniets.
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Während Hunderte den Brief unterschrieben und sich mehr als 30 Professoren und Professorinnen aus ganz Deutschland der Forderung anschlossen, bleibt eine Antwort des Oberbürgermeisters auf Nachfrage der Redaktion bislang aus.
Appell der Mieter aus Essen-Leithe an Oberbürgermeister
Zurück bleiben die Litteroder in ihrer Siedlung mit dem zerstörten Bagger und fragen sich, wer diesen angesteckt haben könnte, sagt Hevres Becker. Es ist eine weitere Sorge, die seit dieser Nacht in ihren Alltag eingezogen ist. „Wir wissen nicht, wer es war“, fügt sie hinzu und fürchtet, dass dieser Vorfall ein schlechtes Licht auf sie alle werfen könnte.
„Wir fordern die zuständige Essener Politik, an erster Stelle den Oberbürgermeister: Moderieren Sie endlich den Prozess zur Litterode. Schauen Sie nicht einfach tatenlos zu. Begleiten und führen Sie den Dialog mit den betroffenen Bewohner und Bewohnerinnen und dem städtischen Allbau“, richtet sich ihr Hilferuf ein weiteres Mal an Thomas Kufen. „Nehmen Sie ihre Verantwortung an, damit wir als Bewohner und Bewohnerinnen der Siedlung während der Arbeiten des Allbaus unser Mietrecht in Sicherheit weiter wahrnehmen können und eine Lösung für alle Parteien in dieser vertrackten Situation gefunden werden kann“, lautet ihre Hoffnung.
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