Essen-Altenessen. Das „Team Demokratie“ wirbt im Essener Norden fürs Wählen. In Gesprächen falle auf: Viele Menschen seien unsicher und hätten falsche Vorstellungen.

Drei großformatige Wahlplakate sowie zahlreiche kleinere Aushänge an Geschäften, Praxen und Kiosken werben im Essener Norden, wenige Tage vor der Bundestagswahl, nicht für eine Partei, sondern „für alle Parteien des demokratischen Spektrums“. So formulieren es die Mitglieder der Initiative, die sich Anfang des Jahres im Essener Stadtbezirk 5 zusammengeschlossen haben.

Das „Team Demokratie“ ist angetreten, um die Wahlbeteiligung im Essener Norden zu erhöhen und dadurch „Prozente zugunsten der demokratischen Parteien zu verschieben“. Ihr Slogan: „Wir im Essener Norden. Für Respekt und Demokratie. Wir gehen wählen! Und du?“

Essener „Team Demokratie“: Fast täglich Anfragen zur Banneraktion

Viel Energie haben die etwa 20 Hauptakteure in den vergangenen Wochen und Monaten in die Vorbereitung und Durchführung gesteckt, haben zu öffentlichen Fototerminen aufgerufen, haben ein Banner mit ihrem Slogan an Schulen und Institutionen ausgeliehen, haben das Gespräch mit Menschen vor Ort gesucht. Die Resonanz sei „insgesamt sehr positiv“, bilanziert Gründungsmitglied Marita Kemper, die sich auch bei „Augenblick mal Altenessen“ engagiert: Das Netzwerk der Unterstützer und Unterstützerinnen wachse weiter, fast täglich gebe es Anfragen von Menschen, die sich beteiligen wollten. Die Banneraktion ziehe weite Kreise und sei mittlerweile auch in anderen Stadtteilen, etwa in Werden und Steele, aufgegriffen worden.

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Ob ihre Aktivitäten am Ende etwas an der Stimmenverteilung ändern, wird das Team Demokratie nicht erfahren, doch was die Resonanz ganz sicher zeige, so Marita Kemper: „Demokratie und Wählen ist in verschiedenen Institutionen und Gruppen zum Thema gemacht worden.“ So beispielsweise in der Oberstufe und im Lehrerkollegium der Gesamtschule Nord, in verschiedenen Gruppen des interkulturellen Zentrums Kreuzer, bei der Bürgerinitiative gegen den wilden Automarkt (Bigwam) und den Moscheegemeinden, in einer Wohngruppe der Jugend- und Familienhilfe Essen, im Team der Zeche Carl und am Leibniz-Gymnasium.

„Schule ist ein Ort der Demokratieerziehung. “

Martin Tenhaven
Schulleiter des Leibniz-Gymnasiums

Für Martin Tenhaven, Schulleiter des Leibniz-Gymnasiums, ist Schule „ein Ort der Demokratieerziehung“. Der Aufruf, wählen zu gehen, sei daher für ihn und die Schule selbstverständlich, sagt er. „Diesen Aufruf hier im Essener Norden als Leibniz-Gymnasium zu unterstützen, ist für uns darüber hinaus aber eine Herzensangelegenheit!“

Schüler*innen und Lehrer*innen des Leibniz-Gymnasiums Altenessen“.
Auch Schüler und Schülerinnen sowie Lehrkräfte des Leibniz-Gymnasiums Altenessen machten ein Foto mit dem Banner. © Leibniz-Gymnasium | Leibniz-Gymnasium

Mitglieder der Essener Initiative hängen Plakate in Geschäften und Praxen auf

Auch Yvonne Skodszinski, Leiterin der Wohngruppe Palmbuschweg der evangelischen Jugend- und Familienhilfe Essen, und ihrem Team ist es ein Anliegen, für Demokratie zu werben. Die Frauen betonen, dass man die Mittel, die zur Verfügung stehen, nutzen müsse, um sich aktiv einzubringen und sie wollen „andere Menschen ermutigen, das auch zu tun.“ Die Multikulturalität des Essener Nordens betrachten sie als „Bereicherung für unsere Gesellschaft“. In der aktuellen Lage sei es allerdings wichtiger denn je, „unsere Demokratie zu schützen und zu erhalten. Resignation darf keine Option sein.“

„Resignation darf keine Option sein.“

Yvonne Skodszinski
 Leiterin der Wohngruppe Palmbuschweg der evangelischen Jugend- und Familienhilfe Essen

Dass viele Menschen im Essener Norden das anders sehen, ist bekannt. Bei der Verteilung der Plakate in Geschäften, Praxen und Kiosken seien sie daher vom großen Zuspruch überrascht gewesen, sagt Marita Kemper: Etwa 80 Prozent hätten sofort zugestimmt, das Plakat aufzuhängen, der Rest habe Skepsis geäußert oder sich erst mit Vorgesetzten abstimmen wollen. „Nur von wenigen kam direkt eine klare Absage.“

Altenessener will Zeichen für friedliches Zusammenleben setzen

Aktion für Respekt im Franz Sales Haus
Beschäftigte und Team des Franz-Sales-Hauses bekamen für ihr Foto eine eigene Version des Banners. © Franz Sales Haus | Franz Sales Haus

Bernadette Frequin war in den vergangenen Tagen mit Burak Yilmaz von der Kommission Islam und Moscheen in Essen e.V. unterwegs. Beide engagieren sich im Team Demokratie. Für Yilmaz ist es „selbstverständlich“, sich für die Demokratie einzusetzen, sagt er. „So habe ich es von klein auf gelernt.“ Er ist in Altenessen aufgewachsen und geblieben, sieht den Stadtteil als seine Heimat: „Meine Kindheit, meine Jugend, und hoffentlich auch der Rest meines Lebens wird sich hier abspielen.“

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Er möchte mit seinem Engagement auch „die Teilhabe von Menschen mit Einwanderungsgeschichte und muslimisch gelesenen Menschen in Essen“ stärken und sicherstellen, „dass ihre Stimmen in politischen und gesellschaftlichen Prozessen gehört werden“. Gerade junge Menschen und die Gemeindemitglieder wolle man als Moscheegemeinde ermutigen, sich gesellschaftlich und politisch einzubringen. „Gleichzeitig wollen wir ein starkes Zeichen für die Demokratie und unser friedliches Zusammenleben setzen.“

„Wir wollen die Teilhabe von Menschen mit Einwanderungsgeschichte stärken.“

Burak Yilmaz
Kommission Islam und Moscheen in Essen e.V.

Ihre Rolle als überparteiliches Bündnis führe dazu, dass viele Leute offen über ihre Ängste und Sorgen sprächen, berichtet Bernadette Frequin. Der Tenor, bei vielen: „Wir wissen gar nicht mehr, wen wir wählen sollen.“ Also habe man sich darüber ausgetauscht, was sich die Menschen wünschen, was ihnen wichtig ist, und wie sie sich informieren können. „Wir haben gemerkt, dass viele gar nicht wissen, was das AfD-Programm bedeutet.“

Ihnen seien allerdings auch immer wieder Menschen begegnet, die von den Forderungen der AfD zwar unmittelbar betroffen wären, die selbst aber gar nicht wählen dürfen, sagt Marita Kemper: Geflüchtete aus der Ukraine etwa, oder Syrer mit laufendem Einbürgerungsantrag.

Egal, wie die Bundestagswahl am Ende ausgeht: Dass sie weitermachen wollen, stehe bereits fest, sagt Achim Gerhard-Kemper. Schon allein wegen der Kommunalwahl im Herbst. Wie die Arbeit in den nächsten Monaten konkret aussehen soll, sei noch zu klären. Im Fokus stehe aber weiterhin die „Demokratiestärkung im Stadtteil“ mithilfe unterschiedlicher Formate. Allerdings würden weitere Mitstreiter und Mitstreiterinnen gebraucht, die sich im bislang 20-köpfigen Kernteam engagieren wollen.

Mittlerweile haben sich 35 Institutionen und mehr als 800 Personen an der Aktion des „Team Demokratie“ beteiligt. Weitere Informationen: team-demokratie-essen.blogspot.com

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