Essen-Nord. Der Essener Jörg Gocke steht bald wieder als Travestie-Künstler auf der Bühne. Seinen Putzjob hat er an den Nagel gehängt – vorerst zumindest.

Berufliche Veränderungen stehen gerade für den Travestie-Künstler Jörg Gocke aus Essen an. Rund 15 Jahre führte der Katernberger als „Jeanny“ in Abendkleid, High Heels, mit Perücke, Glitzerschmuck und schrillem Make-Up durch die Show im Revuepalast Ruhr in Herten. Damit ist seit Ende Januar Schluss, doch es wird für Gocke und seine Kollegen einen Neustart an anderer Stelle geben.

Seit 2009 lief die Travestie-Show im von Christian Stratmann gegründeten Theater auf Zeche Ewald. Jetzt fiel dort der letzte Vorhang für das Ensemble. Für den Essener Jörg Gocke ein Abschied von der langjährigen Spielstätte, aber nicht von seinem Beruf und Lebenstraum.

Essener Travestie-Künstler freut sich auf neue Herausforderung

„Am 27. März feiern wir mit unserem Ensemble die Premiere des neuen Programms ,The Show must go on‘ im Showpalast Rouge in Bochum-Hamme“, freut sich Jörg Gocke auf das, was kommt. Nachdem der Mietvertrag auf Zeche Ewald gekündigt worden war, hatte die Suche nach einem neuen künstlerischen Zuhause im Umfeld begonnen.

In der Corona-Phase tauschte Travestie-Künstler Jörg Gocke Glitzerkleid gegen Putzlappen und fand durchaus Spaß daran.
In der Corona-Phase tauschte Travestie-Künstler Jörg Gocke Glitzerkleid gegen Putzlappen und fand durchaus Spaß daran. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Das sollte, passend zur Travestie-Show, schon ein bisschen besonders sein, so der Katernberger. Im eigentlich auf Schlagerveranstaltungen spezialisierten Showpalast Rouge in Bochum wurde das Ensemble Femme Fatale um Regisseur Ralf Kuta schließlich fündig.

„Anfang März beginnen die Proben, aber natürlich haben wir schon jetzt ganz viele Ideen gesammelt“, sagt Gocke. Dass nur ein paar Wochen bis zur Premiere bleiben, beunruhigt den 49-Jährigen nicht. „Wir sind alle Profis und beherrschen die Nummern ja im Prinzip. Außerdem wird bis zur Premiere jeden Tag geprobt.“

Viele Mitglieder des Ensembles „Femme Fatale“ leben in Essen

Gespielt werde dann ab Ende März donnerstags, freitags und sonntags. Wie er selbst, wohne ein Großteil des Ensembles in Essen, berichtet Gocke. „Da ist der Weg nach Bochum gut zu bewältigen.“ Er selbst wird seit Jahren von einer Freundin zum Theater gefahren. „Ich habe keinen Führerschein.“

Als Travestie-Künstler hat der 49-Jährige seine Berufung gefunden, nachdem man ihm schon als Kinder prophezeit hatte, dass er auf die Bühne gehöre. So sehr Gocke die Auftritte als „Jeanny“ in Frauenkleidern liebt, so wenig möchte er im Alltag eine Frau sein. „Frausein ist aufwendig, anstrengend und teuer“, spielt er mit einem breiten Grinsen auf Abendkleidung, Profi-Make-Up und Haarstyling an, wohl wissend, dass all dies eine Überzeichnung der weiblichen Rolle im Sinne der Show ist und im Alltag der meisten Frauen allenfalls in ziemlich abgespeckter Form vorkommt.

Abendkleid, Glitzerschmuck und Zigarettenspitze: So fühlt sich Jörg Gocke alias „Jeanny“ auf der Bühne wohl. Im Alltag mag der Katernberger es legerer.
Abendkleid, Glitzerschmuck und Zigarettenspitze: So fühlt sich Jörg Gocke alias „Jeanny“ auf der Bühne wohl. Im Alltag mag der Katernberger es legerer. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Wie viele Bühnenoutfits er genau besitzt, weiß Jörg Gocke nicht, sie sind nach einem Wasserschaden in der Wohnung im Theater eingelagert. Die Rolle will er spielen, solange das Publikum Spaß daran hat und „mit mir und nicht über mich“ lacht. Er sei bei klarem Verstand und werde das rechtzeitig merken, ist er überzeugt. Und ja, auch sein Körper verändere sich, auch wenn er, offenbar dank guter Gene, noch fast faltenfrei sei: „Dann muss die Schneiderin die Sachen halt anpassen oder es müssen neue angefertigt werden.“

Essener Künstler nahm während der Corona-Pandemie Putzjobs an

Existenzsängste kennt Jörg Gocke nicht mehr, seit er während der Corona-Pandemie und der dadurch bedingten Theaterschließung seinen Lebensunterhalt als Putzmann verdient hat und dafür Glitzerfummel gegen Gummihandschuh getauscht hat. Als diese Redaktion 2021 darüber berichtete, meldeten sich mehrere Firmen und boten ihm einen Job an, erzählt er. „Ich kann jedem empfehlen, sich statt ans Arbeitsamt an die Redaktion zu wenden“, scherzt Gocke. Wenn es auf der Bühne nicht mehr funktioniere, gehe er halt wieder putzen, den Kontakt zu seinen damaligen Arbeitgebern hat er nicht abreißen lassen.

Profi-Make-Up hilft dabei, den Künstler in eine glamouröse Diva zu verwandeln.
Profi-Make-Up hilft dabei, den Künstler in eine glamouröse Diva zu verwandeln. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Jetzt ist der Künstler aber erstmal froh, wieder auf der Bühne zu stehen: Nicht nur die frühen Arbeitszeiten als Reinigungskraft waren gewöhnungsbedürftig. „Du bekommst halt keinen Applaus, wenn die Toiletten oder der Flur am Ende sauber sind.“

Zeiten und Preise der neuen Show

Zu sehen ist die rund zweistündige Travestie-Revue „The Show must go on“ im Showpalast Rouge, Freudenbergstraße 40, in Bochum ab 27. März donnerstags und freitags um 19.30 Uhr und sonntags um 17.30 Uhr. Der Eintritt kostet donnerstags und sonntags 49 Euro pro Person, freitags 59 Euro.

Freitags steht zusätzlich eine After-Show-Party auf dem Programm. 79 Euro kostet eine VIP-Karte, die zur Teilnahme am Buffet berechtigt. Samstags gibt es keine Travestie-Show in dem Theater, weil dann häufig Schlagerkonzerte auf dem Programm stehen. Infos unter www.rouge.de oder 0234 95035530.

Dass er sich für unseren Termin in seiner Wohnung in ein Bühnenoutfit geworfen hat, ist die absolute Ausnahme, wie Gocke versichert, während er seine künstliche Oberweite zurecht ruckelt. „Jeanny“ sei eine reine Kunstfigur, in die er sich in zwei Stunden verwandele. Gocke schminkt sich normalerweise erst im Theater und verlässt es auch wieder abgeschminkt in Alltagskleidung. „Das sind einfach zwei komplett verschiedene Welten“, sagt er.

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Im Alltag kleidet sich der 49-Jährige eher leger. An der Supermarktkasse werde er allenfalls an seiner markanten Stimme erkannt. „Das ist einem als Künstler ja nicht unangenehm, wenn die Leute einen kennen“, sagt der Katernberger. Er stammt aus einer Essener Bergmannsfamilie. Aufgewachsen ist er im Essener Norden, wo er bis heute wohnt. Gocke besuchte die Gustav-Heinemann-Gesamtschule und absolvierte nach der Schule eine Bäckerlehre, um beruflich irgendetwas in der Hand zu haben.

Der Blick in den Spiegel gehört für den Travestie-Künstler, der sich für die Auftritte selbst schminkt, dazu.
Der Blick in den Spiegel gehört für den Travestie-Künstler, der sich für die Auftritte selbst schminkt, dazu. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Schon früh war eigentlich klar, dass es ihn auf die Bühne ziehen würde. Künstlerisch inspiriert hatten ihn in den 1980er Jahren die bekannten Travestie-Künstler Mary und Gordy, die das Genre damals salonfähig machten. Mit 14 Jahren imitierte Gocke bei einer Talentshow die Musicalstars Ute Lemper und Liza Minnelli, nahm später Gesangsunterricht und veröffentlichte zwei CDs mit eigens für ihn geschriebenen Schlagern. Familie und Freunde hätten ihn auf seinem Weg immer unterstützt, „auch wenn meine Eltern nicht gerade vor Freude in die Luft gesprungen sind, dass ihr Sohn in Frauenklamotten auf der Bühne steht“.

Essener arbeitet seit vielen Jahren mit seinen Kollegen zusammen

Für den überzeugten Single – „kein Hund, kein Partner, keine Verpflichtungen“ – ist das Ensemble ein bisschen wie seine Familie. Die acht Künstler arbeiten seit langem zusammen, kennen und verstehen sich gut, so Gocke. Für die neue Show komme noch ein Gleichgewichtsakrobat dazu, verrät der Künstler, der kurz vor der Premiere bei einer Schlagerveranstaltung im Theater Werbung für die neue Show laufen wird .

Technisch sei die neue Heimat des Travestie-Ensembles modern ausgestattet, verfüge über eine große Bühne mit riesiger LED-Leinwand, entsprechende Vorrichtungen für Feuer- und Nebeleffekte. Das Theater sei um ein Vielfaches größer als die vorherige Location. Für Jörg Gocke alias „Jeanny“ und seine Kollegen eine Herausforderung, die sie gern annehmen.

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