Essen. Der Essener Jörg Gocke steht als zauberhafte „Jeanny“ im Hertener Revuepalast und in der Grugahalle auf der Bühne.

Er ist ein wahrer Frauenversteher. Weil er sie studiert. Etwa, wenn er am Fenster seines Lieblingscafés am Kennedyplatz sitzt und sie beobachtet. Manchmal, sagt er, falle ihm dann etwas auf. Eine Geste, eine Miene, eine andere Kleinigkeit, die er aufnimmt für seine Rolle der bezaubernden „Jeanny“.

Die Laufbahn auf High-Heels deutete sich bei Jörg Gocke bereits früh an. „Im Kindergarten, wenn die anderen Fußball gespielt haben, dann war der kleine Jörg immer in der Verkleidungsecke zu finden. Mit vier, fünf Jahren hatte ich den ersten Kontakt mit High-Heels. Das war für mich der Walk of Fame.“

Erster Auftritt im Altenheim

Die Eltern des Esseners, eine Bergmannsfamilie, hofften damals noch auf einen kurze Phase, die ihr Sohn da durchlebte. „Auf ihr Drängen hin habe ich später eine Bäckerlehre angefangen. Aber ich war damals schon bühnengeil.“

Jörg Gocke sitzt aufrecht, erzählt offen von seinem Leben. Dann und wann nimmt er einen Schluck Milchkaffee. Es liegen Welten zwischen ihm und seinem Alter Ego, mit dem er seit mittlerweile zwanzig Jahren lebt.

„Entwickelt hat sich das durch eine Anregung meiner Musiklehrerin an der Folkwang-Schule. Die hat mir geraten, mich als Frau zurecht zu machen, weil ich so feminine Züge habe.“ Jörg Gocke probierte es aus. „Ich bin heimlich an den Schrank meiner Mutter gegangen, habe Kleider von ihr angezogen und mit der Schminke experimentiert.“ An Karneval ging er erstmals als Frau auf die Straße – und wurde gleich gebucht. Beim ersten Auftritt in einem Katernberger Altenheim wurde „Jeanny“ geboren. Und die kam, nach kleinen Startschwierigkeiten, gut an. Die bezaubernde Blondine trat auf Geburtstagen auf und beim Karneval. „Dann kamen schnell die größeren Sachen, wie Schützenfeste.“

Ein Auftritt in einer Essener Kneipe brachte 2003 eine schicksalhafte Wendung mit sich. „Da hat Ralf Kuta mich gesehen und gesagt, der Junge muss auf die Bühne.“ Der Regisseur der Travestie-Truppe „Femme Fatale“ nahm „Jeanny“ in seine Show auf, die damals noch in Erfurt stattfand. Der Hertener „Revue-Palast Ruhr“ machte 2009 die Heimkehr möglich. Dort steht „Jeanny“ auf der Bühne und führt als Conférencieuse durch die Show..

Auch interessant

Frau zu sein, das ist für Jörg Gocke Beruf, den er von seinem Privatleben durchaus trennt. „Ich habe zu Hause keine Federboa, kein Kleid und auch kein Foto von mir als Jeanny“, plaudert er aus dem Nähkästchen. „Ich habe noch nicht einmal einen Kajal zu Hause. Nur das Enthaarungswachs im Bad könnte mich vielleicht verraten.“ Ein Macho, gesteht der Schauspieler, sei er dennoch nicht. „Aber ich bin Manns genug, eine Frau zu sein.“