Essen. Als Teenager entdeckt Ralf Kuta die Travestie für sich. Seither imitiert er große Stars. Mit der Gruppe Femme Fatale tritt er im Revuepalast auf.
„Ich bin ein gestandenes Mannsbild“, sagt Ralf Kuta lachend. Im Leben, in der Beziehung, aber nicht auf der Bühne. Da trägt er glitzernde Roben und verkörpert Marlene Dietrich, Caterina Valente oder Liza Minnelli. Das hat sich der gebürtige Moerser, der in Duisburg aufwächst und seit 20 Jahren in Essen lebt, so ausgesucht.
Sein Vater, ein Bergmann, sieht den dritten seiner vier Jungs auch auf der Zeche. Doch das interessiert den Sohn nicht. „Die Erziehung war zwar streng, aber ich hatte eine sehr schöne Kindheit in unserer Siedlung. Ich bin aufgewachsen mit Türken, Italienern, Spaniern und wurde wegen meiner Haare blonder Engel genannt“, erzählt Ralf Kuta. Nichts deutet die außergewöhnliche Laufbahn an. Er verkleidet sich zu Karneval, zieht mit Freundin Petra um die Häuser und setzt seine Beine bei Hochheide 08 als Stürmer ein.
Vom Stürmer bei Hochheide 08 zur Travestie
Mit 16 sieht er seine erste Travestieshow in einer Diskothek. Da ist es um ihn geschehen. In der gemeinsamen Wohnung mit seiner Cousine probiert er eines ihrer Kleider an, schminkt sich und wird prompt von seinem Schulkollegen Klaus überrascht, der sich nachher Lady Tatti nennt. „,Das will ich auch’, sagte er. Wir sind dann als Duo Fantastic Babydolls aufgetreten. Das erste Kleid hat mir meine Mutter genäht“, erinnert er sich. Die Beine stecken nun in Netzstrümpfen.
Das erste Kleid hat mir meine Mutter genäht
Aus der Bäckerlehre und aus der Friseurlehre wird nichts. Mit der Travestie hat er mit Anfang 20 ein Auskommen. Die Mutter ist schnell begeistert, der Vater lässt sich von ihm als Marilyn Monroe überzeugen. Ralf Kuta weiß es noch genau: „,Boah, das ist mein Sohn’, meinte er staunend nach einem Auftritt.“
Mit dem Ensemble Femme Fatale stellt sich der Erfolg ein
Er landet in der Truppe Madame Gigi und tourt durch Europa. Sein Dasein aus dem Koffer zu fristen, tut ihm nicht gut: „Ich war irgendwann ein Schatten meiner selbst.“ Er vermisst Freunde und Familie. 17 Mal zieht er um, erlebt Höhen und Tiefen. „Manchmal gab es keine Engagements und ich habe wochenlang von Nudeln gelebt“, berichtet Ralf Kuta. Anfeindungen auf der Straße und beim Finanzamt vorgeführt zu werden, hält er aus. Die Bewunderung für seine Verwandlungskunst macht vieles wett.
Mit der Gründung des eigenen Ensembles Femme Fatale vor 26 Jahren stellt sich nach und nach der Erfolg ein. „Christian Stratmann holte mich aus Erfurt ins Essener Europahaus. Später bot er an, im Revuepalast zu spielen. Für mich wurde ein Traum Wirklichkeit“, so Ralf Kuta. Endlich findet er die künstlerische Heimat, die er sich stets gewünscht hat.
Der Perfektionist achtet immer auf gutes Schuhwerk
Das private Glück ist in Essen beheimatet. Der 60-Jährige, der aus seiner Neigung zuerst zu Frauen, dann zu Männern keinen Hehl macht, ist mit Rüdiger seit 18 Jahren verheiratet. Er hat auch den Aufbau des Travestie-Tempels in Herten begleitet. Jedes Jahr stellt Kuta eine neue Produktion auf die immer noch schönen Beine. Er realisiert Ideen, führt Regie und steht auf der Bühne.
Perfektion steht für ihn an erster Stelle. Auf saubere Schminke, gepflegte Perücken und gutes Schuhwerk achtet er. Anderenfalls hätten die High Heels seine Füße wohl verkorkst. Mit Rückenschule und Ausdauertraining hält er seinen Körper fit. „Ich mag keine halben Sachen“, betont Ralf Kuta. Bei den Shows vertraut er zudem auf den Spruch „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“.
Immer wieder andere Stars bevölkern den Abend, um auch ein jüngeres Publikum anzusprechen. „Wer kennt heute noch Evelyn Künneke “, fragt er zu Recht. Daher sind in der aktuellen „Revue Royale“ neben Marlene und Liza Amy Winehouse, Adele, Michael und Janet Jackson mit von der Partie. Nur eines bleibt stets gleich: „Am Ende singe ich ,Ich bin, was ich bin’.“ Und zwar ein Travestiekünstler auf Zeche Ewald. So ist der Wunsch des Vaters auf Umwegen noch in Erfüllung gegangen.