Essen-Werden. Ein Bürgerbündnis im Essener Süden wirbt dafür, dass die Menschen am 23. Februar ihr Wahlrecht ausüben. Dazu gibt es eine öffentlichkeitswirksame Aktion.

Ist der Zeitpunkt etwa eine Anspielung? Ist es wirklich wie im Westernfilm schon „High Noon“ für unsere Demokratie? Pünktlich um 12 Uhr trafen sich am Samstag auf der Brehminsel in Werden an die hundert Menschen und setzten ein sichtbares Zeichen. Mit Bannern, die dafür werben, am 23. Februar an der Bundestagswahl teilzunehmen: „Wir im Essener Süden. Für Respekt und Demokratie. Wir gehen wählen. Und du?“

Ein breites Bürgerbündnis, das für unsere gute alte Demokratie einstehen möchte. Denn vor uns liege eine so wichtige Wahl wie wohl lange nicht mehr, um die Zukunft unseres Landes mitzugestalten. Die Aushöhlung demokratischer Grundrechte drohe: „Jede Stimme zählt. Damit kein Unheil geschieht. Damit nachher keiner sagt, die Folgen habe er nicht absehen können.“

Unterstützer aus dem Nachbarstadtteil sind zur Brehminsel gekommen

Christiane Gregor organisiert die Fotoaktion: „Lasst uns Botschafter der Demokratie sein.“ Die verstaube aktuell in der Schublade: „Jetzt sind schwierige Zeiten, da sollten wir den Schatz der Demokratie wieder heben.“ Sie denke da zum Beispiel an die Frauenrechte: „Die sind wichtig und dürfen nicht aufgeben werden.“ Auch solle sich niemand vorschwindeln lassen, den menschengemachten Klimawandel gebe es überhaupt nicht, folglich müsse man auch keine Gegenmaßnahmen treffen.

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Nach und nach trudeln Menschen ein, die sich solidarisch zeigen wollen, auch Unterstützer aus Kettwig. Vereinzelt Parteivertreter. So sind Mitglieder der Grünen und gleich drei Ratsleute der SPD erschienen. Mit den Parteien der Mitte habe man keine Probleme, sagt eine der Demonstrantinnen. Aber die AfD sei in Teilen gesichert rechtsextrem, mit dieser Partei werde sie sich bestimmt nicht auf ein Foto stellen. Anders als bei der Fotoaktion in Altenessen am 19. Januar sind diesbezügliche Befürchtungen aber unbegründet.

Die Stimmung ist gelöst, die Sonne kommt raus, dazu gibt es fröhliche Musik. Der Trompeter Wolf Peter Scheitza und Taras Makhno am Akkordeon spielen Klezmer-Musik. Scheitza setzt mit seinem international besetzten Ensemble „Tico Tico“ ein Zeichen der Völkerverständigung und hatte von der Foto-Aktion erfahren: „Gute Freunde sind hier aktiv. Da sind wir spontan dazugestoßen.“

Aktionen im Essener Norden hatten Vorbildfunktion

Aktiv wurde das Bündnis nach angeregten Diskussionen im „Haus Wunderbar“ an der Rittergasse. Jochen Drewitz habe von einem „guten Beispiel“ aus dem Essener Norden berichtet. Drewitz hatte sich die Frage gestellt: „Wie gehen wir mit dem Rechtsruck um?“ Er habe von der Demokratie-Fotoaktion auf Zeche Carl erfahren und über den ehemaligen Altenessener Pfarrer Willi Overbeck zum „Team Demokratie“ Kontakt aufgenommen: „Die waren total nett und haben uns mit Material versorgt.“

Immer samstags vor dem Rathaus

Auch an den nächsten Wahlkampfsamstagen stehen die Aktiven des Bürgerbündnisses für Demokratie und respektvolles Miteinander von 11 bis 13 Uhr vor dem Werdener Rathaus, wo die Parteien mit Infoständen für ihre politischen Ziele werben.

Für weitere Aktionen können die Banner unter haus@hauswunderbar.de ausgeliehen werden, auch gibt es Flyer und Sticker. Christiane Gregor sagt, eine mutmachende Botschaft solle herübergebracht werden: „Jede einzelne Stimme ist wichtig. Eure Stimme ist wichtig. Geht wählen.“

Auch Heinz Buschmann wollte etwas tun. Da habe er etliche Bekannte angesprochen und sei vor allem auf positive Resonanz gestoßen: „Vielen liegt die momentane Situation schwer im Magen.“ Der Vorstoß im Bundestag zur Migration habe doch verschreckt: „Jetzt hat Merz das einmal gemacht mit der AfD. Einmal. Ich glaube ihm auch, dass er nicht mit denen koalieren will. Doch wenn nach der Wahl aufgrund festgefahrener Verhandlungen eine Koalition der Mitte platzt, was wird dann?“ Sage die Union dann zu SPD und Grünen „Ihr habt es ja nicht anders gewollt…“?

Über mögliche Folgen wolle er gar nicht erst nachdenken: „Wie wenig Geschichtsbewusstsein es gibt. Ich hörte, dass heutige Geschichtslehrer in ihrer Ausbildung das Dritte Reich überhaupt nicht besprochen haben.“ Eine Folge: „Junge Leute wählen rechts.“ Wie es überhaupt so weit kommen konnte, darüber grübelt Heinz Buschmann: „Das liegt am Zugang zu den neuen Medien.“

Parteien werden von jungen Menschen in sozialen Medien wahrgenommen

Gerd Dubiel hat immer mit jungen Menschen gearbeitet: „Es ist schwierig geworden für die Parteien, auf alten Wegen an die Jugendlichen heranzukommen. Man muss mehr die neuen Medien einsetzen und sie nicht einigen wenigen überlassen.“ Er nennt ein Beispiel: „Bei der Linken setzt offenbar ein Aufschwung ein, seit deren Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek auf Tik-Tok stark präsent ist.“

„Es ist schwierig geworden für die Parteien, auf alten Wegen an die Jugendlichen heranzukommen. Man muss mehr die neuen Medien einsetzen und sie nicht einigen wenigen überlassen.“

Gerd Dubiel,
kommt aus der Jugendarbeit

Woher kommt der Politik-Verdruss? Ingrid Lucke-Kramer kann nur noch den Kopf schütteln: „Wir haben 80 Jahre Frieden durch unsere Demokratie. Aber unsere Politiker rennen momentan herum wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Zunächst wird ein Riesenpalaver gemacht und später erst inhaltlich diskutiert. Tabus werden gebrochen, zuerst in der Sprache. Entsprechend reagiert das Volk. Viele sind verunsichert. Dabei brauchen die Leute eine gewisse Sicherheit. Es muss mehr Miteinander geben, kein Gegeneinander. Denn Demokratie ist das einzig Wahre und garantiert unsere Freiheit.“

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