Essen. Rund 300 Jugendliche verfolgten eine Podiumsdiskussion mit Essener Politikern vor der Bundestagswahl. Wer am Ende den meisten Applaus bekam.

Das Helmholtz- und das Maria-Wächtler-Gymnasium hatten am Mittwoch zu einer Podiumsdiskussion mit Essener Bundestags-Kandidaten eingeladen, die mit Spannung erwartet wurde. Denn auf der Bühne saßen nicht nur Vertreter von CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken, sondern auch der Essener AfD-Fraktionsvize im Bundestag, Stefan Keuter. Die Schülerinnen und Schüler der älteren Jahrgänge hatten zuvor Fragen erarbeitet, in denen es auch ausdrücklich um Migration ging. Es moderierte FUNKE-Politikredakteurin Stephanie Weltmann.

Schulleiterin Nadine Lietzke-Schwerm appellierte: „Benehmt euch anständig!“ Gemeint waren nicht nur die Schüler.
Schulleiterin Nadine Lietzke-Schwerm appellierte: „Benehmt euch anständig!“ Gemeint waren nicht nur die Schüler. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Mit bemerkenswerter Deutlichkeit begrüßte Helmholtz-Direktorin Nadine Lietzke-Schwerm nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Vertreter auf der Bühne: „Benehmt Euch anständig!“ Die Diskussion sei eine Gelegenheit zu beweisen, dass man vor Ort in der Lage sei, nicht den lautesten, sondern den besten Argumenten zu folgen.

Die erste strittige Aussage der AfD ließ nur wenige Minuten auf sich warten

Es dauerte nicht lang, bis Stefan Keuter die erste Aussage vom Stapel ließ, die von Anwesenden als Provokation empfunden wurde: Als es um den Fachkräftemangel in Deutschland ging, fragte er in die Aula. „Warum Leute aus dem Ausland holen?“ Es könne nicht sein, „dass man 10.000 Busfahrer aus Kenia holt, die weder Orts- noch Sprachkenntnisse haben noch den Führerschein besitzen.“ Albert Ritter, Kandidat der SPD und seit Jahrzehnten im Schausteller-Gewerbe tätig, konterte: „In unseren Glühweinbuden arbeiten Leute aus zwölf Nationen Schulter an Schulter. Die packen alle mit an, da fragt niemand, woher er kommt. Gerade wir hier im Ruhrgebiet wissen sehr wohl, dass Zuwanderung funktionieren kann.“ CDU-Kandidat Matthias Hauer ergänzte: „Es sind nicht nur die Atomphysiker, die zu uns kommen sollen, wir brauchen die Busfahrer! Und wir brauchen zum Beispiel Arbeitskräfte in der Pflege!“

Linken-Kandidat Tobias Umbreit berichtete wiederholt von seinen Erlebnissen im Straßenwahlkampf, er sei zuletzt viel in den Straßen von Frohnhausen unterwegs gewesen: „Viele Migranten, die hier seit Jahren Steuern zahlen und arbeiten, fühlen sich immer noch nicht willkommen. Sie hangeln sich von Aufenthaltsgenehmigung zu Aufenthaltsgenehmigung und leben mit der Sorge, morgen nicht mehr hier sein zu können.“ AfD-Mann Keuter stellte klar: „Wer hier nicht arbeiten will, dauerhaft Sozialleistungen bezieht oder kriminell wird, muss zurück, woher er gekommen ist!“ Dafür gab es auch vereinzelten Applaus unter den Jugendlichen.

„Menschenverachtende Partei“: Matthias Hauer (CDU) grenzte sich massiv von der AfD (rechts Stefan Keuter) ab.
„Menschenverachtende Partei“: Matthias Hauer (CDU) grenzte sich massiv von der AfD (rechts Stefan Keuter) ab. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Matthias Hauer (CDU) verteidigt sein Votum pro Merz

Damit war die Diskussion am Thema angelangt, was letzte Woche noch bundesweit die Medien beschäftigte: Der Vorstoß von CDU-Chef Friedrich Merz, seinen „Fünf-Punkte-Plan“ für Zuwanderungsbegrenzung mit den Stimmen der AfD im Bundestag durchzubekommen. Auch CDU-Vertreter Matthias Hauer hatte in der Abstimmung diesem Plan zugestimmt. Vehement verteidigte der Bredeneyer seine Entscheidung: „Ich halte die AfD für eine menschenverachtende Partei, und eine Koalition oder Zusammenarbeit mit der AfD ist für mich ausgeschlossen! Doch wer zu uns kommt und Verbrechen begeht, der kann nicht bleiben. Wir haben schon als Opposition der damaligen Ampel-Koalition eine entsprechende Zusammenarbeit für einen Gesetzesentwurf vorgeschlagen, doch die hat nicht reagiert.“ Grünen-Kandidat Stephan Neumann kritisierte das Vorgehen der CDU: „Es bringt nichts, die Grenzen zu schließen, unsere Gesetze sind ausreichend. Wir müssen sie nur umsetzen, daran hapert es.“

Von einem Schüler scharf kritisiert wurde Neumann für die Entscheidung der Bundes-Grünen, trotz gegenteiliger Ankündigung vor der letzten Bundestagswahl Waffen in die Ukraine zu schicken. „Krieg verursacht immer Migration“, argumentierte der Jugendliche. Neumann antwortete wortreich, warum dieser Beschluss aus Sicht der Grünen unumgänglich gewesen ist.

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Gegen Ende der Debatte, als alle Kandidaten zu einem Abschluss-Statement aufgerufen waren, erklärte Stefan Keuter, dass „eine Zusammenarbeit mit der AfD das Land nach vorne bringen wird“, um im nächsten Satz die These von den „migrantischen Gruppenvergewaltigungen“ auszubreiten. Moderatorin Stephanie Weltmann ließ das so nicht stehen und kritisierte, dass „da wohl erst ein Fakten-Check angebracht“ wäre.

Stephanie Weltmann (FUNKE) moderierte die Podiumsdiskussion.
Stephanie Weltmann (FUNKE) moderierte die Podiumsdiskussion. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Es überwog der respektvolle Ton

Zum Schluss stimmten die Schülerinnen und Schüler mit Applaus ab: Es siegte der Linken-Kandidat Tobias Umbreit, der augenscheinlich mit seinen geschilderten Eindrücken aus Frohnhausen und anderen, wenig privilegierten Stadtteilen überzeugen konnte.

Die Schulleiterin hatte zu Beginn der Diskussion um „respektvolles Miteinander“ geworben. Man kann sagen, dass diese Veranstaltung ein eindrucksvoller Beweis dafür war, dass trotz teilweise erheblicher inhaltlicher Differenzen ein solcher Umgang möglich ist.

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