Essen-Steele. Das Geschäft war seine Leidenschaft, es begeisterte Kunden und wurde sogar gefördert: Dennoch muss Patrick Marx schließen. Termin steht fest.

2020 erfüllte sich Patrick Marx einen Traum: Er eröffnete in Steele sein eigenes Geschäft und präsentierte zunächst auf 50 Quadratmetern ein ausgesuchtes Sortiment: klassische Brett-, Würfel- und Kartenspiele, Sammelkarten. Dann zog er innerhalb des Stadtteils um, vergrößerte sich, wurde sogar gefördert – und hat es dennoch nicht geschafft. Er wird sein Geschäft schließen.

Mit den Spielen hat er sich schon als Kind gern und ausgiebig beschäftigt und so Jahre später seine Passion zum Beruf gemacht. Denn als der gebürtige Essener sein Master-Studium der Chemie im Jahr 2020 an der Ruhr-Universität Bochum erfolgreich abgeschlossen hatte, musste er sich entscheiden, wie es weitergehen solle. „Im Raum stand die Promotion zum Doktor der Chemie, also ganz klassisch“, sagt er.

Inhaber des Geschäfts Spielbasis Ruhr war zuvor bereits Gast bei der Messe „Spiel Essen“

Eine Alternative war die Selbstständigkeit und damit die Möglichkeit, seiner großen Leidenschaft zu folgen – dem Spielen. Schon während seines Studiums bereiste er die Republik als Promoter und Spieleerklärer auf Messen, war oft auch zu Gast bei der „Spiel Essen“, er spielte, probierte aus.

Mit der Selbstständigkeit und dem Laden Spielbasis Ruhr hat Patrick Marx sich einen Traum erfüllt und muss sich nun dennoch verabschieden.
Mit der Selbstständigkeit und dem Laden Spielbasis Ruhr hat Patrick Marx sich einen Traum erfüllt und muss sich nun dennoch verabschieden. © Mike Filzen

Ein ähnliches Konzept schwebte Marx auch für seinen Laden vor. Eben nur eine Nummer kleiner und ganz klar analog: also keine Computerspiele, keine Spielekonsolen oder sonstigen elektronischen Spiele. Das erste Ladenlokal am Scheidtmanntor in Steele, direkt am Kaiser-Otto-Platz gelegen, war dann tatsächlich klein. Kein Raum für Tische oder Stühle. So musste das gemeinsame Spielen anderenorts stattfinden. Ganz nebenbei bestückte Marx auch noch zweimal den Steeler Weihnachtsmarkt mit. „Das war ein großartiges Erlebnis, es hat sehr viel Freude bereitet“, strahlt Marx.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Facebook, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Anfang 2023 bekam er die Chance auf ein größeres Ladenlokal, ebenfalls in Steele, nur wenige Hundert Meter vom jetzigen Standort entfernt. Mit 130 Quadratmetern mehr als doppelt so groß und wegen eines befristeten Förderprogramms zu einem stark verminderten Mietzins.

Der Umzug erfolgte quasi im laufenden Betrieb, Ware zog aus der Weihnachtsmarkthütte direkt in das neue Ladenlokal. Dort war endlich neben etlichen Regalmetern voller Spiele auch genug Platz für eine gemütliche Sitzecke und einige Tische und Stühle. Ab sofort gab es ein großes kostenloses Angebot zu regelmäßigen Spielnachmittagen, an denen er neue Spiele erklärte und ausprobierte.

Aus Besuchern wurden Kunden, so manche Freundschaft entstand. Viele kamen immer wieder nach Steele, zu Rollenspielabenden oder zum Tausch von Sammelkarten, sogenannten Trading Cards. Manche auch einfach nur so, um zu plauschen und sich auszutauschen über das Spielen und die Spielewelt.

Förderprogramme für den Handel

Das Land NRW hat 2020 ein Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren für 2021 bis 2023 aufgelegt. In Essen gab es Fördergelder für Innenstadt, Steele, Borbeck und das Südostviertel, um Neuansiedlungen zu unterstützen und Leerstände zu füllen. In Steele sind zwei Geschäfte lediglich innerhalb des Stadtteils umgezogen und bildeten damit eine Ausnahme mit Blick auf die Förderregeln. Das sind laut EMG begründete Fälle gewesen. Es mangelte an neuen Konzepten für Steele, hieß es damals aus der Jury.

Das Konzept: Die Miete beträgt 20 Prozent der eigentlichen Miete. Dabei verzichten Eigentümer auf mindestens 30 Prozent, Land und Stadt gleichen die Differenz aus. In Steele profitierten von der Förderung die Geschäfte „50’s & No-Re-Style“, „Artgrey Photoproducts“ und die „Spielbasis Ruhr“. Laut EMG hat sich das Fotoprodukte-Geschäft bereits aus Steele zurückgezogen.

Insgesamt gab es seinerzeit 270.000 Euro für Steele, von denen 144.000 Euro 2023 ungenutzt blieben. Nun stellt das NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung weitere 35 Millionen Euro für Kommunen bereit (“Zukunftsfähige Innenstädte und Ortszentren“). Für die Essener Innenstadt bedeutet das für den Zeitraum 2024-2026 knapp 1,2 Millionen Euro. Der Anteil der Stadt liegt bei 20 Prozent, die sie zusteuern muss.

Weiterhin sahen die Pläne der Stadt 300.000 Euro für Projekte in Altenessen, Steele, Borbeck und das Südostviertel vor. Die sind gestrichen, der Landes-Fördertopf reicht dafür nicht.

Auch außerhalb des Ladens wurde der umtriebige 29-Jährige aktiv. So existiert seit Anfang 2024 eine Kooperation mit der Stephanus-Kirchengemeinde in Überruhr. Klar, dass er auch dort Spieleabende angeboten hat. Auch in die Huttroper Stadtteilbibliothek brachte er Spiele. Wie es dort nach der Schließung des Geschäftes in Steele weitergeht, steht noch in den Sternen.

Patrick Marx sieht die bevorstehende Schließung jedenfalls gelassen, weil er einfach keine andere Lösung sieht: „Trotz großem Einsatz ist kein Geld für zusätzliches Personal drin, das Geschäft trägt sich nicht auf zufriedenstellendem Niveau.“ So erfüllend seine jetzige Aufgabe und sein Job auch seien, es reiche einfach nicht. Und noch mehr Zeit könne er selbst nicht investieren.

Miteinander im Geschäft zu spielen und Spiele auszuprobieren gehörte bei Spielbasis Ruhr zum Konzept, hier sitzt Inhaber Patrick Marx mit seinem Mitarbeiter Marcel Andrae am Tisch.                           
Miteinander im Geschäft zu spielen und Spiele auszuprobieren gehörte bei Spielbasis Ruhr zum Konzept, hier sitzt Inhaber Patrick Marx mit seinem Mitarbeiter Marcel Andrae am Tisch.     © Mike Filzen

Im Schaufenster steht bereits ein Schild: „Wir schließen zum 28.02.“ Er muss nun noch so viel wie möglich aus den gut gefüllten Regalen verkaufen. Nur einen kleinen Teil könne er an die Lieferanten zurückgeben. „Bis zur endgültigen Schließung Ende Februar sind dann 70 Prozent Rabatt oder sogar mehr drin“, hat Patrick Marx überschlagen.

Die Rabatte des Ladens Spielbasis Ruhr in Essen-Steele sind für viele Kunden kein Trost

Die Rabatte sind indes nicht für jeden Kunden ein Trost. Viele reagieren auch in den sozialen Medien, wo Patrick Marx auf Facebook ein Abschiedsvideo eingestellt hat. „Du hast uns wieder dazu gebracht, Brettspiele zu spielen!“; „Mir/uns stehen die Tränen in den Augen...“ oder „Werde nie vergessen, wie ich zum Geburtstag meiner Tochter 10 Spiele auf einmal aus deinem tollen Laden herausgetragen habe. Liebe dort die Atmosphäre, die Stimmung, das Konzept“, schreiben die Nutzer. Und: „Wenn wir ein Spiel brauchten, dann hast Du uns immer weitergeholfen. Wo sollen wir denn nun hin, wenn wir Fragen haben? Es ist ein großer Verlust für Steele und für Essen.“

In den Regalen der Spielbasis Ruhr in Essen-Steele reihen sich zahllose Spiele aneinander. 
In den Regalen der Spielbasis Ruhr in Essen-Steele reihen sich zahllose Spiele aneinander.  © Mike Filzen

Und wie geht es für Patrick Marx selbst weiter? Er hofft, dass die neuen Freundschaften Bestand haben. Denn natürlich möchte er weiterhin spielen. Zuerst einmal steht aber ein ordentlicher Urlaub auf dem Programm. Der ist in den vergangenen viereinhalb Jahren quasi ausgefallen. Eine Reise kreuz und quer durch Europa soll es werden. Übernachten möchte er möglichst bei Freunden, gerne auch in Hostels. Das Ziel kennt er noch nicht.

Sein engster Mitarbeiter Marcel Andrae schmunzelt und weiß, dass sein Chef „sehr unternehmungslustig und risikofreudig im positiven Sinne“ sei. Und später, nach dem Urlaub? Doch noch Doktor der Chemie? „Mal sehen“, meint Patrick Marx lächelnd, „was sich sonst noch so bietet“.

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]