Essen. Dieter Elte gibt die Arbeit in einer Essener Werkstatt für Menschen mit Behinderung Halt. Bald muss er in den Ruhestand, obwohl er nicht möchte.

Herumsitzen und nichts tun ist überhaupt nicht Dieters Eltes Ding. „Ich bin ein Mensch, ich möchte alles machen. Und das am liebsten an einem Tag!“, sagt Dieter, während er an seinem Arbeitstisch vor zwei großen Kartons sitzt. Im linken Karton: Knete, die dafür gedacht ist, um Schmutz aus Ladeanschlüssen von Smartphones zu entfernen. Ein Produkt eines Essener Start-ups, das in Online-Shops der Renner sein soll.

Aus dem Karton nimmt Dieter Elte lilafarbene Knet-Streifen, die in Papier eingepackt sind, und legt sie in kleine Dosen aus Aluminium. Bevor er die Dose verschließt, platziert er ganz oben einen kleinen Anleitungszettel. Dann packt er sie in den Karton auf der rechten Seite seines Tisches. Knete verpacken, das ist heute Eltes Tagesaufgabe, etwa 140 Dosen schafft er in einer Schicht.

Dieter Elte ist 65 Jahre alt und hat sein ganzes Arbeitsleben in Werkstätten für Menschen mit Behinderung der GSE (Gesellschaft für soziale Dienstleistungen Essen) verbracht. Seit 140 Jahren gibt es diese Institution inklusive aller Vorgänger-Gesellschaften in Essen. Die GSE betreibt unter anderem Wohn- und Pflegeeinrichtungen für Senioren und Pflegebedürftige, organisiert Angebote für Wohnungslose und beschäftigt Menschen mit Behinderung in neun Werkstätten im Stadtgebiet.

Bei der GSE in Essen arbeiten Menschen mit Behinderungen in neun Werkstätten

Eine der GSE-Werkstätten ist in Holsterhausen, hier arbeitet auch Elte seit vielen Jahren. Angefangen hat er im Berufsbildungsbereich der GSE in Kray, über Borbeck ist er nach Holsterhausen gekommen und mittlerweile ein echtes GSE-Urgestein geworden.

HOLSTERHAUSEN: Porträt von Dieter Elte, langjähriger Mitarbeiter der GSE-Werkstatt Holsterhausen für Menschen mit Behinderung. Die GSE,  Gesellschaft für Soziale Dienstleistungen Essen, feiert 140 jähriges Jubiläum
Die GSE in Essen stellt viele Bauteile für Industrie-Unternehmen im Ruhrgebiet her. Hier arbeitet Dieter Elte an einer Laserbeschriftungsmaschine. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Er ist länger hier als wir alle, die sonst in dieser Einrichtung arbeiten“, sagt Jörg Streckmann, Leiter der Werkstatt in Holsterhausen. In seinen 35 Berufsjahren hat Dieter Elte aber glücklicherweise nicht nur lilafarbene Knete verpackt. Was genau er schon alles gemacht hat, fällt ihm auf Anhieb nicht ein. Corinna Chojnacki, Betreuerin seiner Arbeitsgruppe in Holsterhausen, gibt ihm einen Hinweis, dann sprudelt es aus Dieter Elte heraus: „Ich habe Schlösser hergestellt, Elektrolampen zusammengesetzt und am Empfang der Werkstätten gearbeitet.“

Dieter Elte hat bei der GSE in Essen schon fast alles gesehen

Auch in einem sogenannten „außenintegrierten Arbeitsplatz“ bei der Firma „Schulte-Schlagbaum AG“ in Velbert sei er schon eingesetzt worden, sagt Chojnacki. „Das sind Arbeitsplätze bei externen Betrieben, mit denen wir kooperieren. Unsere Beschäftigten arbeiten dort direkt vor Ort und bekommen Unterstützung von uns.“

  • Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!

Gesehen hat Dieter Elte bei der GSE also schon fast alles, im Augenblick wechselt er zwischen der Arbeit in der Werkstatt und der Pforte. Dort habe er besonders viel Spaß, erzählt er mit einem Lächeln. Seine Aufgaben: Besucher empfangen, Telefongespräche annehmen, Unterlagen kopieren und die Hauspost verteilen.

HOLSTERHAUSEN: Porträt von Dieter Elte, langjähriger Mitarbeiter der GSE-Werkstatt Holsterhausen für Menschen mit Behinderung. Die GSE,  Gesellschaft für Soziale Dienstleistungen Essen, feiert 140 jähriges Jubiläum
Jörg Streckmann ist Einrichtungsleiter der GSE-Werkstatt in Essen-Holsterhausen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Auch wenn Dieter Elte gerne an der Pforte arbeitet, zu lange am Stück möchte er dort nicht bleiben. „Ich bin froh, wenn ich auch mal wieder in der Arbeitsgruppe bin.“ Er brauche die Abwechslung, betont er.

Von der Essener Werkstatt in den Ruhestand: Für GSE-Mitarbeiter Dieter Elte eine Herausforderung

Abwechslung zu finden, das könnte schon bald schwierig werden für ihn. Denn für ihn steht der Ruhestand an, schon jetzt hat er seine Arbeitsstunden um die Hälfte reduziert. „Eigentlich möchte ich nicht in Rente gehen, aber ich muss leider.“ Der Grund: Der LVR (Landschaftsverband Rheinland), der die Werkstatt-Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung finanziert, bezahlt Elte nicht mehr weiter. „Wir sind eine rehabilitative Einrichtung. Der Zweck ist es, Menschen für den ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Der LVR sagt dann, wenn jemand in Rente geht, ist dieses Ziel nicht mehr zu erreichen“, erklärt Streckmann.

Wann sein letzter Arbeitstag ist, weiß Dieter Elte ganz genau: „Das ist nächstes Jahr am 24. März.“ Einen Plan für seinen Ruhestand hat er schon. Er möchte sich bei der GSE-Seniorengruppe für Menschen mit Behinderung engagieren. Die habe laut Werkstattleiter Streckmann das Ziel, die Mitarbeiter auf den neuen Lebensabschnitt im Ruhestand vorzubereiten. „Dort lernen die Menschen Fähigkeiten wie einkaufen zu gehen oder einen Kuchen zu backen.“

HOLSTERHAUSEN: Porträt von Dieter Elte, langjähriger Mitarbeiter der GSE-Werkstatt Holsterhausen für Menschen mit Behinderung. Die GSE,  Gesellschaft für Soziale Dienstleistungen Essen, feiert 140 jähriges Jubiläum
Corinna Chojnacki leitet die Arbeitsgruppe, in der Dieter Elte beschäftigt ist. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Dinge, die Dieter Elte bereits sein Leben lang eigenständig erledigt. Denn er führt mit seinen Einschränkungen ein selbstbestimmtes Leben, hat seine eigene Wohnung und schmeißt den Haushalt selbstständig. Auch deshalb möchte er den anderen Menschen in der Seniorengruppe helfen, denen ein selbstbestimmtes Leben weniger leicht fällt. „Ich möchte hier ehrenamtlich weiterarbeiten und älteren Menschen helfen. Zum Beispiel für sie einkaufen gehen“, sagt er.

Auch seinem großen Hobby, dem Mixen und Zusammenstellen von Musik, möchte er weiter nachgehen. Was für ihn gar nicht infrage kommt: Nichts tun. „Das ist nicht mein Ding, da bin ich nicht der Typ für“, sagt er. „ Denn ich bin ein Mensch, ich möchte alles machen. Und das am liebsten an einem Tag!“

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]