Essen. Tiere werden bei Bränden mitunter schwer verletzt. Ein Essener Tierarzt erklärt, wie er sie behandelt und wieso oft Katzen betroffen sind.

Es brennt in der Nähe des Bahnhofes Borbeck Süd. Neben zehn Menschen bringt die Feuerwehr vier Kaninchen, zwei Katzen und einen Wellensittich ins Freie. Der Wellensittich wird samt Käfig per Drehleiter gerettet, die Kaninchen transportieren die Feuerlehrleute in Kisten. Dieser Vorfall liegt etwas mehr als einen Monat zurück. Immer wieder kommt es jedoch vor, dass Tiere bei Bränden gerettet werden.

Die Aufgabe der Tierrettung obliegt nach dem Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und des Katastrophenschutzes im Land Nordrhein-Westfalen der Feuerwehr. Die kann nach eigenen Angaben nicht gesonderte auswerten, wie viele Tiere sie aus brennenden Gebäuden gerettet hat. Fest steht aber: „Die Feuerwehr Essen wurden im Jahr 2023 zu 743 Tierrettungseinsätzen alarmiert“, so Sprecher Nico Blum. Dabei sei in 143 Fällen der Gerätewagen Tierrettung alarmiert worden, um ein verletztes Tier zum Arzt oder Tierheim zu transportieren.

Feuerwehr Essen wurde 2024 zur über 500 Tierrettungseinsätzen gerufen

Von Jahresbeginn 2024 bis zum 5. Dezember wurde die Feuerwehr Essen zu 533 Tierrettungseinsätzen alarmiert, davon waren 103 Transporte mit dem Gerätewagen Tierrettung erforderlich. Das Spektrum reicht von Reptilien, über Vögel, bis hin zu einem gestürzten Pferd, dem die Feuerwehr jüngst wieder auf die Beine geholfen hat.

Tierrettung fällt ins Aufgabengebiet der Feuerwehr Essen. Im November holten die Einsatzkräfte unter anderem einen Wellensittich.
Tierrettung fällt ins Aufgabengebiet der Feuerwehr Essen. Im November holten die Einsatzkräfte unter anderem einen Wellensittich. © ANC-News | JUSTIN BROSCH

„Unsere Erfahrung zeigt, dass Tierbesitzer häufig versuchen, ihre Tiere selbst zu retten, da sie emotional stark mit ihnen verbunden sind. Dies kann jedoch im Brandfall aufgrund von Rauch und Feuer sehr gefährlich sein“, erklärt Nico Blum. „Wir appellieren deshalb dringend, dass Personen ihre eigene Sicherheit nicht gefährden und die Rettung den Einsatzkräften überlassen.“

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Menschenrettung geht für die Essener Feuerwehr vor

Für die Feuerwehr laute das oberste Gebot immer: Menschenrettung geht vor. „Sobald keine Menschen mehr in Gefahr sind, entscheiden wir im Rahmen der Gefahrenabwehr, ob und wie Tiere gerettet werden können“, so Blum. Dabei würden auch die Sicherheitsaspekte für die Einsatzkräfte berücksichtigt. Insbesondere bei Großtieren sei etwa eine sichere Unterbringung nach der Rettung erforderlich.

Das Einfangen von Tieren sei oft herausfordernd, weil sie in Stresssituationen flüchten oder sich verstecken. „Unsere Einsatzkräfte nutzen dafür ihre Schutzkleidung“, schildert Blum. Diese könne durch spezielle Handschuhe ergänzt werden. Zum Einfangen stünden auf dem Gerätewagen Tierrettung spezielle Werkzeuge zur Verfügung, um die Tiere möglichst behutsam einzufangen: darunter Käscher, Boxen und Zangen. Zur Rettung von Großtieren stünden den Feuerwehren spezielle Hebegeschirre zur Verfügung.

Bei besagtem Brand an der Altendorfer Straße blieben die Tiere unverletzt und wurden ins Tierheim gebracht, bevor sie wieder zu ihren Besitzern zurück konnten. Jan Apelt von der Tierärztlichen Klinik für Kleintiere in Altenessen erlebt es allerdings öfter, dass Tiere bei Bränden zu Schaden kommen. „Das kommt etwa einmal im Monat vor“, so der stellvertretende Chefarzt der Klinik. Im Sommer häuften sich die Fälle noch etwas mehr.

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Essener Tierarzt: Tiere erleiden bei Bränden Atemnot

Die Tiere, die in die Klinik eingeliefert würden, seien meist Hunde und Katzen – wobei Katzen noch stärker betroffen seien. „Sie liegen meist erhöht und sind so den Rauchgasen stärker ausgesetzt“, erklärt Apelt. Denn die steigen bekanntlich nach oben. Außerdem neigten Katzen eher dazu, nach oben zu flüchten, wenn sie Panik bekämen. So versteckten sie sich dann zum Beispiel auf dem Schrank, wo die Situation für sie aber noch schlimmer sei.

Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Cyanid atmen Tiere bei Bränden ein. „Kohlenstoffmonoxid bindet sich 300 Mal stärker an das Hämoglobin in unserem Blut als Sauerstoff“, erklärt Apelt. Cyanid, das beim Verbrennen von Kunststoff freigesetzt wird, zerstöre die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen. Bei ihm landeten die Tiere dann mit massiver Atemnot, Husten, gereizten Augen, Krämpfen oder sogar im Koma, die Schleimhäute seien teils blau oder rot verfärbt. Weitere Folgen von Bränden: „Rußpartikel heften sich ins Fell und sorgen für zusätzliche Toxizität.“ Die heißen Dämpfe wiederum könnten zu Verbrennungen in der Lunge und damit zu weiteren Folgeerkrankungen wie Lungenentzündung oder Lungenödem führen.

Jan Apelt ist stellvertretender Chefarzt der Tierärztliche Klinik für Kleintiere in Essen.
Jan Apelt ist stellvertretender Chefarzt der Tierärztliche Klinik für Kleintiere in Essen. © Apelt

Patienten sind in der Regel drei bis vier Tage in Essener Klinik

Das Wichtigste in diesen Fällen ist es, schnell zu handeln. Je früher die Tiere eine Behandlung bekommen, desto besser. „Entscheidend ist, dass man das Kohlenmonoxid-Level herunterbekommt“, schildert Apelt. Benötigt werde dafür 100-prozentige Sauerstoffversorgung. Zum Vergleich: Der Sauerstoffgehalt in der Luft liegt bei rund 21 Prozent. „Die Tiere bekommen sofort einen Sauerstoffschlauch vor die Nase“, so Apelt

Dann gehe es in die Sauerstoffbox. Außerdem bekämen sie eine Infusion zur Kreislaufstabilisierung und Mittel zur Erweiterung der Bronchien, damit sie besser atmen können. Wenn es der Zustand zulasse und die Tiere stark nach Rauchgasen riechen, sei es auch sehr vorteilhaft, das Fell zu waschen. 

Vögel im Käfig, Kaninchen in Kisten: So kann es aussehen, wenn die Feuerwehr Essen Tiere rettet.
Vögel im Käfig, Kaninchen in Kisten: So kann es aussehen, wenn die Feuerwehr Essen Tiere rettet. © ANC-News | JUSTIN BROSCH

„Normalerweise sind die Tiere drei bis vier Tage bei uns in der Klinik“, erklärt der Tierarzt. Dann kämen sie entweder zurück zu ihren Besitzern oder ins Tierheim, etwa wenn der Besitzer noch nicht ermittelt sei, wenn er im Krankenhaus liege oder vorübergehend in einer Notunterkunft untergebracht sei, in der keine Tiere wohnen können. Wenn die Tiere ganz schwer verletzt seien, komme es auch vor, dass es einen Monat dauere, bis sie sich erholt hätten. Und manchmal könne man sie gar nicht retten, etwa, wenn nur noch wenig Sauerstoff im Gehirn vorhanden sei.

Nach Bränden: Essener Tierklinik bleibt manchmal auf Behandlungskosten sitzen

„Die Fälle sind alle schlimm, es sind immer Schicksalsschläge“, sagt Apelt. Die Klinik stellten Brandopfer oft vor Herausforderungen, in eben jenen Fällen, wo die Feuerwehr die Tiere vorbeibrächten und der Besitzer nicht gleich gefunden werden könne. „Manchmal denken wir, dass es besser wäre, ein Tier von seinen Qualen zu erlösen, können den Besitzer aber nicht fragen“, nennt er ein Beispiel.

In anderen Fällen wiederum führe man eine aufwendige Behandlung durch, um dann vom Besitzer zu hören, dass er kein Geld habe und der Behandlung nicht zugestimmt hätte. „Wir versuchen dann, dem Besitzer entgegenzukommen und eine Ratenzahlung anzubieten“, so der Tierarzt. Manchmal bleibe die Klinik aber auch auf den Kosten sitzen.

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