Essen. In der Fußgängerzone in Essen-Steele ist eine Frau überfallen und zusammengeschlagen worden – am helllichten Tag. Einige wundert das nicht.
Ein brutaler Überfall mitten am helllichten Tag bewegt derzeit die Menschen im Stadtteil Steele. In der Fußgängerzone war am Feiertag Allerheiligen (1. November) eine 41-Jährige von zwei unbekannten Männern niedergerissen und dann getreten worden, obwohl die Frau bereits am Boden lag. Die Täter flüchteten mit dem Geld der Essenerin, das sie vorher in einer Bank abgehoben hatte.
Die Polizei machte diesen Vorfall, der sich am 1. November gegen 15 Uhr an der Kreuzung Hansastraße/Alte Zeilen abgespielt hatte, erst Anfang dieser Woche öffentlich. Die Polizei geht davon aus, dass die Täter die Frau ausspioniert hatten. Offenbar hatten die bisherigen Befragungen der Polizei von Anwohnern bislang nichts ergeben: Von den Tätern, die mit ihrer Beute in Richtung Grendplatz zu Fuß flüchteten, ist nur bekannt, dass sie schwarze Bekleidung trugen, sie waren maskiert mit Sturmhauben.
Raub in Essen-Steele: Die Täter flüchteten zu Fuß, über sie ist fast nichts bekannt
Rund drei Wochen später, ein gewöhnlicher Geschäftstag in Steele: Direkt am Schauplatz des Verbrechens ist ein Bäckerei-Café; die Kassiererin zuckt mit den Schultern: Nein, von diesem Vorgang habe man bislang nichts mitbekommen, obwohl es mittlerweile im Netz und in der Zeitung stand. Ähnlich äußert sich die Angestellte einer Parfümerie auf der anderen Seite des Tatorts: Nein, von den Kunden habe man davon bislang nichts gehört. Es muss so gut wie nichts los gewesen sein am Feiertag in Steeles Fußgängerzone, die Geschäfte hatten ja ohnehin geschlossen.
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Doch wer nicht die Geschäftsleute, sondern jene Menschen fragt, die direkt in Steeles Ortskern wohnen, der bekommt andere Antworten: „Mich wundert das überhaupt nicht“, sagt Cindy Leggieri-Haake, die am Donnerstagmittag vor Tchibo am Kaiser-Otto-Platz sitzt mit einem Milchkaffee. „Ich wohne in der Kaiser-Wilhelm-Straße“, berichtet sie, „also mitten in der Fußgängerzone. Es wird immer schlimmer hier. Früher, als Kind, hab‘ ich hier noch jeden Tag gespielt. Meine eigenen Kinder lass‘ ich nicht mehr ohne Weiteres spielen.“
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Ihr Partner, der neben ihr sitzt, ergänzt: Vor allem, seit dubiose Sportwetten-Bars in die Ladenlokale eingezogen sind, habe sich das Publikum in Steeles Ortskern sehr verändert. „Man wird ständig angebettelt, und viele reagieren aggressiv, wenn man nicht reagiert.“ Allein ein stadtbekannter Bettler, der seit Jahren täglich am Kaiser-Otto-Platz sitzt mit seinem Hund, sei in Ordnung: „Der ist friedlich. Der ist ja schon immer hier.“
Anwohnerin Jutta Haake, die mit am Tisch sitzt, pflichtet bei: „Es ist in den letzten zehn Jahren viel schlimmer geworden. Anstand und Sitte gehen zunehmend flöten. Ich selbst bin auch schon angegriffen worden.“ Sie habe sich jedoch beherzt wehren können.
Die Zahl der Raubdelikte im gesamten Essener Stadtgebiet ist vom Jahr 2022 aufs Jahr 2023 um rund zwölf Prozent gestiegen. Das geht aus der aktuellen Kriminalitätsstatistik hervor, die allerdings für einzelne Stadtteile keine Angaben macht. Auffällig ist, dass die Zahl der Raubdelikte in Essen seit drei Jahren kontinuierlich steigt, von 410 Fällen im Jahr 2021 auf 543 Fälle im Jahr 2023.
Zahl der Raub-Delikte in Essen steigt, war aber schon viel höher
Allerdings: Die Zahl der Raubdelikte war in den Jahren 2020 und 2021 vergleichsweise niedrig, was ganz sicher mit Corona und den entsprechenden Beschränkungen zu tun hat. So lag die Zahl der Raubdelikte beispielsweise bereits im Jahr 2015 auf einem sehr viel höheren Niveau – nämlich bei 707 Taten; das war im Übrigen auch vor der so genannten Flüchtlingswelle aus Syrien und Afghanistan. Der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger bei Raubdelikten liegt derzeit laut Statistik bei etwas mehr als 42 Prozent; etwas mehr als jede zweite Raub-Tat wird aufgeklärt.
Die meisten Opfer von Raub-Delikten sind übrigens Zufallsopfer, in der Regel (in mehr als 70 Prozent aller Taten) kennen sich Opfer und Täter nicht. Die Beute, die die Räuber machen, ist grundsätzlich absurd gering: In den meisten Fällen erbeuten sie weniger als 250 Euro.
Senioren aus Essen-Steele: „Ganz früher war Steele gefährlich“
Am Grendplatz, im Herzen von Steele, trifft sich an diesem Vormittag die Initiative „Willst du mit mir geh‘n?“. Das sind Spaziergangs-Aktionen für Senioren, es gibt sie seit Jahren in vielen Stadtteilen von Essen. Man trifft sich und spaziert einfach drauf los. Ein 83-Jähriger, der in Steele aufgewachsen ist und schon lange in Heidhausen wohnt, erzählt: „Steele ist doch immer schon ein gefährliches Pflaster gewesen!“ Und krempelt zum Beweis die Ärmel seiner Wanderjacke hoch: „Hier, schauen Sie mal.“ Jahrzehntealte Narben. „Das waren Messer-Angriffe.“ Der Senior erzählt es mit der Gelassenheit eines Mannes, den wohl nichts mehr schocken kann: „Früher war in jeder Straße ein anderer Fußballverein. Wenn Sie da zum falschen Club gehörten und nicht sofort die Straßenseite wechselten, kriegten Sie direkt eine drüber.“
Eine Seniorin, die den Vorgang von Allerheiligen in der Zeitung gelesen hat, winkt ab: „Ich geh‘ schon lange nicht mehr alleine zum Geldabheben. Man muss einfach aufpassen.“
Die Polizei sucht weiter Zeugen des Vorfalls am 1. November: Hinweise an 0201 829-0.
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