Essen. Eine symbolische Sanierung hatten die Bewohner der Abrisssiedlung in Essen-Leithe geplant. Der Allbau drohte ihnen just mit Kündigung.

Der Ton in der Auseinandersetzung um die Abbruchsiedlung Litterode scheint rauer zu werden. Einen Tag vor einer Protestaktion der Mieter und Mieterinnen gegen den Abriss sorgte der Vermieter Allbau mit einem Schreiben für Empörung. Manche Bewohner sprachen gar von einem Drohbrief und einem Einschüchterungsversuch. Denn darin untersagte das städtische Wohnungsunternehmen den Plan der Bewohner, ein Haus symbolisch zu dämmen. Stattgefunden hat die Aktion trotzdem.

Der Hintergrund: Der Allbau will die Siedlung in Leithe abreißen, weil die Sanierung der alten Zechenhäuser aus seiner Sicht wirtschaftlich nicht möglich und ökologisch nicht nachhaltig sei. Teile sind auch schon abgerissen worden. Seit Monaten kämpfen die Bewohnerinnen und Bewohner für den Erhalt ihres Zuhauses. Deshalb planten sie am Samstag, die Litterode symbolisch mit Wärmedämmung zu verkleiden, um zu verdeutlichen, dass eine Sanierung der Häuser aus ihrer Sicht durchaus möglich sei.

Allbau untersagt Essener Litterode-Mietern die Dämmung der Fassade

An einer Häuserwand klebten sie Wabenpappen auf, die eine Wärmedämmung andeuten sollten. Nach Ende der Aktion entfernten sie die Teile wieder, ohne Rückstände an der Fassade zu hinterlassen. Am Tag zuvor hatte der Allbau in seinem Brief die geplante Aktion allerdings als „nicht genehmigte bauliche Veränderung“ eingestuft.

Mit Pappe deuteten die Mieter eine Wärmedämmung in der Essener Siedlung Litterode an.
Mit Pappe deuteten die Mieter eine Wärmedämmung in der Essener Siedlung Litterode an. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

In seinem Schreiben wies das Unternehmen seine Mieter darauf hin, dass sie ihre Häuser nur „im Rahmen des seinerzeit abgeschlossenen Mietvertrags“ nutzen und „im akzeptablen Rahmen“ auch umbauen dürften. Die Fassade jedoch „und eventuell nicht gemietete Außenflächen“ seien Eigentum des Allbau. „Wir untersagen Ihnen hiermit ausdrücklich, unser Eigentum und insbesondere unsere Fassade der jeweiligen Häuser durch das Anbringen einer Dämmung zu beschädigen.“

Mehr zum Thema Litterode in Essen

Allbau beschuldigt Essener Mieter, sie wollten das Unternehmen diskreditieren

Weiter schreibt der Allbau: „Eine Missachtung dieses Gebots können wir nicht akzeptieren und werden eine Kündigung im Rahmen der bereits bestehenden Kündigung prüfen.“ Die Demonstration habe den einzigen Zweck, das Wohnungsunternehmen zu diskreditieren und die eigenen Interessen durchzusetzen: „Wir sehen hier eine Gefahr für das Ansehen der Allbau GmbH, insbesondere weil die Aktion eine gewisse Pressewirksamkeit hervorrufen könnte. Eine solche Pressewirksamkeit unter Missachtung fremden Eigentums ist von Ihnen zu unterlassen.“ Sollten die Bewohner die Untersagung dennoch missachten, werde man die Entfernung und Entsorgung auf deren Kosten durchführen lassen.

Der Allbau will die Siedlung Litterode in Essen-Leithe abreißen: Die Sanierung lohne sich nicht.
Der Allbau will die Siedlung Litterode in Essen-Leithe abreißen: Die Sanierung lohne sich nicht. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Doch die Dämmaktion ist offensichtlich nicht der einzige aktuelle Streitpunkt: Hevres und Oliver Becker, Organisatoren des Protests, mussten außerdem lesen, dass der Allbau nun gegen ihre getätigten Umbauten im Doppelhaus vorgeht.

Essener Litterode-Mieter haben Wohnungen für viel Geld saniert

„Es ist keine vertragsgemäße Nutzung, wenn Sie sowohl im Erdgeschoss als auch im 1. Obergeschoss einen Durchbruch vollziehen, der es Ihnen ermöglicht, eine komplett neue Wohneinheit zu schaffen und zu nutzen“, heißt es in dem Schreiben. In dem Haus habe „eine komplette mietrechtliche Strukturänderung“ stattgefunden. Die Beckers werden daher aufgefordert, bis zum Jahresende diese baulichen Veränderungen wieder zurück zubauen.

Die Bewohner der Litterode in Essen-Leithe kämpfen für den Erhalt ihrer Siedlung.
Die Bewohner der Litterode in Essen-Leithe kämpfen für den Erhalt ihrer Siedlung. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

In der Tat habe man viel Geld in die Sanierung der Wohnungen gesteckt, sagt Oliver Becker, „weil die Stadt sich nicht darum gekümmert hat.“ Die Umbauten seien schon alt, meint Hevres Becker. Man teile sich die beiden Doppelhaushälften mit den Eltern: „Und die können keine Treppen mehr steigen.“ Der inzwischen 80-jährige Vater sei aufs Schwerste gefoltert worden im Irak, die Details seien grausig. Deswegen habe er 1985 mit seiner Familie aus seiner Heimatstadt Mosul fliehen müssen, nun sei er pflegebedürftig. Die Mutter schaffe die Pflege nicht allein, weshalb die Familie zwei Wohnungen in direkter Nähe zueinander benötige.

Wie umgehen mit dem neuesten Schreiben des Allbau? Hevres Becker lächelt und kündigt an: „Ich telefoniere mal eben mit unserem Rechtsanwalt.“ Ohnehin laufe alles auf eine juristische Klärung hinaus, befürchtet sie. Ihr Rechtsbeistand gehe davon aus, dass die auf Grundlage der bisherigen Planung erklärten Mietvertragskündigungen zivilrechtlich angreifbar und unwirksam seien. Ende offen.

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]