Essen. Bremst die 2025 geplante Abgabe den touristischen Aufwärtstrend der Stadt? Die Branche warnt vor Risiken: „Wir reden nicht über Kleckerkram!“
Guck an, dachte sich Thomas Kolaric, als Essen vor gut zwei Wochen erstmals zu einem „Tourismus-Tag“ einlud: Dass die Stadt nach all den Jahren neuerdings ihre Rolle als guter Gastgeber entdeckt – für den örtlichen Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) war das mal „ganz großes Kino“. Schon wenig später wähnte Kolaric sich dann allerdings im falschen Film: Essens OB, der eben noch den Tourismus als „bedeutenden Wirtschaftszweig“ gepriesen hatte, verriet ihm am Rande der Veranstaltung, dass die Stadt im kommenden Jahr eine Bettensteuer einführen will. „Das hat mich kalt erwischt.“
Vor 13 Jahren diskutierte die Essener Politik zum letzten Mal die Bettensteuer – und verwarf die Pläne
Immerhin, die Branche konnte gewarnt sein: Als im Mai eine unerfreuliche Steuerschätzung ein zweistelliges Millionen-Loch in den Stadt-Etat riss, da deutete der Stadtkämmerer bereits an, notfalls eine Bettensteuer ins Auge zu fassen: „Wenn alle Stricke reißen“, so Gerhard Grabenkamp damals, „würde ich darüber nachdenken.“
Das Finanzloch ist seither eher noch gewachsen und die Bettensteuer neben anderen Drehs an den städtischen Steuerschrauben von der Stadtspitze fest eingeplant. Mit Details kann Kämmerer Grabenkamp derzeit allerdings noch nicht dienen, zu frisch sind die Pläne für diese Steuer, die allerdings auch in Essen in der Vergangenheit schon mehrfach diskutiert wurde. Zuletzt legte vor 13 Jahren das sogenannte Viererbündnis aus CDU, Grünen, FDP und Essener Bürger Bündnis die „Matratzen-Maut“ zu den Akten.
Der Löwenanteil der 1,7 Millionen Übernachtungen in Essen geht auf das Konto von Geschäftsreisenden
Damals sollte ein fünfprozentiger Aufschlag auf die Übernachtungskosten jährlich rund 3,5 Millionen Euro in die schwindsüchtige Stadtkasse spülen. Seitdem sind nicht nur die Übernachtungszahlen in Essen, sondern auch die Preise spürbar gestiegen. Kein Wunder, dass der Essener Finanzchef nun mit der doppelten Summe pro Jahr kalkuliert. Ob er dabei einen prozentualen Aufschlag oder einen Festpreis pro Übernachtung favorisiert – „das ist noch nicht klar“, versichert Grabenkamp.
Fest steht jedoch: Eingeführt werden soll die Bettensteuer zur Jahresmitte 2025 und blechen sollen alle, die ihr müdes Haupt in den 52 Essener Hotels, in Pensionen, Ferienwohnungen „und ähnlichen Unterkünften“ betten. Ausnahme-Tatbestände etwa für Geschäftsreisende soll es nicht geben, und genau da bekommt Thomas Kolaric vom DEHOGA Nordrhein Puls. Denn von den rund 1,7 Millionen Übernachtungen in Essen gehen nach seinen Angaben – touristischer Aufschwung hin oder her – rund 75 bis 80 Prozent auf das Konto von geschäftlichen Aufenthalten. „Das ist unser Brot- und Butter-Geschäft.“
Düsseldorf nimmt nur drei Euro pro Nacht, Dortmund immerhin 7,5 Prozent vom Übernachtungspreis
Und deshalb wäre es nach Ansicht der Branche zu kurz gedacht, mit Verweis auf die Hotelpreise lässig abzuwinken und zu glauben, da falle so eine Bettensteuer ja eh nicht groß ins Gewicht. Fällt sie doch, glaubt Kolaric und weiß von Unternehmen, die nicht nur zu Messezeiten über teils mehrere Tage Kontingente von zig oder gar hunderten Betten buchen. Da würden aus ein paar Euro schnell stattliche Summen, „wir reden hier also nicht über Kleckerkram“. Sondern über das Risiko, dass solche Firmen womöglich in umliegende Städte ausweichen könnten, wo es die Bettensteuer (noch) nicht gibt.
Um dies zu vermeiden, hatte die Essener Politik schon beim letzten Anlauf für eine Bettensteuer im Jahre 2011 dafür plädiert, eine revierweite Strategie abzusprechen. Zu der aber kam es nicht. Stattdessen existiert ein Flickenteppich, auf dem unter anderem Dortmund, Düsseldorf und Köln auswärtige Gäste abkassieren. Düsseldorf knöpft jedem Gast drei Euro pro Übernachtung ab, Köln hat seine „Kulturförderabgabe“ auf fünf Prozent des Übernachtungspreises festgelegt, und Dortmund kassiert sogar 7,5 Prozent.
EMG-Chef Röhrhoff sieht die Belastung der Branche, sorgt sich aber nicht um den Tourismus-Standort
Auch Münster, Bonn und Wuppertal kassieren etwa die Bettensteuer, jetzt kommt, wenn der Stadtrat Ende November bei der Verabschiedung des Haushalts zustimmt, Essen dazu: Ein Stimmungskiller also für eine Branche, die von sich sagt, sie sei „immer noch nicht da, wo wir mal 2019 waren“, vor Corona, vor Krieg und Krisen, vor der wirtschaftlichen Flaute. Richard Röhrhoff hat Verständnis für die Klagen, einerseits: „Ich weiß, dass das für die Hotellerie eine organsiatorische und finanzielle Belastung bedeutet“, sagt der Geschäftsführer der Essen Marketing-Gesellschaft (EMG), die unter anderem als Tourismus-Gesellschaft fungiert. Andererseits gibt er zu bedenken, dass sich „noch kein Tourismus-Standort schlechter entwickelt hat, nur weil dort eine Bettensteuer erhoben wird“.
Auch DEHOGA-Mann Kolaric schwant, dass die Essener Politik die Bettensteuer in Ermangelung anderer Finanzquellen durchwinken dürfte, weshalb es am Ende womöglich darauf ankommt, das nach seiner Ansicht ungerechte, weil auf (s)eine Branche beschränkte „Sonderopfer“ wenigstens so unbürokratisch wie möglich zu händeln. Wenn sich also die Bettensteuer schon nicht vermeiden lasse, dann soll sie doch als Festbetrag pro Übernachtung à la Düsseldorf kommen, das sei unkomplizierter als ein prozentualer Anteil am Übernachtungspreis. Und am liebsten auch in der von Düsseldorf eingeführten digitalen und ausgesprochen unbürokratischen Variante, da habe die Landeshauptstadt „einen Meilenstein gesetzt“.
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Und, nun ja, je niedriger die Steuer, desto lieber wär‘s der Branche, das liegt auf der Hand. Düsseldorf gilt auch da mit seinem Festpreis von drei Euro pro Nacht als Richtschnur, in Köln wäre dieser Betrag schon bei einem Hotelpreis von 60 Euro erreicht, in Dortmund gar schon bei 40 Euro. Da Essens Kämmerer sieben Millionen Euro im Jahr erzielen will, läge angesichts von 1,7 Millionen Übernachtungen im Jahr ein Festbetrag bei rund 4,11 Euro je Nacht. Immerhin verspricht Gerhard Grabenkamp „kein Bürokratiemonster“ erschaffen zu wollen, neues Personal wird es für die Bettensteuer in Essen nicht geben: „Das machen wir mit Bordmitteln.“
In der Beherbergungsbranche hofft man, dass die Stadt die Sache auch sonst maßvoll betreibt, dass sie den Tourismus nicht abwürgt, den Dreh an der Steuerschraube „nicht bis aufs Letzte ausreizt“: Vielleicht, sagt DEHOGA-Geschäftsführer Thomas Kolaric, lasse sich ja ein Teil der Einnahmen für Marketing-Aktivitäten in der EMG verwenden. Für ihn wäre das großes Kino. Und ein kleines Happy End.
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