Essen. Die „Hymne an Rom“, komponiert 1918, gefiel später den italienischen Faschisten. Nun soll sie aufgeführt werden. Das sorgt für „Gesprächsbedarf“.
Wie faschistisch ist Giacomo Puccini? Das Stück „Inno a Roma“ (Hymne an Rom) des 1924 verstorbenen italienischen Komponisten, das in Essen aufgeführt werden soll, sorgt derzeit für Diskussionen bei der Theater und Philharmonie GmbH (TUP). Wie in vielen anderen Kulturinstitutionen, werden auch bei der TUP Werke daraufhin überprüft, ob sich etwas politisch Anrüchiges - sprich: Rechtes - mit ihnen verbindet oder verbinden lassen könnte, was nach Ansicht einiger auch auf die „Hymne an Rom“ zutrifft.
Chor-Stück feiert Rom im typisch überbordenden Pathos der damaligen Zeit
Das 1918 entstandene Chor-Stück feiert die italienische Hauptstadt im national-pathetischen Stil jener Zeit, was aber wohl nicht das Hauptproblem ist. Pathos ist schließlich ein nicht gerade seltenes Charakteristikum in den Texten von Kompositionen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Aber: „Vor allem in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Werk von der neofaschistischen Bewegung und Partei MSI für ihre rhetorischen Zwecke missbraucht“, sagt TUP-Sprecher Christoph Dittmann. Dies wiederum habe in den Reihen des Philharmonischen Chores zu „Gesprächsbedarf“ geführt, so die TUP. Im Klartext fühlt sich mancher Akteur aus politisch-historischen Gründen offenbar unwohl, ein solches Lied zu singen.
Geplant ist, die „Inno a Roma“ anlässlich des 100. Todestags von Puccini beim Symphoniekonzert am 20. und 21. November gemeinsam mit einigen anderen seiner Orchester- und Chor-Werke aufzuführen. Anders als die bekannten Puccini-Opern wie „Madame Butterfly“ oder „Turandot“, gelten diese Stücke als so genannte Raritäten, die selten gespielt werden. „Vor dem Hintergrund der Besonderheiten dieses außergewöhnlichen Puccini-Programms war es von Anfang an geplant, dass Generalmusikdirektor Andrea Sanguineti vor Konzertbeginn dem Publikum persönlich eine Einführung gibt, um die Raritäten zu erläutern und somit auch eine Komposition wie ,Inno a Roma‘ in den Gesamtkontext des Programms einzuordnen“, so Dittmann.
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Weder Komponist Puccini noch der Dichter der Textes, Fausto Salvatori, hätten die ideologische Einvernahme ihrer Hymne ins Gedankengut der italienischen Faschisten erlebt, betont der TUP-Sprecher. Dennoch nimmt man die aufgekommene Diskussion ernst. Für die nächste Chorprobe in der kommenden Woche sei ein Termin vereinbart worden, „bei dem Andrea Sanguineti, der auch die musikalische Leitung des Konzertes inne hat, den direkten Austausch suchen und die bereits dargestellten Hintergründe zur Konzertgestaltung erläutern wird“. Damit nicht genug: „Auch Intendantin Dr. Merle Fahrholz steht jederzeit bereit, Fragen zu einzelnen Programmpunkten des Konzertes zu beantworten.“
Keine „Cancel Culture“: TUP-Leitung schließt eine Entfernung des Stückes aus dem Programm kategorisch aus
Eines allerdings sei ausgeschlossen: dass man die „Inno a Roma“ wegen des politischen Unwohlseins einiger Beteiligter wieder aus dem Programm entfernt. Mit der so genannten „Kontextualisierung“, der Einordnung in historische Zusammenhänge, soll es sein Bewenden haben, „Cancel Culture“ wolle man aus diesem Anlass nicht. TUP-Geschäftsführer Fritz Frömming erklärte auf Anfrage, man könne „bald gar nichts mehr spielen“, wenn Künstler aus anderen Epochen ausschließlich an der moralischen Elle von heute gemessen würden. Hier müsse es auch einmal Grenzen der nachgelagerten Problematisierung von Kunstwerken geben.
Die künstlerische Leitung des Aalto-Musiktheaters und der Essener Philharmoniker beschäftige sich gleichwohl „sehr intensiv mit den Inhalten der Bühnen- und Orchesterwerke, die zur Aufführung gebracht werden“, heißt es in der Mitteilung der TUP zum „Fall Puccini“. Wenn Teile von Werken – und sei es nur missverständlich – aus heutiger Sicht als rassistisch oder diskriminierend wahrgenommen werden könnten, werde dies beachtet. „So wurden bereits in der Vergangenheit strittige Passagen in Opernlibretti angepasst oder durch begleitende Informationen und Texte kontextualisiert.“
Im übrigen sei die Haltung und politische Positionierung der TUP-Intendanzen, der Geschäftsführung und auch des Generalmusikdirektors klar und deutlich, betont Sprecher Christoph Dittmann. In diesem Zusammenhang verwies er auf die Aktionen rund um das AfD-Treffen in der Philharmonie Anfang September, etwa die Diskussion „Jeder ist jemand“ mit dem Publizisten Michel Friedman, die als TUP-Gegenveranstaltung zur AfD konzipiert war.
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