Essen. Merle Fahrholz, neue Intendantin am Aalto-Theater, steht für ein Programm, das neben Bewährtem auch musikalische Nischen und Experimente umfasst.
Den Abend nach der Aufsichtsratsentscheidung hat Merle Fahrholz gleich im Konzertsaal verbracht. Als künftige Intendantin der Essener Philharmoniker ist die 38-Jährige ab der Spielzeit 2022/23 nicht nur Chefin eines der hoch angesehenen Orchester im Land, sondern als Nachfolgerin von Hein Mulders auch neue Intendantin des Aalto-Theaters. Die Leitung der Essener Philharmonie, die Mulders bislang im Doppelamt betreut, soll künftig allerdings wieder anderweitig besetzt werden.
Auch junge Menschen sollen mit dem Musiktheater in Berührung kommen
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Dass man der promovierten Musikwissenschaftlerin und jungen Mutter den Job zutraut, daran ließen die Entscheider der Essener Theater und Philharmonie in der ersten Vorstellungsrunde am Freitag keinen Zweifel. TuP-Geschäftsführerin Karin Müller spricht von einer „überaus qualifizierten Person, die unserem Haus entgegenkommt“.
Aufsichtsratsvorsitzende Barbara Rörig rühmt ihre „soziale Kompetenz, gepaart mit einem menschen- und lösungsorientierten Führungsstil“. Und Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain überzeugen vor allem „ihre Ideen, einerseits verstärkt Komponistinnen zu präsentieren und andererseits mit jungen Menschen zu arbeiten, die vielleicht erstmals mit Musiktheater in Berührung kommen“.
Wer nach all den zeitgemäßen Erwähnungen der sogenannten „Soft Skills“ am Ende die Kunst schon ein wenig in den Hintergrund getreten sah, den mag Merle Fahrholz beruhigen. Die noch amtierende Chefdramaturgin und stellvertretende Intendantin des Dortmunder Opernhauses hat sich viel vorgenommen für die fünf Spielzeiten bis 2027. Vor allem will sie viele für die Klassik gewinnen und dem Musiktheater einen zeitgemäßen Auftritt verschaffen.
„Musiktheater ist etwas für alle“, lautet ihr Credo, dazu gehöre aber nicht nur die Mozart-Oper, sondern auch die „musiktheatrale Performance im Stadtraum“. „Open up“ nennt sie beispielsweise Erkundungs-Projekte, an denen auch Bürger der Stadt aktiv beteiligt werden sollen. Der Bereich der Jungen Oper soll gestärkt werden, auch die Etablierung eines Komponistinnenschwerpunkt liegt ihr am Herzen. Wiederentdeckungen weiblicher Tonkünstlerinnen aus vergangenen Epochen soll es dabei ebenso geben wie Uraufführungen und Kompositionsaufträge.
Auch Klassiker und Vertreter der leichten Muse sollen auf dem Spielplan stehen
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Wichtig sei, „dass man im Aalto-Theater viele Stile erleben kann“. Deshalb werde es auch Begegnungen mit Klassikern und Vertretern der leichten Muse geben, verspricht die designierte Intendantin, „die Bohème möchte ich niemandem wegnehmen“. Für die verschiedenen Regieansätze stünden „bekannte und neue Namen“. Ein „Best of“-Programm scheint man von der künftigen Opernchefin allerdings nicht zu erwarten. „Merle Fahrholz wird uns in Ecken und Winkel des Repertoires führen“, glaubt Kulturdezernent Al Ghusain.
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Erschlossen werden sollen diese neuen Klang-Räume im Team. Fahrholz vertrete eine neue Generation von Führungskräften, erklärt Barbara Rörig. Die betonte Abwendung vom „klassisch-hierarchischen Theaterbetrieb“ dürfte auch eine Reaktion auf die heftigen Querelen um den ehemaligen Geschäftsführer Berger Bergmann sein.
Vom Tisch sind damit auch dessen einstige Pläne einer Generalintendanz mit einer flacheren Führungsebene darunter. Stattdessen wird das TuP-Leitungsteam mit der neuen Philharmonie-Intendanz nun wieder um eine zusätzliche Position erweitert. Man wolle das Sparten-Profil insgesamt noch einmal stärken, erklärt Muchtar Al Ghusain. Über die Besetzung soll zeitnah entschieden werden.
Auch am Pult der Essener Philharmoniker steht ein Wechsel an
Ebenfalls neu besetzt werden muss ab 2022/23 die Spitzenposition am Pult der Essener Philharmoniker. Ob dort in der Nachfolge von Tomáš Netopil eine neue Generalmusikdirektorin oder ein neuer Generalmusikdirektor zum Zuge kommt, wurde noch offen gelassen. Fraglich bleibt auch, wie es um die Zukunft des hochklassigen Aalto-Ensembles bestellt ist.
Für die Spielzeit 2022/23 dürften zunächst wenige Veränderungen anstehen, da das Programm noch durchgängig vom scheidenden Intendanten Hein Mulders geplant wurde. Für die Zeit danach wird man sehen. Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain hält es jedenfalls nicht mehr für zeitgemäß, „dass mit dem Wechsel an der Spitze ganze Kollektive wegbrechen“.